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Kreativ, innovativ, zukunftsorientiert
Das Theater der Stadt Heidelberg · Von Midou Grossmann Am 31. Oktober 1853 wurde das Theater der Stadt Heidelberg mit
einer Aufführung von Friedrich Schillers „Die Braut
von Messina“ eröffnet. Es gibt ältere und größere
Häuser in unserem Land, und dennoch hat sich das Heidelberger
Theater mit seinen nur 619 Sitzplätzen eine Spitzenposition
in der deutschen Theaterlandschaft erobert.
Das Theaterfieber scheint die Stadt und ihre 140.000 Einwohner
infiziert zu haben, denn 177.000 Menschen besuchten das Haus in
der letzten Spielzeit. Somit stiegen die Abonnements seit dem Intendanzstart
Peter Spuhlers – im Jahr 2005 – auf den höchsten
Stand der letzen 17 Jahre. Spuhlers junges und wagemutiges Team
mit Generalmusikdirektor Cornelius Meister, Operndirektor Bernd
Feuchtner und Schauspieldirektor Axel Preuß präsentierte
sich von Anfang an künstlerisch enorm innovativ, vielschichtig
kreativ, und beweist, dass man auch mit einem kleinen Jahresbudget
(17,4 Millionen Euro) überregional erfolgreich sein kann,
wenn man für die Kunst „brennt“. Doch Intendant
Spuhler betont auch, dass der große thematische Bogen stimmen
müsse, da er auf keinen Fall das 2 1/2-Spartenhaus (die Tanztheater-Sparte
wird seit 2004 als Kooperation mit dem Thea-ter Freiburg geführt)
als eine Art Gemischtwarenladen führen möchte.
Spannende
Vielfältigkeit
Natürlich braucht man heute auch ein gutes Marketing, die
Aufbruchstimmung im Haus zeigt sich selbstbewusst in großen
Themenüberschriften wie „Sehnsucht“, „Der
Wunsch, ein anderer zu sein“, „Traum von der Ferne“ und
so weiter. So etwas macht neugierig, gerade in einer so jungen
und intellektuell geprägten Universitätsstadt wie Heidelberg.
Das Programm der letzten Spielzeit präsentierte sich als dickes
Buch, das sich spannender und vielfältiger las als so mancher
Luxusdruck der großen Häuser, weil ein absoluter künstlerischer
Wille hinter dem Gedruckten zu spüren war. Die Anzahl aller
Veranstaltungen (inkl. Konzert und Kinder- und Jugendtheater) beläuft
sich auf die unglaubliche Zahl von 949. Die Vielfältigkeit
wird ergänzt durch die jährlichen Schlossfestspiele,
die vom Theater geplant werden sowie die Reihe „Winter in
Schwetzingen“ mit Produktionen von Barockopern. Kleinere
Spielorte stehen mit dem Werkraumtheater sowie dem Kinder- und
Jugendtheater und der Probebühne zur Verfügung, für
die Konzerte wird zudem noch die Heidelberger Stadthalle benutzt.
Ein wichtiges neues Angebot ist das Projekt „Theater für
Blinde“, das schon an einigen wenigen Theatern in Deutschland
angeboten wird. Mit Hilfe von Audiodeskriptionen werden unter anderem
Vorgänge auf der Bühne beschrieben und so auch vermittelt. Qualitäts-Quantensprung
Das Orchester erhielt kürzlich den Preis für das beste
Konzertprogramm der Saison 2006/07. Unter GMD Cornelius Meister
ist ein Quantensprung an Musikalität zu verzeichnen gewesen.
Meister wurde 25-jährig aus einer Schar von 160 Bewerbern
als GMD ausgewählt, und er beschränkt sich nicht nur
auf das rein Musikalische. Seine Talente und seinen Elan setzt
er auch in der Organisation ein, er versteht die finanziellen Aspekte,
ist enorm geschickt im Umgang mit dem Apparat, im Umgang mit der
Politik und im Umgang mit dem Publikum. Also ein junger Mann, den
man durchaus gebrauchen kann, wenn man so große Ansprüche
und künstlerische Visionen in sich trägt wie Intendant
Peter Spuhler. Neben den regulären acht philharmonischen Konzerten
gestaltet das Orchester zudem noch Sonderkonzerte sowie die beliebten
Familienkonzerte. In der vergangenen Spielzeit waren es sechs,
die auch schon für Kinder ab vier Jahren geeignet waren. Seit
fünf Jahren läuft zudem das erfolgreiche Schulprojekt „Musik
erleben“, das im direkten Kontakt mit den Lehrern entwickelt
wird. Ziel ist es, möglichst viele Kinder für die Musik
zu begeistern. Parallel zur „Figaro“-Neuproduktion
wurde noch eine Version für Kinder angeboten, zahlreiche Angebote
für Jugendliche laufen auch auf der Theater- und Ballettschiene.
Die Probenmöglichkeiten für das Orchester sind zudem
weitaus intensiver geworden als allgemein üblich. GMD Cornelius
Meister bemüht sich darum, dem Publikum immer Topleistungen
zu bieten, die er auch mit seinen internationalen Verpflichtungen
wie momentan der Leitung von Wagners „Ring“ in Riga
anstrebt. Auch einer intensiven Ensemblepflege (9 feste Mitglieder)
sieht sich der GMD verpflichtet. Mut zu Zeitgenössischem
Das Haus kann viele anspruchsvolle Opern aus dem eigenen „Pool“ besetzen.
Bernd Feuchtners langjährige internationale Tätigkeiten
und Erfahrungen in der Klassikbranche sind ein Glücksfall
für das Haus. Es gilt die Losung, dass jede Repertoireaufführung
auf Premierenniveau abzulaufen habe. Die Reihe „Zweite Chance“ macht
es sich zur Aufgabe, bereits an anderen Häusern uraufgeführte
neue Werke ein zweites Mal zu präsentieren: eine mutige Entscheidung,
die sich als Publikumsmagnet erwiesen hat. So kam dieses Jahr die
Oper „A flowering Tree“ von John Adams zur Aufführung.
Das Werk erlebte seine Uraufführung 2006 in Wien unter der
Regie von Peter Sellars. Neben der Talentsuche in Sachen Sänger
profiliert sich das Haus auch mit der Beschäftigung von begabten
Nachwuchsregisseuren, wie in der letzten Spielzeit Aron Stiehl
(„Figaros Hochzeit“) und Benedikt von Peter („Eugen
Onegin“) erfolgreich bewiesen haben. Stiehls Inszenierung
wurde bei der Premiere begeistert gefeiert, ein Heidelberger Unternehmer
kaufte kurz entschlossen eine Vorstellung, um sie seinen Mitarbeitern
und Geschäftsfreunden zu zeigen. Im musikalischen Bereich
ist auch der Chor enorm wichtig, der im Besonderen bei den Anforderungen
der modernen Opern seine große Meisterschaft immer wieder
zeigen konnte. Die 23 festen Mitglieder des Opernchores, der Kinder-
und Jugendchor, sowie der Extrachor, sind mit ihrem Chorleiter
Jan Schweiger eine verschworene Gemeinschaft, die immer wieder
höchste Qualität abrufen kann. Der junge Mann aus Salzburg
bezeichnet seinen international besetzten Chor als enorm engagiert,
flexibel und voller guter Energie, er setzt intensiv auf einen
Aufbau der individuellen Stimmen und auf eine Steigerung des gesanglichen
Ausdrucks. Krisenbewältigung
Während der aktuellen Phase des kreativen Aufbaus traf dann
im Sommer 2006 ein Supergau das Haus. Wegen erheblicher baulicher
und Sicherheitsmängel stand es plötzlich vor der Schließung.
Schon ein Jahr später hatte man durch private Spender vier
Millionen Euro gesammelt. Der Heidelberger Unternehmer, spendete
allein hier wieder eine Million Euro. Die Sanierung könnte
auch als glückliche Fügung bezeichnet werden, denn die
Planung sieht den Bau eines modernen Saals vor, zugleich bleibt
der historische Saal erhalten. Momentan zeichnet sich allerdings
eine Kostenexplosion ab, da der Baubeginn erst für Februar
2010 angesetzt worden ist, ab dann soll drei Jahre in einem Zelt
gespielt werden. Doch auch diese Herausforderung wird das hoch
motivierte Leadingteam sicherlich bravourös meistern; man
darf auf weitere spannende Spielzeiten gespannt sein. Midou Grossmann
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