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Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Radebeul und Freiberg
Eine Fusion der Landesbühnen Sachsen in Radebeul mit dem Mittelsächsischen
Theater in Freiberg/Döbeln stehe derzeit nicht mehr zur Debatte,
teilte die sächsische Ministerin für Wissenschaft und
Kunst, Eva-Maria Stange (SPD) mit. Die Prüfung der Daten und
die Gespräche mit den Theaterleitungen hätten ergeben,
dass die Fusion keinen wirtschaftlichen Nutzen bringen werde.
Sächsisches Kulturraumgesetz
Das im Dezember 1993 vom Landtag verabschiedete, Ende 2007 auslaufende
Kulturraumgesetz soll nach dem Koalitionsvertrag, der zwischen
CDU und SPD geschlossenen wurde, bis 2011 verlängert werden.
Es erhebt im Freistaat Sachsen die Kulturpflege zur Pflichtaufgabe
der Gemeinden und Landkreise. Die Finanzierung erfolgt durch eine
Umlage, die die Kulturräume von ihren Mitgliedern erheben;
daneben beteiligt sich der Freistaat mit derzeit 86,7 Millionen
Euro. Da nach der anstehenden Kreisgebietsreform sechs der acht
ländlichen Kulturräume mit den neuen Kreisen deckungsgleich
wären, was zu einer gravierenden Veränderung der bisherigen
Entscheidungsstrukturen hinsichtlich der Mittelvergabe führen
würde, ist eine Novellierung des Gesetzes erforderlich, anlässlich
derer auch die Höhe des Staatszuschusses in Frage gestellt
werden könnte.
Thüringen und kein Ende
„CDU“ sei die Abkürzung für „Chaos
durch Unverstand“ muss
meinen, wer auf die von Thüringens Kultusminister Jens Goebel
zu verantwortende Theaterpolitik des Jahres 2006 zurückblickt.
Der von seinen Ministerialen in Erfurts Werner Seelenbinder-Straße
zusammengeschusterte Plan zur „Neuordnung der Thüringer
Theaterlandschaft“ ließ von Anfang an nur zwei Ziele
erkennen: Mit aller Gewalt sollten ab dem Jahr 2009 rund zehn bis
zwölf Millionen Euro pro Haushaltsjahr durch Kürzung
der Fördermittel für Theater und Orchester einge-spart
werden, und um dies zu erreichen, sollten möglichst viele
der Produktionsstandorte zu Bespieltheatern ohne ein eigenes Ensemble
degradiert werden. Allen voran das Musiktheater in Weimar neben
den Bühnen in Eisenach, Nordhausen-Sondershausen und Rudolstadt-Saalfeld.
Die Thüringer Philharmonie Gotha-Suhl sollte gleich ganz verschwinden.
Alle einschlägigen Daten sind in dieser Zeitschrift dokumentiert
und kommentiert (s. Oper&Tanz, Ausgaben 4/06, 5/06 und 6/06,
jeweils zu Beginn des Heftes auf S. 6).
Allein schon die aberwitzige Idee, das Deutsche Nationaltheater
Weimar zerschlagen zu wollen, das als einzige Thüringer Bühne
regelmäßig in der Oberliga spielt und unbestritten das
bestbesuchte Haus im Freistaat ist, machte Goebel zur Zielscheibe
des – von der Presse engagiert unterstützten – öffentlichen
und politischen Protests und des bundesweiten Hohns: „Verödet
und verblödet“ titelte die Thüringer Landeszeitung
in Anlehnung an ein von Rudolstädter Bürgern entworfenes
Transparent: „Kulturverödung ist Volksverblödung!“
Nicht ohne erste Wirkung dürfte auch die Initiative der Enquete-Kommission
des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ geblieben
sein, der Kulturförderung in den neuen Bundesländern
den ihr zukommenden Stellenwert einzuräumen. Die Vorsitzende
der Kommission, die Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann (CDU),
appellierte in einem Schreiben an den Beauftragten der Bundesregierung
für die neuen Länder, Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee
(SPD), sich dafür einzusetzen, dass von den 51 Milliarden
Euro, die im Korb II des bis 2019 laufenden Solidarpakts zur Unterstützung
der neuen Bundesländer eingestellt sind, mindestens zwei Prozent
für die Kulturförderung zur Verfügung stehen. „Gerade
in den neuen Ländern sind Kultur und Kulturwirtschaft herausragende
identitätsstiftende und wirtschaftsfördernde Standortfaktoren“,
schreibt Gitta Connemann. Die Kommission sei der Ansicht, dass
angesichts der weiterhin vorhandenen teilungsbedingten Lasten der
Bund auch künftig in der Mitverantwortung für die Förderung
der neuen Länder sei. Dabei komme dem „Erhalt und der
Entwicklung der Kultur auch im Rahmen eines erweiterten Kulturbegriffs
eine besondere Bedeutung zu“ (zit. nach SZ, 13.12.06).
Nicht etwa, dass das Goebel-Ministerium seinen Verödungsplan
zurückgenommen hätte, aber indem es sich bei dreien der
betroffenen Kommunen mildere Etatkürzungen abverhandeln ließ,
gelang es ihm, diese zum Abschluss der neuen Theaterfinanzierungsverträge
für die Jahre 2009 bis 2012 zu bewegen. Die Philharmonie Jena
erhält jetzt 1,4 statt 1,3 Millionen, das Theater Altenburg-Gera
9,515 statt 9,3 Millionen, Nordhausen-Sondershausen 4,2 statt,
wie im Neuordungsplan vorgesehen, nur 1,5 Millionen Euro. Um gut
drei Millionen Euro liegt das Ministerium damit über dem ursprünglichen
Einsparungssoll. Dennoch ist diese zumindest für Nordhausen überlebensichernde
Entscheidung insgesamt kritisch zu bewerten: Zum einen ist die
Solidarität der Kommunen bei ihrem Widerstand gegen die Pläne
der Landesregierung aufgebrochen, zum anderen reichen die Mittel
auch jetzt nicht aus, die Arbeit künstlerisch vertretbar bis
2012 fortsetzen zu können. Die Konsequenzen zeichnen sich
bereits ab: Die Theaterleitungen in Altenburg-Gera und Nordhausen-Sondershausen
haben offiziell angekündigt, dass sie, sollen Personalabbau
oder Spartenschließungen vermieden werden, umgehend neue
Haustarifabschlüsse fordern müssten. „Um die Qualität
aufrecht zu erhalten, bedarf es eines Paktes zum Lohnverzicht“,
erklärte Altenburgs Oberbürgermeister Michael Wolf. Für Rudolstadt-Saalfeld (Schauspiel und Thüringer Symphoniker)
und für die Thüringen Philharmonie ist bisher keine Lösung
in Sicht. Und über die Zukunft der Theater und Orchester in
Meiningen und Eisenach darf spekuliert werden: Letzteres soll unter
dem Dach der Meininger Kulturstiftung Unterschlupf finden und seine
Selbständigkeit verlieren, vielleicht noch Ballett und Jugendtheater
selbst produzieren.
Aber was geschieht in Weimar und Erfurt? Aus dem politischen
Gerüchte-Markt
verlautet, beide Städte könnten sich zwar keine Fusion,
Weimar schon gar nicht unter Aufgabe seines Musiktheaters samt
Staatskapelle vorstellen, doch über bestimmte Kooperationen
könne man nachdenken. Vielleicht unter dem Dach einer Staatstheater-Holding,
deren vierter Partner, neben dem Freistaat und den beiden Städten
wer? – der Bund sein könnte. Natürlich nicht als
Theater-Betreiber, wohl aber als Betreuer historischer Gedenkstätten.
Schließlich hatte die verfassunggebende Versammlung der Weimarer
Republik vom 6. Februar bis zum 30. September 1919 im Deutschen
Nationaltheater getagt, war dort der erste Reichspräsident
gewählt worden. Wenn beide Städte, wozu sie dem Vernehmen
nach bereit sind, ihre eigenen Theater-Betriebszuschüsse anhöben
und das Land, unterstützt vom Bund, proportional nachzöge,
wäre auch eine Basis-Finanzierung gesichert. Dazu Ministerpräsident
Dieter Althaus, an Einsicht gewachsen: „Unter dem Dach einer
Holding könnten beide Häuser ihre Selbständigkeit
bewahren und darstellen und synergetische Effekte nutzen.“ Und,
noch einsichtiger: „Die (Weimarer) Staats-Kapelle ist ein
herausragender Klangkörper, den ich nicht im Erfurter Orchestergraben
sehe“ (zit. nach TA, 23.12.06).
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