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Es ist ja leider richtig: Der Wirtschaftsaufschwung des Jahres
2006 mit Wachstumsquoten um die zwei Prozent ändert, selbst
wenn er sich fortsetzen sollte, wenig daran, dass Bund, Länder
und Gemeinden so hoch verschuldet sind, dass die steigenden Steuereinnahmen
nur dafür reichen, gewissen Investitionsstau abzubauen und
die jährliche Neuverschuldung zu senken. Fiskalische Musterschüler
wie beispielsweise die Landeshauptstadt Dresden oder der Freistaat
Bayern, deren dem Haushaltsausgleich dienenden Verkäufe öffentlichen
Eigentums allerdings nicht unumstritten sind, bilden die raren
Ausnahmen.
Die gesamtstaatliche Verschuldung in Deutschland läuft auf
die zwei Billionen zu (das ist eine 2 mit 12 Nullen);
der Schuldendienst allein des Bundes erforderte nach Angaben des
Bundesfinanzministeriums
im Jahr 2004 bereits 14,4 Prozent des Haushalts und wurde für
2005 auf 16 Prozent geschätzt. Und das Haushaltsdefizit Bremens
(einschließlich seiner Kommunalschulden), des Bundeslandes
mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung, wuchs nach Berechnungen
der Dresdner Bank in den ersten drei Quartalen des Jahres 2006
pro Minute um 1.980 Euro und nähert sich den 14 Milliarden. Die Hinweise auf diese Zahlen verfolgen den Zweck, die mancherorts
geäußerte Hoffnung zu dämpfen, es werde die sachte
Erholung der öffentlichen Haushalte automatisch das Ende der
krisenhaften Situation der Kulturförderung einläuten.
Solcherart Hoffnung ist nicht nur zu dämpfen, ihr ist vor
allem zu bescheinigen, dass sie vom Ansatz her falsch ist. Sie
erweckt nämlich den Eindruck, als seien es vorrangig Geldmangel
und Sparzwänge, die im Bereich der Kulturpolitik zu den erheblichen
Einschnitten bei der Förderung führen. Deren Umfang aber
ist in den öffentlichen Haushalten so marginal, dass sich
lächerlich macht, wer da behauptet, ihre Kürzung leiste
einen wesentlichen Beitrag zu den fälligen Haushaltssanierungen.
Am Beispiel der geradezu skandalösen Pläne zur Neuordnung
der Theater- und Orchesterlandschaft im Freistaat Thüringen,
mit denen sich unsere Zeitschrift auf den Seiten 6/7 dieser Ausgabe
zum wiederholten Male befassen muss, wird das deutlich. Statt ein
wenig konzeptionelles Gehirnschmalz aufzuwenden oder im Dialog
mit allen Beteiligten ehrlich zu sagen, was eigentlich kulturpolitisches
Ziel ist, latscht der zuständige Minister elefantenfüßig
auf die Kostenbremse, wobei es um nicht einmal ganze 0,1 Prozent
des Thüringer Landeshaushalts geht. Und selbst die waren nicht
ganz ernst gemeint, wie sich jetzt erweist. Der Neuordnungsplan
entpuppt sich als prekariatsorientierte Spar-Show; die Kollateralschäden
haben der Kulturstaat Thüringen und vermutlich wieder einmal
die Beschäftigten in den Kultureinrichtungen zu tragen.
Der hohenzollernsche Kulturtrampel Wilhelm II. formulierte wenigstens
ehrlich, ihm passe die ganze Richtung nicht. Die heutigen Kulturtrampel
faseln populistisch einher, wissen nicht einmal, dass nicht Alles
sich für Alle schickt, nicht für Alle passt.
Theaterfinanzierung
durch Sponsoring? Das funktioniert nur fallweise werbewirksam an
großen Häusern in Ballungsräumen und bleibt in
jedem Fall ein Zubrot. Rechtsform-Umwandlung? Sie hilft nur bedingt
und kann nur dann akzeptiert werden, wenn der Rechtsträger
sich als Gesellschafter bindet. Weg vom Repertoire und vom Ensemble,
hin zur Stagione? Die mittleren und kleinen Häuser spielen
faktisch schon heute vielfach im Semi-Stagione-Betrieb und bei
den großen setzt das internationale Koproduktion voraus.
Reduzierung der Zahl der produzierenden Theater, die dann die anderen
bespielen? Fusionen oder Spartenfusionen? Das geht in Einzelfällen,
hat aber Identitätsverluste und Standortverarmung zur Folge.
Nein, die Politik sollte nicht mit verdeckten Karten auf Systemwechsel
spielen, sondern es den Theatern und ihren Trägern ermöglichen,
dass die Künstler und nicht der Apparat die Bühnen strukturell
definieren.
Stefan Meuschel
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