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Alle Theater-Haustarifverträge, die angesichts
der in Kommunen und Ländern aufgebrochenen Haushaltslöcher
derzeit in zunehmender Zahl abgeschlossen werden müssen, enthalten
eine weitgehend textidentische Klausel: Der Haustarifvertrag tritt
erst dann in Kraft, wenn für alle drei Tarifgruppen Verträge
unterzeichnet sind, mit denen für die jeweiligen Mitarbeiter
auf Vergütungsbestandteile in vergleichbarem Umfang verzichtet
wird. Alle Beschäftigten, das ist der Sinn dieser Bestimmung,
sollen sich mit einigermaßen gleichem Lohnverzicht zugunsten
des Erhalts des betreffenden Theaters und seiner Arbeitsplätze
beteiligen.
Bei den drei Tarifgruppen handelt es sich um die
Orchestermusiker, für die der „Tarifvertrag für
die Kulturorchester“ (TVK) gilt, um die künstlerischen
Mitarbeiter, deren Arbeitsbedingungen sich nach dem „Normalvertrag
Bühne“ (NV Bühne) richten, und drittens um die so
genannten nichtkünstlerisch Beschäftigten (in Verwaltung,
Technik und Werkstätten), die den Tarifverträgen des öffentlichen
Dienstes unterliegen (TVöD beziehungsweise BAT und BMT-G/MTL).
Abgeschlossen werden der TVK und der NV Bühne arbeitgeberseitig
vom Deutschen Bühnenverein, arbeitnehmerseitig von der Deutschen
Orchestervereinigung (DOV) beziehungsweise von der Genossenschaft
Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) und von der Vereinigung
deutscher Opernchöre und Bühnentänzer (VdO). Parteien
der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sind Bund,
Länder und Kommunen einerseits, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
(ver.di) andererseits.
Es liegt auf der Hand, dass es der Kooperation,
mindestens der Abstimmung der vier Gewerkschaften bedarf, um in
Anbetracht der sehr unterschiedlich strukturierten Flächentarifverträge
jeweils einen inhaltlich einigermaßen deckungsgleichen Haustarifvertrag
zustande zu bringen. Als es die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft
(DAG) noch gab, war das vergleichsweise einfach: In ihrer „Arbeitsgemeinschaft
Kultur“ arbeiteten die zwar selbständigen, aber ihr satzungsmäßig
integrierten Künstlergewerkschaften DOV, GDBA und VdO zusammen
und zwischen der DAG und der die Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes vertretenden ÖTV gab es eine Kooperationsvereinbarung.
Mit der 2001 erfolgten Gründung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft
ver.di hätte alles viel besser werden sollen. Die einschlägig
tätigen Gewerkschaften DAG, IG Medien und ÖTV vereinen
sich in ver.di, die Arbeitsgemeinschaft Kultur der DAG wird in ver.di
fortgeführt – und vor allem: Die mitglieder- und berufsorientierte
Verbands-(oder Berufs- oder Fachgruppen-) Arbeit wird durch Vermeidung
interner Konkurrenzen und damit verbundener sinnloser Doppelarbeit
gestärkt zugunsten effektiverer Mitgliederbetreuung und Behauptung
der kulturpolitischen Kompetenzen.
Genau das Gegenteil ist eingetreten. Die unbedachte
Entscheidung der ver.di-Gründer, die Mitglieder-Gruppierungen
aus Kunst und Medien mit Druck und Papier sowie mit industriellen
Diensten und Produktion zu einem Fachbereich zusammenzurühren
statt ihnen das unerlässliche berufsgewerkschaftliche Eigenleben
zu ermöglichen, die unterschwellige Angst vor Kartellen und
der ausgebliebene Neuzuschnitt der Organisationsfelder hatten zur
Folge, dass die AG Kultur auseinander flog. Von der AG Kultur (Film/TV)
sind nur noch die Drehbuchautoren und Cutter bei ver.di; der Bundesverband
der Fernseh- und Filmregisseure (BVR) und der Bundesverband Kamera
(bvk) haben sich Ende 2005 verabschiedet. Und von den Verbänden
der AG Kultur (Theater) hat nur die DOV einen neuen Kooperationsvertrag
mit ver.di abgeschlossen: Sie hat keine Abgrenzungsprobleme. Die
GDBA hat den Übergang der AG Kultur der DAG zu ver.di gar nicht
erst vollzogen und die VdO lebt in völlig ungeklärten
Beziehungen zu ver.di.
Sie sieht derzeit auch weder Verhandlungsmöglichkeit noch
Gesprächsbedarf, nachdem ver.di versucht hatte, im Zuge der
Verhandlungen über den neuen „Tarifvertrag öffentlicher
Dienst“ (TVöD) dessen Geltungsbereich auf die unter den
NV Bühne fallenden künstlerisch Beschäftigten auszudehnen.
Der Versuch, eine Tarifkonkurrenz herzustellen, ist zwar gescheitert,
die Tatsache jedoch, dass er unternommen wurde, ohne die Künstlergewerkschaften
auch nur zu unterrichten, geschweige denn mit ihnen darüber
zu diskutieren, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. In
Bayern würde man ein solches Vorgehen „hinterfotzig“
nennen. Ein dreifach Hoch der gewerkschaftlichen Solidarität!
Nicht nur das mühsame Geschäft der
Haustarifverhandlungen ist schwieriger geworden. Aber warum sollte
irgendetwas auch einfacher werden?
Ihr Stefan Meuschel
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