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Editorial

Alle Theater-Haustarifverträge, die angesichts der in Kommunen und Ländern aufgebrochenen Haushaltslöcher derzeit in zunehmender Zahl abgeschlossen werden müssen, enthalten eine weitgehend textidentische Klausel: Der Haustarifvertrag tritt erst dann in Kraft, wenn für alle drei Tarifgruppen Verträge unterzeichnet sind, mit denen für die jeweiligen Mitarbeiter auf Vergütungsbestandteile in vergleichbarem Umfang verzichtet wird. Alle Beschäftigten, das ist der Sinn dieser Bestimmung, sollen sich mit einigermaßen gleichem Lohnverzicht zugunsten des Erhalts des betreffenden Theaters und seiner Arbeitsplätze beteiligen.

   

Stefan Meuschel

 

Bei den drei Tarifgruppen handelt es sich um die Orchestermusiker, für die der „Tarifvertrag für die Kulturorchester“ (TVK) gilt, um die künstlerischen Mitarbeiter, deren Arbeitsbedingungen sich nach dem „Normalvertrag Bühne“ (NV Bühne) richten, und drittens um die so genannten nichtkünstlerisch Beschäftigten (in Verwaltung, Technik und Werkstätten), die den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes unterliegen (TVöD beziehungsweise BAT und BMT-G/MTL). Abgeschlossen werden der TVK und der NV Bühne arbeitgeberseitig vom Deutschen Bühnenverein, arbeitnehmerseitig von der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) beziehungsweise von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) und von der Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer (VdO). Parteien der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sind Bund, Länder und Kommunen einerseits, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) andererseits.

Es liegt auf der Hand, dass es der Kooperation, mindestens der Abstimmung der vier Gewerkschaften bedarf, um in Anbetracht der sehr unterschiedlich strukturierten Flächentarifverträge jeweils einen inhaltlich einigermaßen deckungsgleichen Haustarifvertrag zustande zu bringen. Als es die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) noch gab, war das vergleichsweise einfach: In ihrer „Arbeitsgemeinschaft Kultur“ arbeiteten die zwar selbständigen, aber ihr satzungsmäßig integrierten Künstlergewerkschaften DOV, GDBA und VdO zusammen und zwischen der DAG und der die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vertretenden ÖTV gab es eine Kooperationsvereinbarung. Mit der 2001 erfolgten Gründung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hätte alles viel besser werden sollen. Die einschlägig tätigen Gewerkschaften DAG, IG Medien und ÖTV vereinen sich in ver.di, die Arbeitsgemeinschaft Kultur der DAG wird in ver.di fortgeführt – und vor allem: Die mitglieder- und berufsorientierte Verbands-(oder Berufs- oder Fachgruppen-) Arbeit wird durch Vermeidung interner Konkurrenzen und damit verbundener sinnloser Doppelarbeit gestärkt zugunsten effektiverer Mitgliederbetreuung und Behauptung der kulturpolitischen Kompetenzen.

Genau das Gegenteil ist eingetreten. Die unbedachte Entscheidung der ver.di-Gründer, die Mitglieder-Gruppierungen aus Kunst und Medien mit Druck und Papier sowie mit industriellen Diensten und Produktion zu einem Fachbereich zusammenzurühren statt ihnen das unerlässliche berufsgewerkschaftliche Eigenleben zu ermöglichen, die unterschwellige Angst vor Kartellen und der ausgebliebene Neuzuschnitt der Organisationsfelder hatten zur Folge, dass die AG Kultur auseinander flog. Von der AG Kultur (Film/TV) sind nur noch die Drehbuchautoren und Cutter bei ver.di; der Bundesverband der Fernseh- und Filmregisseure (BVR) und der Bundesverband Kamera (bvk) haben sich Ende 2005 verabschiedet. Und von den Verbänden der AG Kultur (Theater) hat nur die DOV einen neuen Kooperationsvertrag mit ver.di abgeschlossen: Sie hat keine Abgrenzungsprobleme. Die GDBA hat den Übergang der AG Kultur der DAG zu ver.di gar nicht erst vollzogen und die VdO lebt in völlig ungeklärten Beziehungen zu ver.di.

Sie sieht derzeit auch weder Verhandlungsmöglichkeit noch Gesprächsbedarf, nachdem ver.di versucht hatte, im Zuge der Verhandlungen über den neuen „Tarifvertrag öffentlicher Dienst“ (TVöD) dessen Geltungsbereich auf die unter den NV Bühne fallenden künstlerisch Beschäftigten auszudehnen. Der Versuch, eine Tarifkonkurrenz herzustellen, ist zwar gescheitert, die Tatsache jedoch, dass er unternommen wurde, ohne die Künstlergewerkschaften auch nur zu unterrichten, geschweige denn mit ihnen darüber zu diskutieren, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. In Bayern würde man ein solches Vorgehen „hinterfotzig“ nennen. Ein dreifach Hoch der gewerkschaftlichen Solidarität!

Nicht nur das mühsame Geschäft der Haustarifverhandlungen ist schwieriger geworden. Aber warum sollte irgendetwas auch einfacher werden?

Ihr Stefan Meuschel

 

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