Giovanni in Dessau
Johannes Felsenstein schließt im Programmheft zu seiner
Inszenierung von Mozarts „Don Giovanni“ seine „etwas
andere Inhaltsangabe eines dramma giocoso“ mit den Worten:
„Was lehrt uns die Moritat? Also stirbt, wer Böses tat!
Wirklich?“ Das mitgedachte Nein könnte ihm gut zur Begründung
dienen, das Stück nun auch im Anhaltischen Theater in Dessau
im heutigen Kostüm mit allen denkbaren Handgreiflichkeiten
und Bodenrollen vorzuführen. Er jedoch verdeutlicht dieses
Nein mit einem ebenso einfachen wie verblüffenden Kunstgriff.
Sein im Stück nach Max Slevogts Bild mit Federbusch-Kopfbedeckung
auftretender Giovanni-Darsteller Ulf Paulsen erscheint am Schluss
galant im heutigen Frack.
Wie in all seinen Inszenierungen geht es Johannes Felsenstein darum,
den Gedanken- und Empfindungsreichtum des Werkes im Zusammenwirken
mit dem Dirigenten sinnvoll (aber durchaus nicht buchstabengemäß)
nach den Vorgaben der Autoren zu erschließen, hier in der
Entstehungszeit des Stückes und in deutscher Sprache nach der
Übersetzung von Walter Felsenstein und Horst Seeger. Der Ausstatter
Stefan Rieckhoff baute in die Bühnenmitte eine geschwungene
Treppe, die zu schnellen Verwandlungen taugt.
Da spielt das erste Bild aber nicht in einem Garten, sondern ein
Bett mit Donna Anna lässt die Bühne nach Leporellos Einleitung
als weiträumiges Schlafzimmer erscheinen. In diesem versucht
Giovanni mit leicht fallenden Beinkleidern schnell zur Sache zu
kommen. Für die Szene mit Zerlina genügt ein schnell herein
geschobener Bauernwagen, auf dem der große Kavalier und das
Bauernmädchen verschwinden. Viel mehr als die über die
Bretterwand fliegenden Kleidungsstücke ist aber nicht zu sehen.
Doch das bleiben naturalistische Andeutungen. Im Zentrum stehen
die Akteure mit ihren erotischen Leidenschaften und Konflikten,
die Giovanni immer stärker ins Verhängnis treiben. Im
Dirigenten Golo Berg hat Felsenstein einen Partner, der mit der
Anhaltischen Philharmonie die Vielschichtigkeit der Mozart‘schen
Musik in Klanggebung und Artikulation erfasst.
Ulf Paulsen überzeugt als Giovanni in allen Phasen des wechselvollen
Geschehens mit gesanglicher und darstellerischer Beweglichkeit und
Sicherheit. Als Donna Anna findet Daniela Zanger mit ihrer verhältnismäßig
zarten, dieser Partie durchaus entsprechenden Stimme zu eindringlicher
Gestaltung. Den Gegensatz dazu schafft die auch im Gesang dramatisch
zupackende Iordanka Derilova als Donna Elvira. Kostadin Arguirov
erweist sich als Leporello in Spiel und Gesang allen Situationen
gewachsen. Wie stets bei Johannes Felsenstein besitzen die Chorsänger
eigenes Profil. Ein insgesamt beeindruckender Beitrag zum Mozart-Jahr.
Werner Wolf
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