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Editorial

Der einigermaßen betriebsblinde Theatermensch sucht im Kapitel „Kultur“ des umfangreichen Koalitionsvertrages, den CDU/CSU und SPD geschlossen haben, natürlich zunächst nach „seinen“ Themen.

Bekennt sich die neue Bundesregierung zum Hauptstadtkulturvertrag? Jawohl, sie tut es: „Der Bund hat eine besondere Verantwortung für die Kultur in Berlin.“ Konkret werden „die Entscheidungen zur Fertigstellung der Museumsinsel“ und „zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses“ genannt. Über die Staatsoper und die Staatskapelle kein Wort. Das kann auch als Bekenntnis zur „Stiftung Oper in Berlin“ gelesen werden.

   

Stefan Meuschel

 

Wie steht’s um den Etat für Kultur und Medien im Bundeshaushalt? Er sei der „kleinste“ und daher „besonders sensibel“. „Neue Projekte müssen durch Umschichtungen finanziert werden“, heißt es. Das heißt auch: Mehr Geld gibt’s nicht – was angesichts des Haushaltslage keine überraschende Aussage ist.

Soll das „Staatsziel Kultur“ im Grundgesetz verankert werden? Fehlanzeige. Da eine derartige Kulturstaatszielbestimmung ohnehin nur appellativen Charakter hätte und unmittelbare Rechtswirkungen aus ihr nicht abzuleiten wären, ist die Position im Koalitionsvertrag durchaus nachvollziehbar. Vielleicht war den Autoren des Vertrags auch bekannt, dass die Kulturförderungsklauseln, wie sie die Verfassungen der meisten Bundesländer enthalten, noch nie gerichtsrelevant geworden sind.

Genau gelesen stimmt das mit der „Fehlanzeige“ jedoch nicht. Das Kapitel „Kultur“ hebt an mit der Feststellung: „Im Mittelpunkt der Kulturpolitik steht die Förderung von Kunst und Künstlern. Ihre Kreativität ist eine wichtige Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.“ Doch wer da gefordert ist, folgt einen Satz später, wenn es heißt, dass der Bund zwar wichtige Aufgaben zu erfüllen habe, „um Deutschlands Verpflichtung als europäischer Kulturnation gerecht zu werden“, dass aber „die Förderung von Kunst und Kultur auf Grund der Verfassungslage primär Aufgabe von Ländern und Kommunen“ sei. Dieses Bekenntnis zur so genannten Kulturhoheit der Länder deckt sich mit den im Anhang 2 zum Koalitionsvertrag getroffenen Aussagen zur Föderalismusreform: Die gemeinsame Bildungsplanung von Bund und Ländern soll aufgegeben werden, in Fragen der Bildung, der Kultur und des Rundfunks soll künftig ein Ländervertreter die Interessen der Bundesrepublik auf EU-Ebene wahrnehmen und neue Bundesförderungen im Kulturbereich bedürfen in Zukunft der Genehmigung durch die Länder (für bestehende Projekte, wie etwa den Deutschen Musikrat und den Kulturrat soll es eine Art Bestandsschutz geben). Bildungszentralisten werden sich die Haare raufen und der neue Kulturstaatsminister wird weniger Arbeit und weniger Kompetenzen haben – zumal auch die Zuständigkeit für die auswärtige Kulturpolitik, die „wieder tragende dritte Säule deutscher Außenpolitik werden“ soll, beim Auswärtigen Amt bleibt.

Ein ganz erstaunlicher Satz findet sich in der Einleitung des Kapitels „Kultur“: „Kulturförderung ist keine Subvention, sondern Investition in die Zukunft.“ Hab ich’s doch schon immer gewusst, sagt da der Theatermensch und sieht sich in seinem Kampf gegen Zuwendungsreduzierungen und kulturmuffelige Kämmerer unterstützt. Bedeutung kommt diesem Satz auch bei der Wahrung der Handlungsspielräume staatlicher Kulturförderung gegenüber internationalen Handelsvereinbarungen (zum Beispiel WTO und GATS) sowie beim europäischen Beihilferecht und im Zusammenhang mit der Dienstleistungsrichtlinie zu. Der Koalitionsvertrag bekennt sich ausdrücklich zur Wahrung von kulturellen Dienstleistungen als Kultur- und Wirtschaftsgüter, lässt allerdings eine zustimmende Aussage zum UNESCO-Übereinkommen und eine Absage zur Einbeziehung von Kulturgütern als „Ware“ in die Lissabon-Strategie der EU vermissen.

Sagt der Koalitionsvertrag etwas zur Kultur-Sozialpolitik? Durchaus: „Bei Gesetzgebungsverfahren sind die besonderen Belange der Kultur und der Medien und der Künstler und Kulturschaffenden zu berücksichtigen. Bei einer Überarbeitung von Hartz IV sind Einschränkungen vor allem bei den Beschäftigungsverhältnissen freiberuflich Tätiger im Kultur- und Medienbereich zu verhindern.“ Stünde da, dass sie „abzubauen“ seien, könnte lauter applaudiert werden. Auch das Bekenntnis zur Stärkung der Künstlersozialversicherung verdient Applaus.

Die Forderung des Koalitionsvertrages, „die Rechtsstellung der Urheber im digitalen Zeitalter“ sei zu stärken, ist ebenfalls bemerkenswert, zumal vom „Urheber“ und nicht verschleiernd vom „Rechteinhaber“ die Rede ist, bei dem es sich zumeist um einen Verleger, Produzenten oder Verwerter handelt.

Wem da im Hinblick auf die angesagte Förderalismusreform „die janze Richtung nicht passt“, wird das Kulturkapitel des Koalitionsvertrages beargwöhnen. Der einigermaßen betriebsblinde Theatermensch sagt sich aber, dass er in diesen schlimmen Zeiten Schlimmes erwartet hätte, nunmehr aber angenehm überrascht ist.

Ihr Stefan Meuschel

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