|
Zwei Staatsopernintendanten in München?
Staatsopernintendant
Peter Jonas und Generalmusikdirektor Zubin Mehta scheiden zum Ende
der Spielzeit 2005/2006 aus der Leitung der Bayerischen Staatsoper
aus. Das steht schon seit langem fest. Fest steht auch, dass Kent
Nagano Mehtas Nachfolger wird und dass der Chefdramaturg des derzeit
von Nagano geleiteten Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin Dieter
Rexroth mit nach München kommen wird – als Berater des
künftigen GMD, wie die Staatsoper verlauten ließ. Die
Vertragsverhandlungen mit Nagano und Rexroth liefen zeitgleich.
Als Nachfolger von Jonas war der frühere Intendant der Sächsischen
Staatsoper und jetzige Präsident der Bayerischen Theaterakademie,
Christoph Albrecht, vorgesehen. Doch Mitte März teilte Kulturstaatsminister
Thomas Goppel in einem auch von Christoph Albrecht unterzeichneten
Schreiben mit, dass „Verhandlungen über eine vorzeitige
Auflösung des Intendantenvertrages“ geführt würden.
Gründe wurden nicht genannt; intern war von völlig unzulänglichen
Vorbreitungen auf die künftig von Albrecht zu verantwortenden
Spielzeiten die Rede und von Abstimmungsproblemen mit Nagano. Als
bald darauf das Staatsministerium bekannt gab, der Chef des Wiener
Burgtheaters Klaus Bachler werde 2008 die Leitung der Staatsoper
übernehmen, witterten Presse und Opposition das, was ihnen
am liebsten ist: den Skandal. Auslöser war die veröffentlichte
Erklärung von Albrechts Anwalt Peter Raue, sein Mandant sei
nach wie vor bereit, seinen Vertrag anzutreten. Raue liebt solche
Manöver: sie stärken die Position seines Mandanten bei
den Verhandlungen über einen Auflösungs- und Abfindungsvertrag
und demonstrieren der Öffentlichkeit, dass das Ministerium
bürokratisch geschlampt hat.
An der Sachlage ändert sich nichts: Die Bayerische Staatsoper
wird in den beiden Interimsspielzeiten bis zum Amtsantritt Bachlers
von Kent Nagano als kommissarischem Staatsoperndirektor geleitet,
dem Peter Jonas als ehrenamtlicher Berater und ein Direktorium unter
Leitung des bisherigen Geschäftsführenden Direktors Roland
Felber zur Seite stehen werden. Und: Raue und der als Kulturmagazin
höchst qualifizierte „Focus“ werden dem Theaterklatsch
weiterhin förderlich sein.
Theater für Arme
Ab
1. Mai gibt es in Berlin nicht nur Ein-Euro-Jobs, sondern auch Drei-Euro-Tickets
für die Berliner Bühnen und Konzerthäuser. Berechtigt,
solche Eintrittskarten zu erwerben sind Bezieher von Arbeitslosengeld
II, Sozialhilfeempfänger, Grundsicherungsrentner und Asylbewerber.
Kultursenator Thomas Flierl hat entsprechende Vereinbarungen mit
einer Reihe von Häusern getroffen, darunter mit den drei Berliner
Opernhäusern. Allerdings gilt die Regelung nur, wenn Vorstellungen
nicht ausverkauft sind. Interessenten müssen also an der Abendkasse
auf ein solches Ticket warten.
Andere Städte in Deutschland folgen dem Beispiel Berlins. Am
Deutschen Nationaltheater Weimar gibt es bereits seit Mitte Februar
Karten zu einem Euro für Empfänger von Arbeitslosengeld
II. In Sachsen haben inzwischen das Staatsschauspiel in Dresden
sowie die Theater in Görlitz und Zittau die Idee aufgegriffen,
um Betroffenen der „Hartz-IV“-Reform entgegenzukommen.
Das Anhaltische Theater in Dessau will unbedingt noch in dieser
Spielzeit ein Modell einführen, um Arbeitslosen besonders preiswerte
Karten anzubieten. Auch hier sollen die günstigen Tickets nicht
für ausverkaufte Vorstellungen zu haben sein.
Das Nordharzer Städtebundtheater hat zwei Vorstellungen im
Monat zu erheblich geringeren Preisen im Spielplan. Für 5,55
Euro können Zuschauer jeweils einmal in Quedlinburg und in
Halberstadt Musiktheater oder Schauspiel erleben.
Viel Geld für Schweine
„Der
gesamte jährliche Kulturhaushalt der Europäischen Union
ist so groß wie der für die Bonner Oper“, kritisierte
Michael Naumann, der frühere Kulturstaatsminister und jetzige
Mit-Herausgeber der Wochenzeitung „Die Zeit“ bei einer
Diskussion in der Schwedischen Botschaft in Berlin. (Der Etat des
Bonner Theaters inklusive Schauspiel beträgt rund 39 Millionen
Euro; Anmerkung der Redaktion.) Hart attackierte Naumann Rat und
Kommission der EU und warf ihnen sträfliche Vernachlässigung
der kulturellen Werte Europas vor. „Es gibt unendlich viel
Geld für Schweine in der EU, aber kaum für Kultur.“
Dabei habe es lange vor den Agrarsubventionen Europa schon als kulturell
geprägten Kontinent gegeben.
Preisgekrönt
Den
mit 20.000 Euro dotierten Paul Hindemith-Preis erhält 2005
die russisch-amerikanische Komponistin und Pianistin Lera Auerbach.
Für die 32-jährige Künstlerin votierte einstimmig
eine Jury unter Vorsitz des Intendanten des Schleswig-Holstein Musik
Festivals, Rolf Beck.
Der Hindemith-Preis ist einer der höchst dotierten Komponistenpreise.
Lera Auerbach wurde 1973 in Tscheljabinsk (Ural) am Rande Sibiriens
geboren. Im Alter von zwölf Jahren komponierte sie ihre erste
Oper, die sogleich produziert und in vielen Orten der Sowjetunion
aufgeführt wurde. Als Gewinnerin von mehreren Klavierwettbewerben
wurde Lera Auerbach 1991 zu einer Konzertreise in die USA eingeladen.
Sie entschloss sich, in den USA zu bleiben und gehörte damit
zu den letzten Künstlern, die die damalige Sowjetunion verließen.
Am 1. Mai 2002 gab sie ihr Debüt in der Carnegie Hall. Die
Künstlerin absolvierte die New Yorker Juilliard School in den
Fächern Klavier und Komposition. Im Jahre 2002 machte sie an
der Musikhochschule Hannover ihr Konzertexamen.
Quander nach Köln
Mit
großer Mehrheit hat der Rat der Stadt auf Vorschlag der Koalitionsfraktionen
von CDU und SPD am 28. April den ehemaligen Intendanten der Berliner
Staatsoper Unter den Linden, Georg Quander, für acht Jahre
zum Dezernenten für Kunst und Kultur gewählt; er wird
damit Nachfolger der vergangenes Jahr verstorbenen Marie Hüllenkremer.
Der Musik- und Theaterwissenschaftler arbeitete von 1979 bis 1987
als Redakteur beim Sender Freies Berlin, danach als Hauptabteilungsleiter
für Musik und Unterhaltung beim RIAS Berlin, bis er 1991 zusammen
mit Daniel Barenboim die Leitung der Lindenoper übernahm. Seit
2002 lehrt er Musik- und Kulturmanagement an der Hochschule Bremen.
Seiner an der Staatsoper bewiesenen Managementqualitäten und
Krisenerfahrungen wird es in der in Köln einigermaßen
verfahrenen kulturpolitischen Lage bedürfen, zumal die Stadt
gerade bekannt gab, dass ihr für 2004 einkalkuliertes Haushaltsdefizit
in Höhe von 70 Millionen Euro um mehr als 100 Millionen Euro
angestiegen ist.
Hinter den Deichen
Das
Land Schleswig-Holstein, meerumschlungen, wird im neuen CDU/SPD-Kabinett
keinen für Kultur zuständigen Minister mehr haben. Die
in der rot-grünen Koalition amtierende SPD-Ministerin für
Bildung, Forschung, Wissenschaft und Kultur wird stellvertretende
Ministerpräsidentin und verwaltet künftig die Bildung
und die Frauen; Wissenschaft und Forschung werden dem Wirtschafts-
und Verkehrsministerium zugeschlagen und um die Kultur kümmert
sich in Zukunft der Chef persönlich: Sie ist in der Staatskanzlei
des neuen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen angesiedelt.
Persönlich zuständig sein wird die ehrenamtlich arbeitende
Landesbeauftragte für Minderheiten, Caroline Schwarz. Sollten
die erfahrenen und qualifizierten Verwaltungsbeamten der Kulturabteilung
des ehemals zuständigen Ministeriums nicht unverzüglich
in die Staatskanzlei übernommen werden, dürfte der Chef
überfordert sein, könnte die Kultur tatsächlich zur
Minderheitensache hinter den Deichen werden.
|