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Fragwürdige Auswahlkriterien, gute Ausbeute
Die Opernedition der FAZ: Ein Gelingen mit Abstrichen
Willkommen im Schnäppchenparadies. Kultur muss nicht teuer
sein. Gebundene Romanausgaben unter 5 Euro, Kinofilme auf DVD unter
10 Euro. Kaum ein größeres Verlagshaus, das sich nicht,
geschmückt vom Urteil ihrer Feuilletonredaktionen, am großen
Schlussverkauf beteiligt. Alles muss raus.
Vom Preis und Erscheinungsbild her versucht sich die FAZ-Edition
mit Opern-DVDs da ein wenig abzuheben. „Sie haben das Geld,
wir den Geschmack“ scheint an die Stelle von „Geiz ist
geil“ zu treten. Der Anspruch, „die 20 wichtigsten Opernaufführungen“
herausgesucht zu haben, ist schon Ehrfurcht gebietend, doch wird
schnell klar, dass die Edition, an diesem Anspruch gemessen, nur
scheitern konnte.
Was schon die ersten beiden Folgen mit je vier Opern vermuten ließen,
bestätigt sich bei der Vervollständigung: Die Kooperation
mit nur einem Partner (Arthaus) schränkte die Auswahl auf jenes
Material ein, das eben dieses Label schon veröffentlicht hatte.
An eine streng nach Qualitätsmaßstäben vorgenommene
oder wenigstens repräsentative Auswahl ist bei einer solchen
Konstellation natürlich nicht zu denken. Unter anderen Umständen
hätte die fast schon lächerlich pompöse und bis auf
Pavarottis solide herausposaunten Radames musikalisch unbedeutende
„Aida“-Produktion (Mailänder Scala 1986) hier ebenso
wenig Berücksichtigung gefunden wie die – gemessen am
Namen des Regisseurs – völlig unspektakuläre „Bohème“
aus Sidney, auch wenn Baz Luhrmann hier einige Jahre vor „Moulin
Rouge“ optisch schon ein paar Fühler in Richtung Montmartre
ausgestreckt hat. Szenisch ebenfalls enttäuschend Pierre Strossers
Lyoner „Pelléas“, als imaginäres Drama in
Fin-de-Siècle-Innenräume eingesperrt und – eigentlich
unverzeihlich – mit vertauschten Stereo-Kanälen.
Zwei kaum mehr als routinierte Regiearbeiten bieten zumindest üppig
ausgestattete und prominent besetzte Raritäten: Shirley Verrett
an der Seite Plácido Domingos in Meyerbeers „Afrikanerin“
und die große Marilyn Horne als „Orlando Furioso“
in Vivaldis Ariost-Adaption. Ein weiterer Repertoire-Außenseiter,
Paisiellos „Nina“, wird in der Hauptsache durch Cecilia
Bartolis fulminante Bühnenpräsenz inmitten einer auch
sonst sorgfältigen und liebevollen Zürcher Aufführung
legitimiert.
Eher enttäuschend letztlich auch die Präsentation der
Boxen. Der ursprüngliche Begleittext der Arthaus-Versionen
(ohne Aktualisierung der Künstlerbiografien) wird ergänzt
durch einen Essay aus der FAZ-Redaktion. Dieser bezieht sich aber
nicht, wie man erwarten könnte, auf die Besonderheiten, die
die jeweilige Aufführung zu einer der „wichtigsten“
machen würde, sondern oft nur auf das Werk selbst, woran schon
das Dilemma abzulesen ist, in dem die Fachleute da gesteckt haben
müssen.
Andererseits sind in der Sammlung aber sehr gute bis herausragende
Produktionen zu erleben. Solche, in denen die handwerklich gediegene
Inszenierungsarbeit im Laufe des Stücks an Dringlichkeit gewinnt
und in Verbindung mit hervorragenden Sängerleistungen absolut
werkdienliche Ergebnisse hervorbringt: „Peter Grimes“
aus der English National Opera mit einem großartigen Philip
Langridge in der Titelpartie und „Pique Dame“ aus Glyndebourne
mit einem erschreckend neurotischen Hermann (Yuri Marusin) und einer
gespenstisch schön singenden Gräfin (Felicity Palmer).
Vor allem aber Götz Friedrichs abgeklärte, in der wunderbar
differenzierten Personenführung beglückende „Meistersinger“
mit dem gesangstechnisch überragenden Hans Sachs Wolfgang Brendels
setzen hier höchste Maßstäbe.
Oder solche, die auf ganz unterschiedliche Weise einen verblüffenden
Blick auf ein Stück werfen. Die beiden Händel-Opern wären
hier zu nennen: Jossie Wielers mit brillanter Strenge modernisierte
„Alcina“ aus Stuttgart und – vokal noch spektakulärer
– David Aldens Münchner Comic-Strip namens „Rinaldo“
– ein Sängerfest. Auch Axel Mantheys subtil naive Bebilderung
der „Zauberflöte“ von den Ludwigsburger Festspielen
gehört hierher, freilich mit einigen gesanglichen Abstrichen,
und natürlich Robert Wilsons bewährtes Zeitlupen-Theater,
das sich als erstaunlich kompatibel mit Glucks Reform des musikdramatischen
Zeitgefühls im „Orphée“ erweist. Vesselina
Kasarova ist gleich zweimal zu erleben: Als Penelope steht sie ganz
im Mittelpunkt der Zürcher Aufführung des „Ulisse“,
in der Klaus-Michael Grüber und Nikolaus Harnoncourt Monteverdi
als einen zeitlos gültigen Musikdramatiker präsentieren,
und als „Belle Hélène“ brilliert sie in
Helmut Lohners köstlicher Version von Offenbachs Klassiker
(Zürich 1997). Ein Dokument intelligenten Regietheaters ist
auch Herbert Wernickes illusionslos präziser „Falstaff“
aus Aix-en-Provence, mit einem hervorragenden Sängerkollektiv
um den intellektuellen Außenseiter herum, als der sich Willard
White in der Hauptrolle gibt.
Zwei Inszenierungen treffen den musikalischen Tonfall mit instinktivem
Gespür und großer szenischer Imagination haargenau: Louis
Erlos „Liebe zu den drei Orangen“ mit Prokoffiefs trockenem
Sarkasmus von (Lyon 1989) und Dario Fos exemplarische, den Geist
der Comedia dell’arte atmende Amsterdamer Aufführung
des Rossinischen „Barbier“, ein auch sängerisch
beglückendes Ereignis.
Juan Martin Koch
FAZ-Opernedition
• Serie 1: Orphée et Eurydice (Wilson/Gardiner),
Falstaff (Wernicke/Mazzola), Die Meistersinger von Nürnberg
(Friedrich/Frühbeck de Burgos), Tosca (Jacquot/Pappano)
• Serie 2: Rinaldo (Alden/Bicket), La Belle Hélène
(Lohner/Harnoncourt), Aida (Ronconi/Maazel), Die Zauberflöte
(Manthey/Gönnenwein)
• Serie 3: Alcina (Wiehler/Hacker), L’Africaine (Mansouri/Arena),
Pique Dame (Vick/Davis), Capriccio (Lawless/Runnicles)
• Serie 4: Peter Grimes (Albery/Atherton), Pelléas
et Mélisande (Strosser/Gardiner), Nina (Lievi/Fischer),
Orlando Furioso (Pizzi/Behr)
• Serie 5: Il ritorno d’Ulisse in patria (Grüber/Harnoncourt),
L’amour des trois oranges (Erlo/Nagano), La Bohème
(Luhrmann/Smith), Il Barbiere di Siviglia (Fo/Zedda)
Gesamtedition (20 Opern): € 339,- zzgl. Versandkosten, Paket
mit jeweils vier Opern: € 69,-, Einzelpreis: € 19,90
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