|
Glaube an gegenseitigen Respekt
Porträt des Choreografen Itzik Galili · Von Malve
Gradinger
Er war schon einmal in München, bei der zeitgenössischen
DANCE-Biennale 1998 – mit einem Stück, das noch unsicheres
Ausprobieren verriet. Seitdem hat der Choreograf Itzik Galili handwerkliche
und künstlerische Selbstsicherheit gewonnen, nicht zuletzt
durch die kontinuierliche Arbeit mit der Galili Dance Company, die
er leitet. Und spätestens mit seinem Werk „Hikarizatto“
2004 für das Stuttgart Ballett rangiert er zweifellos neben
unter anderem Mauro Bigonzetti, Kevin O’Day, Christian Spuck,
Jacopo Godani und Wayne McGregor in der jungen Choreografen-Generation,
die zunehmend von großen Häusern mit Kreationen beauftragt
werden. Auch Ivan Liska, der für sein Staatsballett immer Ausschau
hält nach Modern-Dance- und zeitgenössischen Choreografen,
hat bei dem 41-jährigen Israeli ein Stück in Auftrag gegeben.
Sein „So nah so fern“ bildete den Abschluss im dreiteiligen
Ballettwochen-Auftakt (s. „Bilanz“ S. 29).
Vorsichtige Anfänge
Galili, geboren in Tel Aviv, kommt erst spät, erst nach dem
Militärdienst zum Tanz. Über Folkloretanzen schafft er
es in die Bat Dor, mit 24 schließlich in die renommierte Batsheva
Dance Company. „Dort habe ich auch mein erstes Stück
kreiert“, erzählt er, und dass er es merkwürdig
fand, unmittelbar als Choreograf eingestuft zu werden. „Zunächst
habe ich deshalb nur kleine Stücke gemacht, eher als Exercice,
und versucht, so wenig wie möglich in Panik zu geraten. Denn
großer Ruhm kann dich in einer Sekunde auch wieder zerbrechen.“
So Galili, ein vorsichtiger Architekt seiner Kunst und seiner Karriere.
1991 geht er nach Holland, „aus privaten Gründen“,
choreografiert freischaffend für die drei bekannten holländischen
Compagnien Scapino (Rotterdam), Nederlands Dans Theater (Den Haag)
und Het Nationale (Amsterdam), außerdem für das Ballet
du Grand Théâtre de Genève, das Gulbenkian/Lissabon,
das Monte Carlo und das Finnische Nationalballett.
Stilistische Vielfalt
Galili ist bald kein Unbekannter mehr. Als das niederländische
Kunstministerium 1997 im nördlichen Teil des Landes eine Compagnie
plant, wird er zum Leiter berufen. Seine schon lose existierende
Galili Dance hat nun in Groningen einen festen Sitz und solide Subvention.
Dennoch arbeitet er weiterhin auch als Gastchoreograf: „Stuttgart,
das war für mich ein wichtiger Schritt, auf einmal mit 40 Leuten
auf der Bühne konfrontiert zu sein. ‘Hikarizatto’
ist eine rein abstrakte, sehr mathematisch strukturierte Choreografie,
die ich zusammen mit einem sehr komplizierten Lichtdesign erarbeitet
habe.“ Einen Teil des von ihm selbst entworfenen Lichtkonzepts
übernehme er für München. Aber sonst seien alle seine
Stücke total verschieden. Stilistisch gehe es von einer extremen
Tanztheater-Annäherung bis zu puren abstrakten, sehr körperlichen
Stücken, auch auf Spitze.
Diese Bandbreite hat Ivan Liska offensichtlich interessiert. „Liska
wollte vor allem, dass seine Tänzer mit einer neuen Bewegungssprache
bereichert würden. Also habe ich versucht, genau wie bei meinen
eigenen Leuten, den Punkt zu treffen, wo sie die verschiedenen Parfums
von Bewegung verstehen können. Bewegung sollte metaphorisch
sein, mehrere Bedeutungen haben. Wenn die Tänzer das verstehen,
kann es ein Instrument für sie sein. Dann können sie damit
spielen. Ich möchte selbst auch keine Sicherheit. Gerade, wenn
ich nicht sicher bin, und dann die Überraschung habe, dann
bin ich im Paradies. Aber diese ganz andere Arbeit braucht eigentlich
mehr Zeit.“ Offen gesteht er, dass er gerne wiederkäme.
Dass er jetzt, nach sieben Jahren mit einer freien Compagnie, bereit
sei, an einem größeren Haus zu arbeiten, als Hauschoreograf
oder als Tanzchef. In Leipzig vielleicht, wo das Ensemble durch
den frühen Tod von Uwe Scholz verweist ist.
Ein Schlag auf den Kopf
Über den Konflikt zwischen Israel und Palästina entlockt
man ihm wenig: „Wenn man wie ich so lange im Ausland lebt,
merkt man, dass Rassismus auf fast allen Ebenen existiert. Und wenn
ich gefragt werde, sage ich: Schau dir jetzt dieses Stück an.
Dann weißt du, auf welche Seite ich mich schlage. Ich glaube
an gegenseitigen Respekt. Punkt. Aber dennoch bin ich zur Armee
gegangen. Es ist ein Teil des Gesamt-Menüs. Jeder macht es,
so wie jeder in den Kindergarten, in die Schule geht. Also machst
du es auch, mit 18. Das ist ein wahrer Schlag auf den Kopf, wenn
du noch in dieser ‚unsterblichen’ Phase bist, wo niemand
dich verletzten kann. Und plötzlich findest du heraus, dass
du so zerbrechlich bist wie ein Ei. Andererseits, diese drei Jahre
in der Armee, heute sind es nur noch zwei, das gibt einem einen
schärferen Wahrnehmungssinn, auch für sich selbst.“
Malve Gradinger
|