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Aktuelle Ausgabe

Editorial

Kulturpolitik
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Zur Situation deutscher Theater und Orchester
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Operette unterm Hakenkreuz – eine Tagung in Dresden

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Stabil auf Sand gebaut
Die Geschichte der Berliner Opernhäuser (Teil 1)
Richard Strauss und das Ballett
Ein Komponist zwischen Faszination und Ablehnung
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Porträt des Choreografen Itzik Galili
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Pierre Boulez zum 80. Geburtstag

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Nymans „Love counts“ in Karlsruhe uraufgeführt
Unterwegs zum Belcanto
„iOPAL“ von Hespos in Hannover uraufgeführt
Die Kunst der richtigen Dosierung
Bilanz der Münchner Ballettwoche


Cornelia Stilling-Andreoli: „Marcia Haydée – Divine“
Die Opernedition der FAZ: Ein Gelingen mit Abstrichen

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Editorial

Ein Tarifvertrag regelt bekanntlich die jeweiligen Mindest-Arbeits- und Entgeltbedingungen, die in den Einzel-Arbeitsverträgen tarifgebundener Beschäftigter nicht unterschritten werden dürfen. Tarifverträge werden zwischen den so genannten Koalitionen, also tariffähigen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen ausgehandelt und von ihnen abgeschlossen. Es gibt Flächentarifverträge, die für die Branche oder für einen bestimmten Personenkreis innerhalb eines geographisch oder politisch definierten Gebiets gelten. So bestimmt der Paragraph 1 des Normalvertrages Bühne, für wen er gilt (persönlicher Geltungsbereich) und wo er gilt (räumlicher Geltungsbereich): für Solomitglieder und Bühnentechniker sowie Opernchor- und Tanzgruppenmitglieder an von Gebietskörperschaften getragenen Bühnen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.

  

Stefan Meuschel

 

Daneben gibt es Haus- oder Firmentarifverträge. Ihr räumlicher Geltungsbereich ist aufeine Firma oder auf einen Konzern beschränkt. Haustarifverträge existieren beispielsweise für die Orchester und Chöre der ARD-Rundfunkanstalten.

Seit einigen Jahren werden jedoch bundesweit Haustarifverträge einer neuen Qualität abgeschlossen: Verträge, die innerhalb eines geltenden Flächentarifvertrags von dessen Regelungen abweichen, meist mit für die Beschäftigten ungünstigeren Regelungen insbesondere in den Bereichen der Arbeitszeiten und/oder des Entgelts. Die Ermächtigung zum Abschluss solcher Haustarifverträge kann auf dem Einvernehmen der für den Flächentarifvertrag zuständigen Tarifparteien oder auf einer entsprechenden Öffnungsklausel im Flächentarifvertrag selbst basieren. Die Beispiele für derartige „Haustarifverträge neuer Qualität“ sind Legion: im Handel bei Kaufhauskonzernen, in der Automobilindustrie, im öffentlichen Dienst.

Für die Gewerkschaften sind die Gründe, sich auf Verträge mit ungünstigeren Bedingungen einzulassen, fast immer die gleichen: In Betrieben, die weshalb auch immer in wirtschaftliche Krisen geraten sind, soll Arbeitsplatzabbau, womöglich drohende Schließung verhindert werden.

Wenn die VdO in Abstimmung mit ihren Mitgliedern und ihrem Bundestarifausschuss
sowie gemeinsam mit den anderen an den Theatern vertretenen Gewerkschaften an nicht weniger als 27 Musiktheatern über Haustarifverträge verhandelt oder sie bereits abgeschlossen hat, widerspiegelt das die finanzielle Situation dieser Bühnen und ihrer betriebszuschussgebenden Rechtsträger ebenso wie das auch kulturpolitische Verantwortungsbewusstsein der Belegschaften. Inhaltlich ähneln sich all diese Verträge: Mit dem Verzicht auf Einmalzahlungen wie Zuwendung oder Urlaubsgeld erkaufen sich die Beschäftigten den Bestand ihrer Ensembles und den Schutz vor betriebsbedingten Nichtverlängerungen/Kündigungen, erhalten zudem einen gewissen Ausgleich in zusätzlicher Freizeit. Verrückter, doch durchaus positiver Nebeneffekt ist es, dass die Belegschaft in das wirtschaftliche Gebaren ihrer Bühne stärker eingebunden wird, da das Theater zur Begründung seiner Verzichtsforderungen seinen Haushalt offen legen muss.

Dienten die Haustarifverträge anfangs dazu, scheinbar zeitlich begrenzte Engpässe zu überbrücken oder bei gedeckelten Haushalten die Personal- und Sachkostensteigerungen abzufangen, so droht jetzt eine Abwärtsspirale. Zum einen ist in den von Steuerausfällen und hoher Verschuldung besonders betroffenen Kommunen und Ländern eine Besserung der Lage nicht in Sicht, so dass der Haustarifvertrag mit zunehmend schmerzlicheren Einschnitten zum Dauerzustand zu werden droht, zum anderen gerät der den Beschäftigten in Technik und Verwaltung aufgrund des „Tarifvertrages über die soziale Absicherung“ im öffentlichen Dienst zustehende Freizeitausgleich in Konflikt mit der Aufrechterhaltung des Spielbetriebs. Gefährlichste Folge der Solidarbereitschaft der Beschäftigten ist es jedoch, bei den Zuschussgebern den Eindruck entstehen zu lassen, Theater sei bei gleicher Qualität auch billiger zu haben. Sparbegehrlichkeiten werden dort wach, wo sie nicht gerechtfertigt sind.
Überall dort, wo mangelnde Kulturkompetenz und institutionelles Unvermögen mehr als
der Mangel an öffentlichen Mitteln Einsparungsforderungen laut werden lassen, wird sorgfältig zu prüfen und zu überlegen sein, ob die Bereitschaft zu haustarifvertraglichen Verzichtsleistungen nicht den sich abzeichnenden Veränderungen im gesellschaftlichen Wertegefüge willig Vorschub leistet.

Ihr Stefan Meuschel

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