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Segen für die Altersversorgung?
Das Alterseinkünftegesetz · Von Werner König
Die steuerrechtliche Neugestaltung der Altersvorsorge hat vielfältige
Informationsmaßnahmen ausgelöst und sie wird das Versorgungsniveau
verändern. Der 1. Januar 2005 ist wieder ein Stichtag. Die
Besteuerung der „Alterseinkünfte“ – gemeint
sind damit alle typischen Altersversorgungsprodukte – ändert
sich grundlegend. Bis zum Jahreswechsel galt für die meisten
Renten, insbesondere für die der gesetzlichen Rentenversicherungen
und der berufsständischen Versorgung, das Ertragsanteilverfahren.
Steuerpflichtig war nur der Teil der Rente, der rechnerisch nach
Abzug aller eingezahlten Beiträge übrig blieb, also nicht
aus eigenen Beiträgen stammt. Dieser „Ertrag“,
der entweder tatsächlicher Zinsertrag (Kapitaldeckungsverfahren)
oder fiktiver Zinsertrag (Umlageverfahren) der geleisteten Beiträge
war, musste versteuert werden. Eine Ertragsanteiltabelle legte in
Abhängigkeit vom Renteneintrittsalter den prozentualen Ertragsanteil
fest, der der Steuer unterworfen wurde. Bei Rentenbezug zum 65.
Lebensjahr lag der Ertragsanteil einer Rente bei 27 Prozent. Somit
waren 73 Prozent der Rente jedenfalls steuerfrei. Und mit den 27
Prozent zu versteuernder Rente wurden meist die steuerlichen Freibeträge
nicht überschritten, die Rente war für viele somit komplett
steuerfrei.
Das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung
Künftig wird die Rente „nachgelagert“ besteuert.
Auch bei dieser Besteuerungsphilosophie wird letztlich nur der Mehrwert
einer Rente besteuert, allerdings wird dieser völlig anders
berechnet. Das neue Besteuerungsmodell geht nämlich davon aus,
dass man zunächst die Aufwendungen für die Altersversorgung
nicht versteuern muss (man kann diese Aufwendungen also bei der
Steuererklärung absetzen), dafür muss die Ernte der Altersvorsorge-Bemühungen,
die Rente, dann in vollem Umfang versteuert werden. Das Modell erscheint
zunächst sehr plausibel.
Die Umsetzung der nachgelagerten Besteuerung im Alterseinkünftegesetz1
Verschiedene Faktoren können allerdings dazu führen, dass
das Modell nicht „ergebnisneutral“ bleibt, sondern sich
nachteilig auf die Altersversorgung auswirkt:
- Verzerrungen aufgrund der konkreten steuerrechtlichen Ausgestaltung
des neuen Besteuerungsverfahrens und des allgemeinenEinkommensteuerrechts,
- eine problematische Übergangsregelung vom alten ins neue
Besteuerungssystem,
- die jeweilige individuelle finanzielle bzw. steuerliche Situation,
die sich bis zum Rentenbezug auch geändert haben kann.
Man konnte es aufgrund der prekären Situation der Staatsfinanzen
schon vermuten, dass das Modell keine starken Förderelemente
enthält. Kostenneutralität war eines der Hauptziele der
Reform, auch wenn im Hinblick auf die Niveauabsenkungen in der gesetzlichen
Rentenversicherung von der neuen Besteuerung auch Impulse für
den Auf- bzw. Ausbau der eigenen Altersversorgung ausgehen sollten.
Das Bundesverfassungsgericht, das aufgrund des Urteils vom 6.
März 2002 zur Besteuerung der Beamtenpensionen den Stein ins
Rollen brachte, hatte es allerdings schon in seiner Urteilsbegründung
– etwas überspitzt formuliert – auf den Punkt gebracht,
dass nämlich, da man die Pensionsbesteuerung der Beamten aus
finanziellen Gründen nicht (schon gar nicht rückwirkend)
an die bisherige günstigere Besteuerung der Renten anpassen
könne, man beide Personengruppen dann eben im Rahmen des Gleichheitsgrundsatzes
künftig gleich schlecht behandeln müsse.
Beitragsseite
Problematisch an der steuerrechtlichen Umsetzung der nachgelagerten
Besteuerung ist, dass zunächst die Aufwendungen für Altersversorgung
nicht sofort in vollem Umfang absetzbar sind, sondern vor 2025 nur
teilweise. Die resultierende Rente aus den nicht abzugsfähigen
Aufwendungen ist gleichwohl zu versteuern, wenngleich übergangsweise
abgemildert. Es gilt aber somit nicht das Prinzip: was als Beitrag
nicht steuerlich abzugsfähig ist, darf als Rente nicht besteuert
werden. Auch diejenigen, die aufgrund ihrer individuellen steuerlichen
Situation die Aufwendungen für Altersvorsorge gar nicht steuerlich
absetzen können, sei es, weil sie entweder bereits durch anderweitige
Betriebsausgaben oder Werbungskosten die Steuerlast soweit reduziert
haben, dass die Sonderausgaben faktisch unberücksichtigt bleiben,
oder sei es, dass mangels entsprechenden Berufs- oder sonstigen
Einkommens schon keine Steuern zu zahlen sind und Aufwendungen für
Altersvorsorge somit aus versteuerten Ersparnissen früherer
Jahre oder durch versteuerte Zuwendungen aus der Verwandtschaft
finanziert werden, müssen die resultierende Rente gleichwohl
versteuern. Finden das nur Versicherte mit Mitnahme-Mentalität
fragwürdig?
Angestellte werden infolge des Vorwegabzugs des Arbeitgeberanteils
– der wie auch schon bisher steuerfrei an die Rentenversicherung
geht – auch in Zukunft für weitere Altersvorsorgeaufwendungen
steuerlich kaum entlastet. Im Jahr 2005 z.B. sind maximal 60 Prozent
der Aufwendungen bis zum Höchstbetrag von 12.000 Euro steuerlich
abzugsfähig. Da der Arbeitgeberanteil schon 50 Prozent ausmacht,
sind nur die restlichen 10 Prozent des Arbeitnehmeranteils steuerlich
absetzbar. 40 Prozent des Arbeitnehmeranteils muss z.B. ein 30-Jähriger
2005 also weiterhin vorweg versteuern (die resultierende Rente wird
aber 35 Jahre später zu 100 Prozent nochmals versteuert). Bis
2025 erhöht sich der abzugsfähigeAnteil jährlich
um 2 Prozent. Da das neue Recht unter Umständen sogar geringere
Abzugsmöglichkeiten als das alte Recht bietet, musste der Gesetzgeber
eine „Günstiger-Prüfung“ einbauen, damit dann
gegebenenfalls die bisherige, günstigere Regelung insoweit
noch eine Weile fortgilt. Für Verheiratete verdoppeln sich
die berücksichtigungsfähigen Beträge, was aber, wenn
beide Ehepartner berufstätig sind, keine größeren
steuerlichen Spielräume schafft.
Aber auch für die Selbstständigen, die im Rahmen des
zwar erweiterten, aber nach wie vor beschränkten Sonderausgabenabzugs
schon anfänglich eine stärkere steuerliche Entlastung
erhalten, dürfte das höhere Netto angesichts sinkender
Berufseinkommen im Konsumalltag schnell verbraucht sein und somit
nicht in den Vorsorgekreislauf fließen. Kuriosum am Rande:
Die Beiträge zu den berufsständischen Versorgungswerken
sind künftig nur dann steuerlich abzugsfähig, wenn die
Versorgungswerke den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare
Leistungen erbringen. Die Versorgungswerke sind also gehalten, ihr
Leistungsrecht partiell umzugestalten, ansonsten wären die
Beiträge u. U. nicht abzugsfähig. Selbstredend sieht das
Gesetz aber vor, dass eine berufsständische Rente unabhängig
von der Abzugsfähigkeit der Beiträge der nachgelagerten
Besteuerung unterworfen wird.
Rentenseite
Der Übergang zur nachgelagerten Rente differenziert aus finanziellen/fiskalischen
Gründen nicht zwischen Renten(teilen), die aus Beiträgen
vor 2005 resultieren, und solchen, die aus Beiträgen ab 2005
stammen. Es werden somit nicht etwa unter Vertrauensschutzgründen
die schon eingewiesene Rente oder die aus vor 2005 entrichteten
Beiträgen erworbenen Anwartschaften weiterhin ertragsanteilig
und erst ab 2005 erworbene Anwartschaften nachgelagert besteuert.
Vielmehr wird pauschalierend im so genannten Kohortenmodell für
jedes Rentenzugangsjahr ein Prozentsatz eingeführt, der den
Anteil der zu versteuernden Rente festlegt. Wer in 2005 in Rente
geht (oder schon vorher Rente bezieht), muss künftig 50 Prozent
der Rente versteuern (statt bisher 27 Prozent Ertragsanteil). Rechtfertigung
für diese doch abrupte Erhöhung ist, dass der bisherige
Ertragsanteil bei den Renten im Hinblick auf den steuerfreien Bundeszuschuss
und den steuerfreien Arbeitgeberanteil nicht gerechtfertigt ist
bzw. war und deshalb der Sprung von 27 Prozent auf zunächst
50 Prozent Besteuerungsanteil seitens des Bundesfinanzministeriums
als sehr moderat und die bislang zu günstige Regelung auch
nicht als vertrauensgeschützt angesehen wird. Im Rentenversicherungsrecht
gelten ansonsten in der Regel schon für die rentennahen Jahrgänge
Vertrauensschutzregelungen. Das Argument der zu günstigen Ertragsanteilbesteuerung
für die Vergangenheit trifft bei genauerer Betrachtung auch
nur für die in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten
zu. In der berufsständischen Versorgung Versicherte erhielten
nie einen Bundeszuschuss und es gab für die überwiegend
für die über weite Strecken des Versicherungsverlaufs
selbstständig Tätigen auch keinen steuerfrei zufließenden
Arbeitgeberanteil. Für diese somit ganz überwiegend aus
voll versteuerten Beiträgen erworbenen Anwartschaften legt
die neue Kohortentabelle zu hohe Besteuerungsanteile fest. Es hätte
daher einer differenzierteren Übergangslösung bedurft,
die jedoch der Pauschalierung zum Opfer fiel.
Wer zum Beispiel 2020 in Rente geht, muss 80 Prozent, wer 2030
geht, 90 Prozent seiner Rente versteuern. Dieser aus dem Prozentsatz
berechnete Festbetrag gilt dann lebenslänglich. Allerdings
unterliegen Rentenanpassungen – so sie stattfinden –
zu 100 Prozent der Besteuerung. Der Kohortenprozentsatz gilt auch
für eine Hinterbliebenenrente weiter, wenn sie unmittelbar
anschließt: Die Kohortentabelle könnte dazu führen,
dass die Neigung zu vorgezogenem Rentenbezug (vorgezogene Altersrente,
Berufsunfähigkeitsrente) zumindest bis zum Jahr 2020 zunimmt,
denn jedes Jahr, das man früher in Rente geht, reduziert den
steuerpflichtigen Rentenanteil um zwei Prozentpunkte. In der Regel
führt insbesondere ein vorgezogener Altersrentenbezug allerdings
auch zu deutlich geringerer Rentenhöhe. Ausreichende Altersversorgung
wird so kaum gefördert!
Noch ein Kuriosum: Eine so genannte „Escape-Regelung“
macht es möglich, dass Rententeile, die aus Beiträgen
oberhalb des Höchstbeitrags der gesetzlichen Rentenversicherung
stammen, mit einem neuen, günstigeren Ertragsanteil-Prozentsatz
(18 Prozent statt 27 Prozent) besteuert werden. Die Regelung wurde
zwar überwiegend zugunsten einiger berufsständischer Versorgungseinrichtungen
geschaffen. Sie setzt aber voraus, dass mindestens zehn Jahre lang
und vor 2005 entsprechende Beiträge geleistet wurden. Wer es
vor 2005 nur auf neun Jahre gebracht hat, kann diese Möglichkeit
nicht nutzen. Hat ein Versicherter A in neun Jahren doppelt so viel
an Beiträgen oberhalb des Höchstbeitrags geleistet wie
ein Versicherter B in zehn Jahren, so bleibt es bei A durchgängig
bei der nachgelagerten Besteuerung der Rente, während B die
überschießende Rente ertragsanteilig besteuert erhält.
Der steuerliche Unterschied ist nicht unbeträchtlich und unter
Gerechtigkeitsgesichtspunkten problematisch. Und warum werden dann
z.B. Rententeile aus freiwilligen Beiträgen unterhalb des Höchstbeitrags
nicht weiterhin ertragsanteilig besteuert, obwohl die Ertragsanteilbesteuerung
möglicherweise gerade Motiv für die freiwillige Vorsorgemaßnahme
in eine Rentenversicherung (statt einer vor 2005 abgeschlossenen
Kapitallebensversicherung mit jetzt nachträglich auf 18 Prozent
reduzierter Ertragsanteilbesteuerung) war? Das Steuerrecht darf
in verfassungsrechtlich zulässigem Rahmen pauschalieren. Ob
solche Regelungen noch darunter fallen, ist ebenso fraglich, wie
es fraglich ist, ob das vom Bundesverfassungsgericht festgelegte
Doppelbesteuerungsverbot (was schon als Beitrag versteuert ist,
darf nicht nochmals als Rente versteuert werden) im Alterseinkünftegesetz
eingehalten ist!
Ab 2040 sind die dann erstmals einzuweisenden Renten voll zu versteuern.
Soweit keine weiteren Einkünfte hinzukommen oder die Rente
niedrig ist (Rentenreformen!), ist die Mehrbelastung aus der nachgelagerten
Besteuerung zunächst noch gering. Für Personen mit höheren
Renten und für Personen mit sonstigen Einkünften im Alter
kann die nachgelagerte Besteuerung aber zu einer empfindlichen Reduzierung
der Nettoversorgung führen. Gleiches gilt auch für Hinterbliebene,
die ja als Alleinstehende mangels Splitting-Tarif in noch stärkerem
Umfang steuerlich belastet sind.
Um solche sich abzeichnenden Versorgungslücken auszugleichen,
müsste entsprechend mehr in Altersvorsorge investiert werden.
Dazu müsste man aber erst die entsprechenden Mittel zur Verfügung
haben; die bescheidenen aus der Steuerersparnis, so sie überhaupt
künftig anfallen und dann nicht verkonsumiert werden, dürften
nicht reichen. Und hätte man die Mittel, sind sie steuerlich
noch über viele Jahre nicht oder nicht voll berücksichtigungsfähig,
wohl aber würde diese zusätzliche Vorsorge im Alter wieder
besteuert. Bei solchen Konditionen besteht kaum Investitionsneigung
in Rentensysteme mit nachgelagerter Besteuerung; versteuerte Beiträge
werden, wenn überhaupt, in Produkte mit der günstiger
gewordenen Ertragsanteilbesteuerung fließen. Voraussichtlich
führt die Einführung der nachgelagerten Besteuerung somit
nicht nur zu einem niedrigeren Nettoversorgungsgrad, sondern auch
dazu, dass die Appelle zu mehr Vorsorge für das Alter zumindest
in der Übergangsphase bis 2025 ins Leere gehen. Der Altersvorsorge
ist damit kein Dienst erwiesen.
Bleibt allenfalls die Kontermöglichkeit über das nicht
koordinierte europäische Steuerrecht: Wer als Rentner seinen
Wohnsitz ins europäische Ausland verlegt, sich weniger als
sechs Monate pro Jahr in Deutschland aufhält und noch wenige
weitere Kriterien erfüllt, kann in manchen Ländern die
Rente steuerfrei oder zu deutlich günstigeren Steuerkonditionen
genießen, obwohl er die Beiträge vorgelagert steuermindernd
in Deutschland geltend machen konnte.
Werner König
1Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen
Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen
vom 5. Juli 2004
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
aus der Hauszeitschrift der Bayerischen Versorgungskammer „inTeam“,
Ausgabe 4/04
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