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Aktuelle Ausgabe

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Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Ein Leben für die VdO
Zum Tod von Walter Kane (6. Mai 1915 bis 1. März 2005)

Portrait
Unbedingte Einsatzfreude
Ein Porträt des Freiberg-Döbelner Opernchores
Ballettkunst in Zeiten des Sparens
Ein Porträt des Augsburger Ballett-Chefs Jochen Heckmann
Die Stimme neu denken und hören
Zum 75. Geburtstag des Komponisten Dieter Schnebel

Berichte
Wider den Missbrauch von Kunst
„Fidelio“ in Weimar
Mehr für die Augen als die Ohren
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Blutig, grob und vordergründig
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Portrait

Ballettkunst in Zeiten des Sparens

Ein Porträt des Augsburger Ballett-Chefs Jochen Heckmann · Von Malve Gradinger

Ballett und Tanz, jeder weiß es, ist die zur Zeit am stärksten bedrohte Sparte. Und da sind vor allem die Tanzchefs an den mittleren und kleinen Theatern die wahren Helden unserer Sparkurs-Ära. Jochen Heckmann, seit 1999 am Theater Augsburg, hat soeben, nicht zuletzt fürs Klassiker-liebende Publikum, „Giselle“ zur Original-Musik von Adolphe Adam zur Premiere gebracht. Seine an Mats Eks moderner „Giselle“ (1982) orientierte Version ist sehr klar und dank seiner ausdrucksstarken Tänzer auch berührend erzählt. Ein runder Erfolg, der vorerst den Fortbestand des Ballett Augsburg gesichert hat.
„Wenn man einmal das Vertrauen des Publikums hat, dann behält man es auch“, bilanziert Heckmann seinen harten Kampf in den vergangenen fünf Jahren. Was die Presse betrifft, so beklagt er – wohl nicht zu Unrecht – das eher sporadische Beobachten seiner Arbeit: „Als Stadttheater-Ensemble müssen wir auch das Abonnement-Publikum bedienen, uns ja auch nach dem Jahresprogramm ausrichten. Da ist es natürlich schade, wenn ein Rezensent gerade eine solche Produktion sieht, in der ich mich künstlerisch nicht so verwirklichen konnte.“ Dafür bekam Heckmann andernorts eine Menge Anerkennung: beim britischen Glyndebourne Opern Festival, wo er an Christof Loys Inszenierung von Glucks „Iphigenie in Aulis“ beteiligt war, in Lissabon, Prag und Lodz für seine Gastchoreografien. Und weil er mit seinem Duett „Le coeur battant“ auf Deutschland-Tournee ging, auch mal überregionale Presse-Resonanz – auf die ein Tanzchef mit seinen Stadttheater-Produktionen vergeblich hofft.

Tanz-Netzwerk

 
Choreograf Jochen Heckmann. Foto: Lioba Schöneck
 

Choreograf Jochen Heckmann. Foto: Lioba Schöneck

 

Gegen das Vergessenwerden „in der Provinz“ hat Osnabrücks Tanztheater-Chef Gregor Zöllig die Tanzboden-Galas initiiert. Wie Heckmann erklärt: „Eine Vereinigung, zu der außer Zöllig und mir noch Ralf Dörnen in Greifswald gehört, Henning Paar vom Staatstheater Braunschweig, Mario Schröder aus Kiel und bis letzte Saison auch Ralf Jaroschinski in Hildesheim. Wir gastieren regelmäßig an etwa vier Ensemble-losen Häusern, haben zusätzlich Galas an unseren Theatern. Die Mitglieder bringen jeweils Ausschnitte aus ihren Saison-Programmen, um zu zeigen, dass unsere Arbeiten die Vielseitigkeit der deutschen Tanzlandschaft ausmachen – und dass wir eben nicht einfach so weg zu rationalisieren sind. Es ist ein richtiges Netzwerk entstanden. Wir sind alle Mitte 30 bis Mitte 40, eine junge Choreografen-Generation, die ihr eigene Sprache entwickelt hat. Es bestehen keine Eifersüchteleien. Im Gegenteil, wir tauschen uns aus, auch choreografisch. Dadurch hat unser Publikum die Chance zu sehen, was an anderen Theatern in Deutschland passiert.“

Überlebensstrategien

Heckmann selbst bringt pro Saison drei Abende heraus, gezielt ausbalanciert zwischen abstrakten Drei- und Vierteilern, tanztheater-nahen Stücken und Handlungsballetten, die natürlich aufwendiger sind. Nach einer modernen „Cinderella“ 2002 und der abendfüllenden „La Pasión“ im Februar 2004 muss der Tanzchef auf die ausgesprochen stilvoll ausgestattete „Giselle“ – die aparten Kostüme stammen übrigens von der Titel-Interpretin Adriana Mortelliti, – hin gespart haben. Denn: „Das Budget ist seit 1999 zwar gleichgeblieben. Aber es war von vornherein so niedrig angesetzt, dass bei einer Generalkürzung von fünf Prozent gleich Gastlehrer oder Gast-Tänzer gestrichen werden.“ Bei nur 13 Ensemble-Mitgliedern sind Gäste in Abendfüllern wie „Giselle“ jedoch unabdingbar. Im Notfall, auch bei Krankheitsfällen, tanzt der Chef dann selbst die Partie. Knallharte Überlebensstrategien, erworben in seiner freischaffenden Phase.

 
Erfolgreiche Giselle. Foto: Lioba Schöneck
 

Erfolgreiche Giselle. Foto: Lioba Schöneck

 

Als Sohn aus einer Kunstturner-Familie beginnt Heckmann erst nach dem Abitur, lediglich mit Hobby-Kenntnissen in Gesellschafts- und Jazztanz, eine richtige Tanzausbildung. Auf ein Stipendiumsangebot von Solange Golovine, Schwester des berühmten Ballerino Serge Golovine, die nach ihrer Tanzlaufbahn zu den maßgeblichen Ballett-Pädagoginnen in Paris gehörte, studiert er bei ihr zwei Jahre, parallel bei der Pariser Modern-Dance-Koryphäe Peter Goss. Dass Heckmann übrigens Klassik und Moderne glänzend zu einer Synthese bringen kann, zeigt sich gerade wieder in seiner „Giselle“.

Zurück zum Theater

Nach vielfältigen Tänzer-Erfahrungen, unter anderem bei Richard Wherlock in Hagen, macht Heckmann sich selbstständig als Gasttrainer, Dozent, Workshopleiter und mit seiner 1995 in Zürich gegründeten eigenen Looping Contemporary Dance Company. „Ohne Ahnung von wirtschaftlichen Dingen“, blickt er nochmal zurück. „Diese vier Züricher Lehrjahre haben mir dann für Augsburg in Sachen Management sehr geholfen – besonders in der heutigen Sparsituation.“ Die er jedoch gerne in Kauf nimmt: „Mir wurde in Zürich klar, dass ich die Voraussetzungen für eine Repertoire-Company mit guten Tänzern – ich hatte ja viele ehemalige vom Züricher Opernhaus, die zum Teil mit mir nach Augsburg gingen – nur an einem Theater finden würde.“

Malve Gradinger

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