|
Auf der Bühne bin ich glücklich
Ausbildung an der Hamburger Stage School of Music, Dance and
Drama · Von Yvonne Scheller
Die rund 530 Plätze des Altonaer Theaters sind gut gefüllt.
Eltern und Freunde, aber auch Presse und Mitarbeiter von Casting-
oder Veranstaltungsagenturen finden sich im Zuschauerraumzusammen.
Als das Licht ausgeht, verstummt das allgemeine Gemurmel. Der Schülerchor
des zweiten Jahrgangs marschiert ein und stimmt „Sing Halleluja“
an. Dieser Abend gehört ganz den Schülern der Hamburger
Stage School of Music, Dance and Drama, einer Berufsfachschule,
die auf eine gut 15-jährige Erfahrung in der Ausbildung von
Bühnendarstellern zurückblicken kann. Einmal im Monat
präsentieren sich die angehenden Bühnendarsteller einem
breiten Publikum, um unter realen Bedingungen ihre Bühnenpräsenz
und den Versuch, den Funken überspringen zu lassen, zu erproben.
Wer hier dabei sein will, muss sich zuvor auf einer schulinternen
Audition den Dozenten stellen, die streng darüber befinden,
wer gut genug ist und wer noch an sich arbeiten muss. Längst
nicht jeder schafft es auf die Bühne einer „Monday Night“
– so der Titel der monatlichen Veranstaltung. Nur die Besten
dürfen auftreten. Geprüft wird Talent, Können, aber
auch die Bühnenreife. Es ist nicht leicht, die Aufregung zu
bezwingen, wenn man da oben ganz allein im Rampenlicht steht.
Damit hat Luisa Müller-Möhlis keine Probleme. „Auf
der Bühne bin ich glücklich. Natürlich klopft mein
Herz, wenn ich auf meinen Auftritt warte, aber eigentlich bin ich
vor allem ungeduldig. Ich will da raus und zeigen, was ich kann“,
erklärt die Schülerin im zweiten Jahr voller Enthusiasmus.
Ihren ersten Auftritt bei einer „Monday Night“ hatte
sie mit einer Tanznummer. „Ich tanze seit meinem vierten Lebensjahr.
Angefangen habe ich mit Ballett, später kam Jazz Dance, Flamenco
und Stepptanz hinzu. Aber eine rein tänzerische Berufsausbildung
war mir zu einseitig. Die Dreispartenausbildung in Tanz, Schauspiel
und Gesang an der Stage School ist genau das, was ich mir vorgestellt
hatte.“
Vielseitige Anforderungen
Der Tanz macht ihr keine Probleme, und auch das Schauspielerische
gefällt ihr inzwischen: „Am Anfang war ich da eher skeptisch.
Die ganzen Grundlagen und die Technik – da fehlte mir die
praktische Umsetzung. Aber jetzt im zweiten Jahr, wo die Rolleninterpretation
dran ist, macht es unheimlich Spaß.“ Mit dem Gesang
hingegen steht Luisa auf Kriegsfuß. Obwohl ihr die Dozenten
versichern, sie mache Fortschritte und die 20-Jährige, da sie
sich für eine verkürzte Ausbildung qualifiziert hat (das
erste Schuljahr wird in nur einem halben Jahr absolviert), erst
seit gut einem Jahr dabei ist, hadert die Perfektionistin mit sich.
„Manchmal klingen die Erläuterungen im Gesangsunterricht
für mich einfach nur rätselhaft. Da heißt es: Stell
dir ein Blumenbeet vor und zieh den Klang in dich hinein –
wieso ein Blumenbeet? Beim Tanzen heißt es einfach: Steh gerade
auf einem Bein! Das ist eindeutig. Aber das lerne ich schon noch“,
fügt sie entschlossen hinzu.
Wer es später auf der Bühne zu etwas bringen will, braucht
diese Entschlossenheit. Kim Moke, künstlerische Leiterin der
Stage School, legt Wert darauf, dass sich ihre Schüler keine
Illusionen machen, obwohl sie eine erfreuliche Entwicklung am Arbeitsmarkt
beobachtet: „Musical ist ein Genre, das inzwischen einen festen
Platz in der deutschen Kultur hat. Selbst die Staatstheater haben
aufgrund der großen Beliebtheit mindestens ein bis zwei Stücke
fest im Jahresplan.“ Trotzdem bleibt es ein hartes Geschäft.
Große Konkurrenz bei Castings, von einem Engagement und einer
Stadt zur nächsten zu tingeln, Stress im Acht-Show-Betrieb
und kaum Zeit für Privatleben – so wird für viele
die berufliche Zukunft aussehen.
Harte Berufswelt
Für Martina Stach ist das bereits Alltag. Die Stage School
Absolventin ist mit dem Musical „Hot Stuff“ auf Tournee
durch Deutschland, Dänemark, die Schweiz und Österreich.
Zeit für Castings, um an ein Anschlussengagement zu kommen,
bleibt ihr da kaum. Auch mit dem Leerlauf zwischen den Engagements
müssen die jungen Künstler finanziell wie mental lernen
umzugehen, ebenso wie mit Absagen bei Castings. Der harten Berufswelt
entspricht die hohe Durchfallquote bei den jährlichen Prüfungen
an der Stage School. Rund ein Drittel scheitert jedes Mal und muss
die Schule verlassen. Wieder gilt die Devise: Nur die Besten kommen
durch. Stach hat alle Prüfungen glücklich durchlaufen
und 2004 ihren Abschluss gemacht. Ihr Rat: „Es ist wichtig,
immer ein Ziel vor Augen zu haben und das konsequent zu verfolgen.“
Bühne und Film
Zielgerichtetes Agieren ist sicher ein Schlüssel zum Erfolg.
Ein anderer ist Flexibilität, betont Moke. „In Deutschland
ist heute ganz klar die Flexibilität das A und O am Arbeitsmarkt.
Deshalb bilden wir die Schüler möglichst breit aus, um
ihnen vielfältige Berufsperspektiven zu ermöglichen.“
Und so stehen neben den knapp 30 Stunden Unterricht pro Woche, die
Bühnenfechten, Sprech- und Gesangstechnik oder Gehörbildung
im Fach Musiktheorie umfassen, zusätzliche Angebote wie „Casting-Trainings“
oder „Camera Acting“ auf dem Stundenplan. Die bühnengewohnten
Schüler für Film und Fernsehen zu trainieren, ist wichtig,
denn vor der Kamera gelten andere Regeln als auf der Bühne.
Das Theatralische muss zurückgenommen, die Stimme wieder leiser
werden, und jedes Augenzucken wird sichtbar. Ein Wochenende lang
werden die Schüler deshalb mit den Grundzügen des Schauspielens
vor laufender Kamera und den Umständen am Drehort vertraut
gemacht. Geduld ist dabei ein wesentliches Thema. Anders als am
Theater besteht ein Tag am Set zu 80 Prozent aus Warten. Dann aber
heißt es plötzlich: Action. Nach vielleicht acht Stunden
Warten müssen die Darsteller präsent sein und die geforderten
Emotionen auf den Punkt genau liefern. Nicht nur ein Mal, sondern
vielleicht zehn Mal. So lange, bis der Regisseur zufrieden ist.
Das will gelernt sein.
Wie anstrengend die dreijährige Ausbildung sein kann, die
auch auf Englisch angeboten wird, können Interessierte bei
einem einwöchigen Intensiv-Workshop austesten, der auf Wunsch
auch als Aufnahmeprüfung gewertet wird. „Bei uns laufen
inzwischen die meisten Anmeldungen über diese Workshops“,
erklärt Thomas Gehle, Geschäftsführer der Stage School.
„Auf diese Weise können sich die Schüler einen Eindruck
verschaffen und auch wir können uns ein umfassendes Bild machen.
Talent, Power und Energie lassen sich so viel besser einschätzen
und beide Seiten wissen, worauf sie sich einlassen.“ Geleitet
werden die Workshops von Anja Launhardt. Die gelernte Musicaldarstellerin,
die auch Meisterkurse auf Sylt gibt, führt mit viel Temperament
und Spaß durch die Tanz-, Gesangs- und Schauspielnummern und
versteht es, die zum Teil noch sehr unsicheren Workshopteilnehmer
aus der Reserve zu locken. „Ich glaube nicht daran, Leute
durch Hinweise auf ihre Fehler weiterzubringen. Ich will ihnen Sicherheit
geben, ihre Stärken betonen und sie motivieren, über ihre
Grenzen hinauszugehen.“
Während sich die Teilnehmer im Alter zwischen 15 und Mitte
20 an ungewohnten Schrittfolgen erproben, ihre Stimme entdecken,
in kurzen Szenen ihr schauspielerisches Talent beweisen und dabei
von Tag zu Tag sicherer werden, ruht Launhardts prüfender Blick
auf jedem Einzelnen. „Ich achte darauf, wer wirklich Lust
am Spiel hat. Ich will den Drang und den Mut für die Bühne
spüren. Außerdem müssen die Körperlichkeit
und Stimme da sein. Und ich schaue immer etwas weiter: Kann ich
mir vorstellen, dass dieser Mensch in einem künstlerischen
Beruf erfolgreich ist?“
Yvonne Scheller
Informationen
Die Ausbildung an der privaten, staatlich anerkannten Berufsfachschule
Stage School of Music, Dance and Drama kostet 6.960,- Euro pro
Studienjahr, ein Antrag auf BaföG ist möglich. Der nächste
Jahrgang startet im August, Termine für die Aufnahmeprüfung
sind: 21. und 29. Mai 2005. Intensiv-Workshops finden ab März
in verschiedenen Städten statt. Termine im Internet unter:
www.stageschool.de. Dem notorischen Mangel an männlichen
Schülern begegnet die Stage School mit einem speziellen Männerworkshop,
der ganz auf Ballett verzichtet und (fast) nur von männlichen
Dozenten durchgeführt wird. Termin: 22. bis 27. März.
|