Probenende mitbestimmt
Der Personalrat der Städtischen Bühnen Köln (einschließend
das Gürzenich-Orchester und die Hänneschen Puppenspiele)
hatte die Theaterleitung unter Hinweis auf sein Mitbestimmungsrecht
gebeten, ihm die wöchentlich bekannt gegebene Spielplan- und
Probeneinteilung (Arbeitsplan i. S. v. § 6 Abs. 1 NV Chor/Tanz)
vor dem Anschlag im Theater zur Genehmigung vorzulegen. Die Theaterleitung
erkannte ein Mitbestimmungsrecht bei Probenbeginn an, verneinte
es aber beim Probenende.
Zur Begründung machte sie künstlerische Gründe geltend.
Ferner verwies sie auf ihr uneingeschränktes Direktionsrecht,
soweit die für die Bühnenangestellten geltenden Tarifverträge
keine Regelungen enthielten (Tarifvorbehalt) und auch darauf, dass
das Mitbestimmungsrecht des Personalrats sich nur auf die gesamte
Arbeitszeit der Künstler beziehen könne, diese aber –
selbstbestimmt – zu einem erheblichen Teil aus intensiver
häuslicher Vorbereitung bestehe, bei der sie Festlegungen durch
den Arbeitgeber nicht unterworfen, somit auch ein Mitbestimmungstatbestand
nicht gegeben sei.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 12. August 2002
(AZ: BVerwG 6 P 17.01) dem Personalrat Recht gegeben. Es entschied
wie folgt (Leitsätze des Gerichts):
- Die Mitbestimmung des Personalrats bei der Festlegung von Beginn
und Ende der täglichen Arbeitszeit kann auch dann eingreifen,
wenn nur ein Teil der täglichen Arbeitszeit geregelt wird.
- Der Mitbestimmung des Personalrats beim Ende der Probenzeiten
stehen die für die Bühnenangestellten jeweils geltenden
tarifvertraglichen Bestimmungen über die Dauer der Proben
nicht entgegen.
- Die Kunstfreiheit nach Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz
schließt eine Mitbestimmung des Personalrates bei der Festlegung
des Probenendes nicht grundsätzlich aus.
Das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht des Personalrates fußt
auf § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Landespersonalvertretungsgesetzes
Nordrhein-Westfalen. Nach dieser Vorschrift hat der Personalrat,
soweit eine gesetzliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen über
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie
Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, soweit
es sich um eine generelle Regelung handelt.
Dem Beschluss kommt indes bundesweite Bedeutung zu, da sowohl das
Betriebsverfassungsgesetz (in § 87) als auch alle Landespersonalvertretungsgesetze
gleichlautende oder in ihrer Rechtswirkung gleiche Bestimmungen
enthalten: Baden-Württemberg (§ 79), Bayern (Artikel 75),
Berlin (§ 85), Brandenburg (§ 66), Bremen (§ 63 i.
Verb. mit § 52), Hamburg (§ 86), Hessen (§ 74), Mecklenburg-Vorpommern
(§ 70), Niedersachsen (§ 66), Rheinland-Pfalz (§
80), Saarland (§ 78), Sachsen (§ 80), Sachsen-Anhalt (§
65), Schleswig-Holstein (§ 51) und Thüringen (§ 74).
Das Bundesverwaltungsgericht begründete seinen Beschluss im
wesentlichen damit, dass der Wortlaut des § 72 Abs. 4 Satz
1 Nr. 1 LPersVG NW es erlaube, dass der mitbestimmungspflichtige
Teil des Arbeitstages sich auf den regelungsbedürftigen allein
beziehe, also häusliche Vorarbeiten, Rollenstudium und Vorstellungen
nicht erfasse. Der Senat erklärt ausdrücklich, dass er
an seiner bisherigen Annahme nicht festhalte, wonach Gegenstand
des Mitbestimmungsrechts nur eine die gesamte Arbeitszeit erfassende
Regelung sein könne.
Von Bedeutung ist der Beschluss vor allem für die nach dem
Normalvertrag Solo angestellten Bühnenkünstler, da für
sie der Tarifvertrag „keine aus sich heraus handhabbaren materiellen
Regelungen der Lage der Probenzeiten“ enthält. Bei den
Orchestermusikern, Opernchorsängern und Bühnentänzern,
deren Tarifverträge die Dauer und Lage der meisten Proben abschließend
regeln, ist die Mitbestimmung des Personalrates auf die Fälle
beschränkt, da die Vorschriften, z.B. bei den zeitlich unbegrenzten
Proben, Gestaltungsspielräume offen lassen. Die Einhaltung
der Regelwerke des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern
(TVK) und des Normalvertrages Chor/Tanz (NV Chor/Tanz) unterliegt
jedenfalls der Richtigkeitskontrolle des Personalrats.
Das
vollständige Urteil kann bei der Geschäftsstelle der VdO
oder beim Justitiariat angefordert werden. M.
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