Von Aachen bis Zittau kriselt es: Die Haushaltslage der
Städte und Länder führt zu Einfrieren oder pauschalen
Kürzungen der Theater- und Orchesteretats und hat Personalabbau,
Spartenschließungen, Fusionen und letztendlich die Auflösung
ganzer Bühnen und Orchester zur Folge.
Die jüngsten Hiobsbotschaften: Dem Theater Augsburg
drohen Etatkürzungen, Dresden will seine Staatsoperette schließen,
Frankfurt am Main löst sein Ballett auf, Freiburg im Breisgau
kürzt die Betriebszuschüsse für sein Theater um ein
Viertel, Gera-Altenburg hat beschlossen, das Ballett und das Orchester
stark zu verkleinern und den Opernchor komplett zu entlassen.
Weitere Schreckensmeldungen in sich häufender Zahl
sind vorhersehbar. Mit einer Stärkung der Finanzkraft der Rechtsträger
der öffentlichen Theater ist derzeit ebenso wenig zu rechnen
wie mit einer Verbesserung der Wirtschaftslage. Dennoch kommen auf
die Theater neue Belastungen zu: Neben den Sozialversicherungskosten
vor allem tarifliche Lohnerhöhungen, in den neuen Bundesländern
zusätzlich die stufenweise bis 2007 vorgesehene Anpassung der
Gehälter an das Westniveau.
Schon in den vergangenen Jahren stiegen vielerorts die Betriebszuschüsse
nicht mehr im gleichen Maße wie die vom Rechtsträger
mit den Gewerkschaften vereinbarten Tariferhöhungen. Die betroffenen
Bühnen haben versucht, die Deckungslücken durch betriebsinterne
Maßnahmen zu schließen. Doch mittlerweile stoßen
Rationalisierungen, Einsparungen, Einnahmesteigerungen und Personalabbau
an ihre Grenzen und geraten in Widerspruch zum künstlerischen
Qualitätserfordernis und zum kulturellen Versorgungsauftrag.
Allein die Zahl der an den öffentlichen Bühnen Beschäftigten
ist in den letzten zehn Jahren von rund 45.000 auf rund 39.000 gesunken.
Auch die Tarifpartner haben ihre Beiträge zur Sicherung
der Arbeit der Theater und Orchester geleistet. Zugleich mit Vereinheitlichungen,
Anpassungen und Flexibilisierungen der tarifvertraglichen Regelungen
schlossen die drei Künstlergewerkschaften DOV, GDBA und VdO
mit dem Deutschen Bühnenverein mehr als 60 Haustarifverträge
ab, aufgrund derer die betroffenen Mitarbeiter ganz oder teilweise
auf das 13. Monatsgehalt, auf das Urlaubsgeld oder andere Gehaltsbestandteile
verzichten. Doch Haustarifverträge sind wie Regenschirme: Sie
helfen dem Theater und den Beschäftigten, eine absehbar befristete
Schlechtwetterlage zu durchlaufen. Haustarifverträge auf Dauer
würden das Theater künstlerisch und personell verarmen
lassen.
Die Tarifmarken für die Theater und Orchester setzen die Ergebnisse
der Lohn- und Gehaltsrunden im öffentlichen Dienst. Für
die nicht-künstlerischen Mitarbeiter in Verwaltung, Bühnentechnik
und Werkstätten gelten die dort vereinbarten Lohnanhebungen
unmittelbar, denn sie gehören als städtische Arbeiter
oder Angestellte beziehungsweise als Landesbedienstete dem öffentlichen
Dienst an. Anders ist das bei den Künstlern. Ihre Gewerkschaften
handeln die Gehalts- und Gagenanhebungen mit dem Bühnenverein
aus, wobei allerdings eine generelle Tarifvereinbarung, die so genannte
Anpassungsklausel, besagt, dass die Lohnerhöhungen des öffentlichen
Dienstes sinngemäß auf die künstlerischen Mitarbeiter
zu übertragen sind. Der Sinn dieser Vereinbarung ist, diejenigen,
die das Theater auf der Bühne oder im Orchestergraben repräsentieren,
genauso zu behandeln, wie die hinter der Bühne.
Das in schlechten Zeiten wie diesen geradezu Skandalöse
ist, dass die öffentlichen Arbeitgeber, Bund, Länder und
Gemeinden, Tarifabschlüssen zustimmen, die sie willentlich
und offenen Auges in allen kulturellen und sozialen Einrichtungen,
deren Unterhalt nicht zu ihren Pflichtaufgaben gehört, weder
bezahlen wollen noch bezahlen können. Sollen die Betroffenen,
ob in der Suchtberatung, im Gesundheitsdienst, im Vorschulkindergarten
oder der Bücherei doch sehen, wie sie mit den Folgen fertig
werden.
So auch die im Theater. Um eine nur zweiprozentige Lohnerhöhung
auszugleichen, müsste ein Theater seine jährlichen Eigeneinnahmen
um etwa zehn Prozent steigern. Konkret: Ein mittleres Landeshauptstadttheater
wie Magdeburg (inklusive Kammerspiele) müsste von jetzt auf
sofort seine Jahreseigeneinnahmen um 164.000 Euro erhöhen.
Das ist auch bei bestem Willen nicht zu realisieren. Also blieben
nur Personalabbau oder Haustarifvertrag – siehe oben.
Der Volksmund nennt den, der anschafft, ohne bezahlen zu
können, einen Hochstapler oder gar einen Betrüger.
Ihr
Stefan Meuschel
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