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Portrait

Ein kindhaftes Wesen

Wilfried Hiller wurde sechzig · Von Reinhard Schulz

Wilfried Hiller ist ein Komponist, der sich in seinem Wirken stets im besten Sinne ein kindhaftes Wesen bewahrte. Alles gesucht Konstruierte blieb ihm fremd, sein Schaffen ruht auf elementaren Parametern, auf dem eingängigen melodischen Einfall, auf elementaren Rhythmen. Von vielen Seiten wurde das Wirken vielleicht belächelt, aus gleicher Richtung kam aber auch der Neid. Denn Hillers Stücke werden nicht nach der Uraufführung ad acta gelegt, viele Theater bemühen sich um Neuauflagen.

   

„Peter Pan“. Aufführung der Bayerischen Theaterakademie im Prinzregententheater. Foto: Rabanus

 

Fraglos zählt er zu den erfolgreichsten Komponisten in Deutschland: Weil er den Bühnen ein griffiges Spielmaterial an die Hand gibt, das der Fantasie der Ausgestaltung Raum lässt. Seine Kinderopern wie „Peter Pan“, „Das Traumfresserchen“, „Der Rattenfänger“, „Die Jagd nach dem Schlarg“, seine zunächst für Schallplatte konzipierten Fabeln „Der Lindwurm und der Schmetterling“, „Tranquilla Trampeltreu“, „Die Ballade von Norbert Nackendick“, „Die Fabel von Filemon Faltenreich“, vor allem die bayerische Mär „Der Goggolori“ und manch andere Theaterarbeiten sind bereits Repertoire.

Am 15. März 2001 nun feierte Wilfried Hiller seinen 60. Geburtstag. Hiller ging mit seinem kompositorischen Ansatz einen ganz eigenen Weg, der sich nicht an den Trends und Modernismen seiner Zeit orientierte. Stets stand für ihn die unmittelbare Wirksamkeit seiner Musik im Zentrum. Die Nähe zum einfachen und plastisch erzählenden Musiktheater war ihm wichtig, und in dieser Hinsicht hat Hiller viel von seinem väterlichen Freund und Lehrer Carl Orff gelernt. Als außerordentlich fruchtbar, ja als Glücksfall nicht nur für die unmittelbar Beteiligten erwies sich das schöpferische Zusammenwirken mit dem Kinderbuchautor Michael Ende. Zusammen kam man, wie meist im Leben, durch Zufall. Hiller erzählt: „Ich war mit meinem Sohn in einem Plattenladen, wir haben etwas für Kinder gesucht. Aber außer ‚Karneval der Tiere’ und Ähnlichem gab es nicht viel. Da sagte ich: ‚Weißt du was, ich schreibe selbst etwas für dich. Ich muss nur einen Autor finden.‘ Und da sagte der vierjährige Knirps: ‚Nimm doch den vom Jim Knopf!‘ Und der war eben Michael Ende. Manches im Leben fügt sich dann einfach. Ich ging nach Rom, wo ich ein Stipendium an der Villa Massimo hatte. Ein Freund, der Elmar Zorn, hat mir eine Liste mit den besten Kneipen, Museen und Kirchen mitgegeben – und ganz am Schluss schrieb er noch die Adresse eines Freundes auf: die von Michael Ende.“ Ein Zufall? Gerne glaubt man, dass es für Hiller in diesem Sinne gar keine Zufälle gibt. Es ereignet sich, was sich ereignen soll. Hiller: „Ich habe gleich von Rom aus Ende angerufen und als ich sagte, ich sei Komponist, sagte er nur:‚Um Gottes Willen!‘. Denn er hatte damals viel Streitigkeiten mit anderen Komponisten. Die wollten Arien und alles kompliziert machen. Es war also ein schwieriger Einstieg. Er kam aber und als er Musik von mir hörte, sagte er: ‚Ich glaube, wir werden ein Leben lang zusammen arbeiten.‘ Und so war es auch. Unser letztes Projekt war das ‚Galgenmännlein‘, eine Oper über das Geld, das Finanzamt, das Reich-Werden. Aber im Mai 1995, ich hatte schon zwei Szenen geschrieben, rief mich Michael Ende an und teilte mir mit: ‚Du, ich war gerade beim Arzt und der sagte, ich soll keine komischen Opern mehr schreiben, sondern mein Testament.‘ Im August ist er dann gestorben.“

Immer zieht es Hiller, selbst da, wo er nicht für die Bühne schreibt, zum Theatralen. Der Verzauberung des Spiels, der Imagination aus Bild und Klang, der Drastik der einfachen und starken Gefühle gehörte immer wieder seine schöpferische Begeisterung. Das Vertrauen auf ursprünglich Empfundenes, auf spontan in Szene gesetztes Bühnenritual, auf die Repetition lapidarer Bühnenkomik (mit der Freude daran, dass sie gut gemacht immer wieder aufgeht) ist Teil seines Erfolgs. Es sind Erlebniswelten, die aus den Mythen kommen, vor allem den griechischen und den alttestamentarischen. Das ist, sein Lehrer Orff hat hierzu gewiss den Weg gewiesen, ein zweiter Schwerpunkt Hillers mit den asketischen Bühnenwerken „Niobe“ oder „Ijob“ oder dem großen Lieder- und Tanz-Triptychon „Schulamit“ nach dem Buch „Der Gesang der Gesänge“. Und unmittelbar fühlt man, dass zwischen solch elementar tragischem Erleben, erotischer Schönheit und der Welt kindlichen Staunens für Hiller eine dem Ursprung ganz nahe Brücke existiert. Einer seiner Leitsprüche lautet denn auch: „Ein Kinderbuch, das von Erwachsenen nicht gelesen wird, kann kein gutes Buch sein. Ich zitiere da gerne Erich Kästner: ‚Nur wer erwachsen ist und ein Kind bleibt, ist ein Mensch‘.“

Reinhard Schulz

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