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2000/02
Inhaltsverzeichnis

Kulturpolitik
Editorial
Die Hauptstadt-Skandale
Baden-Baden scheint kuriert
Fundbüro: Kollegiale Nachrede

Portrait
Das Nordharzer Städtebundtheater

Tanztheater
Bilanz zur Münchner „Dance“-Biennale 2000

Bericht
Lady Di und Jud Süß

Service
Recht: Die Privatisierung als Umweg zur Theaterschließung?
Recht: Das Bundesarbeitsgericht zur Mitwirkungspflicht der Opernchöre
VdO: Öffentlicher Dienst - Vergütungsrunde 2000
VdO: Tarifverhandlungen NV Chor/Tanz
Buch: Der Chormusikführer von Harenberg
Buch: Sozialgeschichte des Opernhauses Lissabon

 

 

Alles, was Recht ist

Hansekogge Lübeck gestrandet

Das Bundesarbeitsgericht zur Mitwirkungspflicht der Opernchöre

Der gegen die ausdrückliche Warnung der VdO vom Zaun gebrochene Streit um die Frage der Mitwirkungspflicht (§ 4 NV Chor) von Mitgliedern des Lübecker Opernchores an der Meistersinger-„Coproduktion“ mit dem Volkstheater Rostock hat in der letzten Instanz, vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG), ein böses Ende genommen.

Mit dem jetzt veröffentlichten Urteil des BAG vom 26. Mai 1999 (AZ.: 5 AZR 495/98) ist die Verpflichtung der Klägerin, die dem Lübecker Opernchor angehört, zur Mitwirkung an der Aufführung von „Die Meistersinger von Nürnberg“ am Volkstheater Rostock bejaht und damit auch ihr zusätzlich geltend gemachter Vergütungsanspruch zurückgewiesen worden; ferner hat das BAG entschieden, dass der Personalrat des Lübecker Theaters nicht zu beteiligen war, da die Anordnung der Theaterleitung, an den Veranstaltungen in Rostock mitzuwirken, im Rahmen des dem Arbeitgeber durch § 4 NV Chor eingeräumten Direktionsrechtes gelegen, es sich also nur um eine Konkretisierung der Arbeitspflicht der Klägerin gehandelt habe.

Auslöser des Rechtsstreites war ein im Sommer 1995 zwischen den Bühnen in Lübeck und Rostock geschlossener Kooperationsvertrag mit dem Ziel „bei großen Werken, die von einer Bühne allein nicht erstellt werden können, die beiderseitigen Ressourcen zu bündeln“. In § 6 dieses Vertrages hieß es, dass „die Zusammenarbeit der einzelnen Sparten und Kollektive... für jede Produktion in Einzelvereinbarungen geregelt“ wird.

Auf der Grundlage dieses Kooperationsvertrages trafen die beiden Bühnen für die Spielzeiten 1995/96 und 1996/97 eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit ihrer Opernchöre in „Die Meistersinger von Nürnberg“, in der unter anderem festgehalten war: „Die Chormitglieder der Bühne, welche mit der produzierenden Bühne zusammenarbeitet, werden eingesetzt, um die Stimmgewalt des Chores der jeweils produzierenden Bühne zu verstärken.“ Die im Vorfeld dieser Vereinbarung angestellten Überlegungen, eine gemeinsame Inszenierung der Meistersinger herauszubringen, waren unter anderem der Terminprobleme wegen, die auch mit der Renovierung des Lübecker Hauses an der Beckergrube zusammenhingen, fallen gelassen worden: Es ging also nicht um eine gemeinsame Produktion, sondern um die Verstärkung des Chores der jeweils produzierenden Bühne durch die Mitglieder des Chores der Vertragspartnerbühne.

Die VdO kam nach Prüfung der Rechtslage zu der Auffassung, auch Vereinbarungen über die Zusammenarbeit einzelner Sparten und Kollektive zweier Bühnen seien zulässig und derartige Vereinbarungen stellten keine „Überlassung des Opernchores... an Dritte für deren Alleinveranstaltung“ dar, wie sie Protokollnotiz Nr. 1 zu § 4 NV Chor ausdrücklich untersagt. Denn der Vertragspartner Rostock, mit dem Lübeck eine Zusammenarbeit vereinbart habe, könne ja logischerweise nicht gleichzeitig „der Dritte“ sein, für dessen Alleinveranstaltungen das Überlassen des Chores unzulässig sei. Mit dem Hinweis, ein Rechtsstreit in dieser Frage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, riet die VdO dem Lübecker Opernchor von einer Klage ab, warnte auch vor der Gefahr, die Gerichte könnten die Zusammenarbeitsmöglichkeiten über den Text des Tarifvertrages hinaus interpretieren, da dieser tatsächlich ausdeutungsgeeignet sei.

Die Klägerin sah das anders – was ihr gutes Recht ist. Sie meinte, zur Mitwirkung nur bei Ko- oder Gemeinschaftsproduktionen verpflichtet zu sein; im Fall ihres Mitwirkens in Rostock handle es sich eben um die unzulässige Überlassung an Dritte. Ihre Mitwirkung sei mithin – wie bei normalen Aushilfen – vergütungspflichtig. Nachdem sie in dieser Auffassung vor dem Bezirksbühnenschiedsgericht Hamburg auch noch bestätigt worden war, gab ihr die GDBA rechtsschutzlichen Wind in die Segel, – bis zum bitteren Ende vor dem BAG. Zu vermuten ist, dass dies weniger aus rechtlicher Überzeugung, denn aus organisationspolitischem Interesse geschah, schien doch Gelegenheit gegeben, mal zu zeigen, was eine richtige genossenschaftliche Harke ist. Und nun ist nur Strandgut geblieben...

Die Frage, ob und inwieweit aus organisationspolitischen oder wettbewerblichen Erwägungen vor Gericht va banque gespielt werden darf, ist abstrakt nicht zu beantworten. Im konkreten Fall musste der Klägerin und ihrer Rechtsvertretung das Risiko bekannt sein: Die VdO hatte rechtzeitig und klar darauf aufmerksam gemacht.
Die wichtigere Frage, wie der eingetretene Schaden eingedämmt werden kann, beantwortet sich mit dem Hinweis auf den von der VdO ausgehandelten § 7 Abs. 2 des Entwurfes des NV Chor/Tanz, wonach die Zusammenarbeitsvereinbarung mit anderen Bühnen unter dem Vorbehalt steht, dass die Veranstaltungen unter der künstlerischen und wirtschaftlichen Mitverantwortung des Arbeitsgebers stattfinden müssen. Die im Lübecker Verfahren an den Haaren herbeigezogene Frage, ob denn „der Vertragspartner Rostock“ nicht doch „ein Dritter“ sei, die schon die Vorinstanzen verneint hatten, stellt sich künftig nicht mehr.

Bleibt zu hoffen, daß alle Beteiligten, dem Sprichwort zufolge, aus Schaden klug geworden sind. (Der Text des BAG-Urteils kann bei Geschäftsführung und Justitiariat der VdO abgefordert werden).

 

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