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Hansekogge Lübeck gestrandet
Das Bundesarbeitsgericht zur Mitwirkungspflicht der Opernchöre
Der gegen die ausdrückliche Warnung der VdO vom Zaun gebrochene
Streit um die Frage der Mitwirkungspflicht (§ 4 NV Chor) von
Mitgliedern des Lübecker Opernchores an der Meistersinger-Coproduktion
mit dem Volkstheater Rostock hat in der letzten Instanz, vor dem
Bundesarbeitsgericht (BAG), ein böses Ende genommen.
Mit dem jetzt veröffentlichten Urteil des BAG vom 26. Mai
1999 (AZ.: 5 AZR 495/98) ist die Verpflichtung der Klägerin,
die dem Lübecker Opernchor angehört, zur Mitwirkung an
der Aufführung von Die Meistersinger von Nürnberg
am Volkstheater Rostock bejaht und damit auch ihr zusätzlich
geltend gemachter Vergütungsanspruch zurückgewiesen worden;
ferner hat das BAG entschieden, dass der Personalrat des Lübecker
Theaters nicht zu beteiligen war, da die Anordnung der Theaterleitung,
an den Veranstaltungen in Rostock mitzuwirken, im Rahmen des dem
Arbeitgeber durch § 4 NV Chor eingeräumten Direktionsrechtes
gelegen, es sich also nur um eine Konkretisierung der Arbeitspflicht
der Klägerin gehandelt habe.
Auslöser des Rechtsstreites war ein im Sommer 1995 zwischen
den Bühnen in Lübeck und Rostock geschlossener Kooperationsvertrag
mit dem Ziel bei großen Werken, die von einer Bühne
allein nicht erstellt werden können, die beiderseitigen Ressourcen
zu bündeln. In § 6 dieses Vertrages hieß es,
dass die Zusammenarbeit der einzelnen Sparten und Kollektive...
für jede Produktion in Einzelvereinbarungen geregelt
wird.
Auf der Grundlage dieses Kooperationsvertrages trafen die beiden
Bühnen für die Spielzeiten 1995/96 und 1996/97 eine Vereinbarung
über die Zusammenarbeit ihrer Opernchöre in Die
Meistersinger von Nürnberg, in der unter anderem festgehalten
war: Die Chormitglieder der Bühne, welche mit der produzierenden
Bühne zusammenarbeitet, werden eingesetzt, um die Stimmgewalt
des Chores der jeweils produzierenden Bühne zu verstärken.
Die im Vorfeld dieser Vereinbarung angestellten Überlegungen,
eine gemeinsame Inszenierung der Meistersinger herauszubringen,
waren unter anderem der Terminprobleme wegen, die auch mit der Renovierung
des Lübecker Hauses an der Beckergrube zusammenhingen, fallen
gelassen worden: Es ging also nicht um eine gemeinsame Produktion,
sondern um die Verstärkung des Chores der jeweils produzierenden
Bühne durch die Mitglieder des Chores der Vertragspartnerbühne.
Die VdO kam nach Prüfung der Rechtslage zu der Auffassung,
auch Vereinbarungen über die Zusammenarbeit einzelner Sparten
und Kollektive zweier Bühnen seien zulässig und derartige
Vereinbarungen stellten keine Überlassung des Opernchores...
an Dritte für deren Alleinveranstaltung dar, wie sie
Protokollnotiz Nr. 1 zu § 4 NV Chor ausdrücklich untersagt.
Denn der Vertragspartner Rostock, mit dem Lübeck eine Zusammenarbeit
vereinbart habe, könne ja logischerweise nicht gleichzeitig
der Dritte sein, für dessen Alleinveranstaltungen
das Überlassen des Chores unzulässig sei. Mit dem Hinweis,
ein Rechtsstreit in dieser Frage habe keine hinreichende Aussicht
auf Erfolg, riet die VdO dem Lübecker Opernchor von einer Klage
ab, warnte auch vor der Gefahr, die Gerichte könnten die Zusammenarbeitsmöglichkeiten
über den Text des Tarifvertrages hinaus interpretieren, da
dieser tatsächlich ausdeutungsgeeignet sei.
Die Klägerin sah das anders was ihr gutes Recht ist.
Sie meinte, zur Mitwirkung nur bei Ko- oder Gemeinschaftsproduktionen
verpflichtet zu sein; im Fall ihres Mitwirkens in Rostock handle
es sich eben um die unzulässige Überlassung an Dritte.
Ihre Mitwirkung sei mithin wie bei normalen Aushilfen
vergütungspflichtig. Nachdem sie in dieser Auffassung vor dem
Bezirksbühnenschiedsgericht Hamburg auch noch bestätigt
worden war, gab ihr die GDBA rechtsschutzlichen Wind in die Segel,
bis zum bitteren Ende vor dem BAG. Zu vermuten ist, dass
dies weniger aus rechtlicher Überzeugung, denn aus organisationspolitischem
Interesse geschah, schien doch Gelegenheit gegeben, mal zu zeigen,
was eine richtige genossenschaftliche Harke ist. Und nun ist nur
Strandgut geblieben...
Die Frage, ob und inwieweit aus organisationspolitischen oder
wettbewerblichen Erwägungen vor Gericht va banque gespielt
werden darf, ist abstrakt nicht zu beantworten. Im konkreten Fall
musste der Klägerin und ihrer Rechtsvertretung das Risiko bekannt
sein: Die VdO hatte rechtzeitig und klar darauf aufmerksam gemacht.
Die wichtigere Frage, wie der eingetretene Schaden eingedämmt
werden kann, beantwortet sich mit dem Hinweis auf den von der VdO
ausgehandelten § 7 Abs. 2 des Entwurfes des NV Chor/Tanz, wonach
die Zusammenarbeitsvereinbarung mit anderen Bühnen unter dem
Vorbehalt steht, dass die Veranstaltungen unter der künstlerischen
und wirtschaftlichen Mitverantwortung des Arbeitsgebers stattfinden
müssen. Die im Lübecker Verfahren an den Haaren herbeigezogene
Frage, ob denn der Vertragspartner Rostock nicht doch
ein Dritter sei, die schon die Vorinstanzen verneint
hatten, stellt sich künftig nicht mehr.
Bleibt zu hoffen, daß alle Beteiligten, dem Sprichwort zufolge,
aus Schaden klug geworden sind. (Der Text des BAG-Urteils kann bei
Geschäftsführung und Justitiariat der VdO abgefordert
werden).
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