Kollegiale Nachrede
Aus einem Interview, das der Redakteur der österreichischen
Zeitschrift profil, Hans Reiter, mit dem Dramatiker,
Regisseur und Schauspieler Franz Xaver Kroetz führte (profil
vom 31.01.2000).
Reiter: Claus Peymanns erste Inszenierung am Berliner Ensemble
ist Ihr deutsches Trauerspiel Das Ende der Paarung,
dem eine tragische, aber fast schon vergessene Episode aus der Bonner
Republik zugrunde liegt: der Doppelselbstmord der Grünenpolitiker
Petra Kelly und Gert Bastian...
Kroetz: ... Mich hat die Befindlichkeit meiner Generation
interessiert, die sich mit großen Erwartungen und Hoffnungen
an die Veränderung der Welt gemacht und irgendwann gemerkt
hat, dass all diese Hoffnungen den Bach runter gegangen sind.
Ich wollte mein Stück auch nicht durch prominente Namen mit
Bedeutung aufladen, wie das der Hans Kresnik macht, der am laufenden
Band seine Stücke über Gründgens, Pasolini, Ernst
Jünger und so weiter produziert. Das finde ich widerlich.
Reiter: Auch die Produktionen?
Kroetz: Die auch! Ich habe zwei Kresniks gesehen: Gründgens
und Pasolini. Da kann ich mich bloß noch an
zwei Ministranten erinnern, die ihren Zipfel raushängen haben
lassen. Einen solchen drögen, nach Skandal hechelnden, abgefuckten
Theaterabend, der mich zu Tode gelangweilt hat, habe ich selten
gesehen. Wie kommt der dazu, so einen Dreck mit so viel Bedeutung
aufzublähen? Aber der Kresnik schmückt sich halt gern
mit großen Namen, damit der Furz, den er produziert, ein
bissl stinkt...
Reiter: In Ihrer Karriere als Theaterautor gab es viele
Höhen und Tiefen. Hat das Auf und Ab in der öffentlichen
Wertschätzung des Dramatikers Kroetz auch mit der schwankenden
Qualität Ihrer Stücke zu tun?
Kroetz: Wo denken Sie hin? Das hat mit der Qualität
meiner Stücke überhaupt nichts zu tun! Die Kunstkritik
ist in einem derart miserablen Zustand, die ist gar nicht in der
Lage, als Seismograf für ein Werk zu funktionieren. Die meisten
Kritiker sind liebenswürdige, ungebildete, arme Würschtln.
Ich kenne eine Menge davon. Die sind Gehetzte ihrer immer schneller
werdenden Medien. Ich kann mit denen auch ein Bier trinken, aber
ich käme nie auf die Idee, sie zu fragen, was sie von einem
meiner Stücke halten. Weil sie keine Ahnung haben.
Reiter: Und die Leute im Theater? Die Intendanten, Dramaturgen,
Regisseure, haben die mehr Ahnung?
Kroetz: Ach wo! Theater sind Dilettantenversorgungsanstalten.
Dazu kommt noch, dass die Theaterleute immer so tun, als würden
sie auf der Bühne etwas vom Leben erzählen. Aber die
haben zum Leben ja gar keine Zeit mehr. Die sind ausschließlich
mit ihrer Karriereplanung beschäftigt. Wir sind umzingelt
von solchen Leuten... Ich habe auch in Hamburg inszeniert, bei
dem angeblichen Erretter des deutschen Theaters, bei Herrn Baumbauer.
So viel Scheißdreck habe ich sonst nirgends gesehen. Aber
wenn Regisseure auf fremde Stücke draufscheißen, dann
sollen sie sie auch so nennen: Meine hundert Fürze
und nicht mit fremden Titeln hausieren gehen. Wie kommt
der Autor dazu, als Fußnote einer Inszenierung zu dienen?
|