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Lady Di und Jud Süß
Uraufführungen in Regensburg und Nürnberg ·
Von Juan Martin Koch
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Den berühmten,
so nie gesagten Gorbi-Satz im Bewusstsein, machten sich Stefan Hippe
und Librettist Gerhard Falkner daran, den tragisch medienwirksamen
Tod der Prinzessin von Wales, jener anderen mythischen Gestalt des
ausgegangenen 20. Jahrhunderts, flugs zu einer Oper zu verarbeiten
noch bevor die Musical-Industrie mit ihrem Endprodukt den
Markt zu sättigen beginnt. Natürlich wollen sie nicht
Diana persönlich auf die Bühne bringen, samt Familie und
Lebensabschnittspartnern, Thema soll der medienunterstützte
Lady-Di-Kult sein, dem vornehmlich im Friseursalon sich hinzugeben
naheliegt.
Wer zu spät kommt..., daran dachte wohl auch der Regensburger
GMD Guido Johannes Rumstadt, als er sich noch vor der Bremer Uraufführung
im vergangenen Herbst entschied, Detlev Glanerts Joseph Süß
nachzuspielen. Denn was konnte schon schiefgehen: Der historisch
einschlägige und literarisch schon prominent bearbeitete Stoff
ist zu einem politisch korrekten Libretto modernisiert. Auch die
Musik Glanerts tut geschickt so, als sei sie auf der Höhe der
Zeit, und untermalt effektiv das gut gemeinte Unterfangen, den mit
fataler Wirkungsgeschichte behafteten Justizmord am württembergischen
Finanzrat Joseph Süß Oppenheimer für die Oper aufzubereiten.
Im Geiste der nicht mehr ganz taufrischen Literaturoper dient Feuchtwangers
Romanversion von 1925 als maßgebliche Vorlage für ein
Textbuch, das Kerkerszenen mit man ahnt es Rückblenden
verzahnt.
Zwei grundverschiedene Auffassungen zeitgenössischen Musiktheaters
also? Nicht ganz. Mit knapp eineinhalb Stunden sind beide Werke
etwa gleich kurz, vermeiden eine dem Publikumsschwund Vorschub leistende
Pause und sind gegen Ende sogar in der musikalischen Dramaturgie
ähnlich: Nach dem katastrophisch auskomponierten Höhepunkt
das Todesurteil über Süß auf der einen, der
Unfall der Lady auf der anderen Seite sorgen dankbare Schlussmonologe
der Protagonisten für die obligatorischen Bravi.
In A Lady DI es ist es die souveräne, wenn auch
nicht genügend ältliche Gudrun Ebel, die als Rosalie Billmeier
daheim am Hausaltar mit Barbie-Di-Statuette live mitansehen muss,
wie die Angebetete den Paparazzi zum Schnappschuss vorgeworfen wird.
Kein Wunder, dass sie für das Schicksal ihrer Nichte, die gleichzeitig
einen Verkehrsunfall knapp überlebt, kaum aufnahmefähig
ist. Stefan Hippes Musik teilt das Problem des Textbuchs und der
Regie (Jasmin Solfaghari), sich für nichts entschieden zu haben.
Nicht für eine beißende, vielleicht sogar witzige Satire
über Reality-TV, Regenbogenpresse und deren Konsumenten, nicht
für ein Ernstnehmen der Personen und ihrer Sehnsucht nach Projektionsflächen
banaler Träume und falscher Illusionen. Vor allem aber nicht
für ein dialektisches Aufeinanderbeziehen beider Perspektiven,
was den Stoff hätte retten können. Das Kammerorchester
begleitet die Szenerie bestenfalls schlüssig. Statt einer naheliegenden
musikalischen Reflexion über die jüngste Vergangenheit,
eine wenig profilierte, kaum als Personalstil zu identifizierende
Mixtur aus gerne in Tonwiederholungen sich ergehenden Streichern,
entweder unauffälligen oder schrillen Bläsertexturen und
ein bisschen Perkussion.
In der Regensburger Süß-Inszenierung erzählt Fritz
Groß die Geschichte angenehm schnörkellos. Der von Julia
Hansen sinnfällig eingerichtete Bühnenraum deutet höfisches
Ambiente ebenso an wie die Düsternis des Gefangenseins. Zwischen
omnipräsenten Gitterstäben und Arkaden ist Süß
(großartig: Adam Kruzel) ein buchstäblich an das Herrschaftssystem
Gebundener, der als Finanzgenie alles unter Kontrolle glaubt. Die
Fäden und damit auch dessen Fesseln in der Hand haben in Wahrheit
aber der Herzog Karl Alexander selbst und Weissensee, der Sprecher
der Landstände. Stefan Sevenich (angemessen abstoßend
im speckigen Cordanzug) und Berthold Gronwald (mit präziser
Intriganz) holen aus diesen Charakterschablonen des 19. Jahrhunderts
das Äußerste an Scharfzeichnung heraus. Weniger profiliert
bleibt die Funktion der weiblichen Rollen, die hauptsächlich
Vorwand für ein bisschen Melos und lyrische Einsprengsel im
Orchestergraben zu sein scheinen. Dass Glanert die Holzbläser
hier ungewöhnlich dünn, aber mit einem Schwerpunkt auf
Oboen und Flöten besetzt, macht sich nur insofern bemerkbar,
als aus dem konventionellen Instrumentarium außer gelegentlich
gezackter Streichergrundierung und Brutalblech wenig Charakteristisches
im Gedächtnis haften bleibt. Cembalo, Orgel, Schlagwerk und
etwas Unterstützung aus der Elektronikkonserve sorgen aber
als historisierende und modernistische Farbtupfer schon dafür,
dass keine Langeweile aufkommt.
Manchmal ist es nicht die Ausführung, die einer Produktion
provinzielle Züge verleiht. Wie die Leistung von Chor und Ensemble
ist auch diejenige des Philharmonischen Orchesters unter Rumstadts
Leitung nur als fabelhaft zu bezeichnen. Vorbildlich auch die Betreuung
seitens der Dramaturgie, die neben einer Einführung in das
Werk eine moderierte Vorführung von Veit Harlans berüchtigtem
Nazi-Hetzfilm Jud Süß organisierte und so
dem Projekt wenigstens im Umfeld jene Dimension gab, die der Oper
weitgehend fehlt. Mit Mitgliedern der Philharmoniker unter der Leitung
von Wolfgang Gayler entsprach auch in Nürnberg das instrumentale
Niveau den sängerischen Leistungen. Am Ende übertönte
vielleicht deshalb der Jubel die deutlich vernehmbaren Buhs für
das Gespann Hippe/Falkner.
Juan
Martin Koch
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