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2000/02
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Das Nordharzer Städtebundtheater

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Kulturpolitik

Baden-Baden scheint kuriert

Intendant Andreas Mölich-Zebhauser im Gespräch mit Theo Geißler

   

Andreas Mölich-Zebhauser. Foto: Martin Hufner

 

Im Sommer 1998 übernahm Andreas Mölich-Zebhauser das Festspielhaus Baden-Baden. Die Situation des großdimensionierten Hauses schien damals aussichtslos. Theo Geißler, Herausgeber von „Oper & Tanz“, unterhielt sich mit Andreas Mölich-Zebhauser, Intendant und Alleingeschäftsführer des Festspielhauses, über Sanierungskonzepte und Zukunftspläne.

Geißler: Was hat Sie damals bewogen, vom Ensemble Modern wegzugehen?

Mölich-Zebhauser: Es ist mir nicht leicht gefallen, das Ensemble Modern zu verlassen. Ich würde auch heute noch sagen, dass die sieben Jahre dort die schönsten in meinem bisherigen Berufsleben gewesen sind, jedes Projekt war eine Entdeckungsreise. Gleichzeitig war es immer mein Wunsch, einmal ein großes Opern- oder Konzerthaus gestalten zu können. Da hätte die Not des Hauses noch viel größer sein müssen, dass ich wirklich „nein“ hätte sagen können.

Geißler: Sie wechselten aus einem hochmodernen Experiment in den Kommerzbunker Festspielhaus Baden-Baden. Wie rechtfertigt man so etwas?

Mölich-Zebhauser: Baden-Baden ist keine Experimentierbühne, wird es wahrscheinlich auch nicht werden. Aber wenn sich die Aufwärtsentwicklung beim Publikum noch einige Zeit fortsetzt, dann habe ich keine schlechteren Bedingungen als andere Festspielorte, der zeitgenössischen Kunst zu ihrem Recht zu verhelfen. Die Priorität liegt in der ersten Zeit darauf, das Publikum zu entwickeln.

Geißler: Sie sind nach Baden-Baden gekommen, als das Haus kurz vor der Pleite stand. Was taten Sie dagegen?

Mölich-Zebhauser: Die damalige Leitung des Hauses meinte irgendwie, sie könnten eine Weltsensation per Beschluss herbeischaffen: nämlich vom ersten Tag an mindestens so attraktiv wie Salzburg zu sein und das auch noch ohne eine öffentliche Mark. Das war eine fatale Fehleinschätzung.

Geißler: Die Pfingstfestspiele von Salzburg zu übernehmen, sozusagen als Karajan Light Festival, war das die Fehlentscheidung?

Mölich-Zebhauser: Ach, woher! Ich glaube nicht, dass das darüber entscheiden konnte, wie sich das Haus entwickelt. Heute bin ich ganz froh, dass damals die Entscheidung für die Karajan-Festspiele gefallen ist und ich sie nicht korrigiert habe. Mit dem Namen soll eine große Figur des Musiklebens geehrt werden, aber im Rahmen der Karajan-Pfingstfestspiele findet auch „Kassandra“ von Michael Jarrell statt, mit dem Ensemble Modern. Außerdem habe ich das Haus, das in den Augen vieler vor allem für japanische und amerikanische Touristen gebaut wurde, zunächst einmal auch in der Region verankert.

Geißler: Wie haben Sie das gemacht?

Mölich-Zebhauser: Indem wir alle Arroganz über Bord geworfen und das Preisgefüge deutlich korrigiert haben, indem wir auf die Leute zugegangen sind und zu ihnen gesagt haben: Wir wollen euch hier haben und nicht nur den Hundertmarkschein von euch, wir wollen euch eine Freude machen.

Geißler: Welches Sanierungskonzept haben Sie vorgeschlagen?

Mölich-Zebhauser: Ich arbeite heute – nach einigen harten Schnitten – mit einem extrem kleinen, aber hochmotivierten Team von 55 Festangestellten inklusive Technik, Gastronomie und eigenem Call-Center, natürlich einem sehr großen Kreis von freien Mitarbeitern und Aushilfen. Wir investieren viel in die Werbung und halten den Grundsatz hoch: Mittelmaß ist der Tod! Wir stehen noch mitten in der Aufbauphase und werden das auch noch zwei, drei Jahre sein. Im Inhaltlichen habe ich mich verabschiedet von dem anfänglichen Anspruch, Premierenhauptstadt Europas zu sein. Es geht mir nicht um Glanz und Schickimicki: Wir sind exklusiv, aber nicht elitär. Es geht mir um maßstäbliche und aufregende Interpretationen, in erster Linie des großen Repertoires natürlich. Die Entdeckungsreisen fangen langsam an: Ich beginne in diesem Jahr mit Originalklang-Ensembles, mit Herreweghe, Harnoncourt und anderen, zeige wie die Heroen des Originalklangs heute aufregende Interpretationen auch des romantischen Repertoires liefern, warte darauf, dass sie auch das 20. Jahrhundert entdecken.

Geißler: Gibt es eine Festival- oder Festspielplanung in Baden-Baden?

Mölich-Zebhauser: Natürlich, aber auch hier sind wir noch in der Aufbauphase. Fest steht: die Pfingstfestspiele bleiben so wie sie sind. Zumindest auf die nächsten Jahre wird es eine stabile Zusammenarbeit mit Gergiev und seinem Mariinsky-Theater geben. Ballett- und Tanztheater-Festivals werden ausgebaut. Vielleicht verändere ich die Sommer-Festspiele zu einem Herbstfestival – da ist Baden-Baden übrigens besonders attraktiv.

Geißler: Gibt es eine verstärkte Zuwendung zur leichteren Musik?

Mölich-Zebhauser: Ja und Nein. Man muss in alle Richtungen denken. Ich mag den Berliner Philharmonikern nicht vorwerfen, dass sie jetzt auch mit einer Rockgruppe zusammenarbeiten. Das Problem ist nur, dass eine Konstellation Rockband und Sinfonieorchester – das sieht man auch wieder bei Metallica mit dem San Francisco Symphony Orchestra – regelmäßig dazu führt, dass das Sinfonieorchester den süßen Schmus abliefert und die Rockband die Power macht. Für aufregender halte ich da Künstler wie David Bowie, Sting, Björk, die alle das Potenzial haben, in eine echte künstlerische Auseinandersetzung mit dem Metier klassische Musik und zeitgenössische Musik zu treten.

Geißler: Ist das klassische Sinfonieorchester überhaupt innovationsfähig?

Mölich-Zebhauser: Jetzt bewege ich mich natürlich auf etwas gefährlichem Grund, wenn ich sage: Eine Weiterentwicklung wird da kommen, wo die lebenslange Bindung des Musikers an seinen Klangkörper zumindest teilweise aufgebrochen wird.

Geißler: Kann er das brauchen?

Mölich-Zebhauser: Ja, mit dem altdeutschen Versorgungsdenken muss Schluss sein, weil das der tödlichste Feind der Kreativität und des lustvollen Musizierens, der Aufgeschlossenheit gegenüber Neuerungen ist. Das Modell eines großen Musikerpools wie in London gefährdet natürlich die Kontinuität künstlerischer sinfonischer Arbeit. Aber die ist heute ohnehin gefährdet. Zum Beispiel dadurch, dass immer weniger Dirigenten bereit sind, mit einem Orchester auch einen langen Weg gemeinsam zu gehen, so wie Celibidache mit den Münchnern oder Metzmacher in Hamburg.

Geißler: Was ist, wenn Sie in zwei Jahren dieses Haus frei finanzieren sollen?

Mölich-Zebhauser: Das ist ganz einfach. Es muss nur so weitergehen, wie es bisher gegangen ist: 1998 sind gut 12 Millionen Verlust produziert worden, im letzten Jahr knapp 8 Millionen, in diesem Jahr hoffen wir mit 4 Millionen durchzukommen, wenn es 4 ½ Millionen sind, ist es auch kein Beinbruch und im Jahr darauf sind es noch 1 oder 1 ½ Millionen. Diese Verluste sind noch im Wesentlichen durch öffentliche Gelder gedeckt. Jetzt rede ich schon selber über Verluste – dann müsste man ja auch sagen: Die Salzburger Festspiele machen jedes Jahr 25 Millionen Verlust... Das heißt, wir sind dabei, aus eigener Kraft jedes Jahr um etwa 3 oder 3 ½ Millionen besser zu werden. Es ist überhaupt nicht absehbar, dass dieser Prozess, der durch die Besucherentwicklung auf der einen Seite, durch sprunghaft wachsendes Interesse von Privatleuten und Sponsoren, sich dem Hause zuzuwenden, auf der anderen Seite generiert wird, dass dieser Prozess abreißen sollte.

Geißler: Ende März wird die Stiftung für das Festspielhaus gegründet. Wie sieht das aus?

Mölich-Zebhauser: Die Stiftung, die dann die Betriebsgesellschaft des Hauses zu 100 Prozent von der Stadt übernehmen wird, startet zunächst mit dem recht geringen Kapital von etwa 5 Millionen Mark, aber mit hervorragenden Partnern. Es gibt Gespräche mit möglichen weiteren Stiftern und es ist absehbar, dass es uns gelingen kann und hoffentlich gelingen wird, innerhalb von drei Jahren ein relevantes Stiftungskapital von etwa 15–20 Millionen aufzubauen. Wenn man es etwas länger denkt, dann halte ich eine Größenordnung von 50 Millionen Mark überhaupt nicht für utopisch.

Geißler: Dann sind Sie alle Sorgen los?

Mölich-Zebhauser: Das ist richtig, dann gibt es eine Art Sicherheitsnetz. Und für die Jahre, wo es nach Plan gut läuft, sind die Stiftungserträge das Potenzial, welches den inhaltlichen Aufbau des Hauses beschleunigen wird. Das Geld wird es erlauben, beispielsweise mehr Opern als bisher in Koproduktionen oder sogar im Alleingang zu machen. Heute ist allerdings jede Oper auch bei mir noch völlig defizitär, obwohl ich ein wenig stolz darauf bin, dass wir derzeit einen Deckungsgrad über die Kartenerlöse von knapp 50 Prozent auch bei der Oper haben. Bei Konzert und Ballett schreiben wir schon schwarze Zahlen.

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