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2000/02
Inhaltsverzeichnis

Kulturpolitik
Editorial
Die Hauptstadt-Skandale
Baden-Baden scheint kuriert
Fundbüro: Kollegiale Nachrede

Portrait
Das Nordharzer Städtebundtheater

Tanztheater
Bilanz zur Münchner „Dance“-Biennale 2000

Bericht
Lady Di und Jud Süß

Service
Recht: Die Privatisierung als Umweg zur Theaterschließung?
Recht: Das Bundesarbeitsgericht zur Mitwirkungspflicht der Opernchöre
VdO: Öffentlicher Dienst - Vergütungsrunde 2000
VdO: Tarifverhandlungen NV Chor/Tanz
Buch: Der Chormusikführer von Harenberg
Buch: Sozialgeschichte des Opernhauses Lissabon

 

 

Editorial

Was Giuseppe Verdis Falstaff zur Berliner Kulturpolitik sagen würde, ist klar: Alles auf Erden ist nur Spaß und zu böser Letzt bleiben nur Gefoppte zurück, weil Torheit die Menschen verleitet, sich gegenseitig zum Narren zu halten. Das mit den Gefoppten mag ja zutreffen, ob es aber nur Spaß ist, wenn ein großstädtisches Publikum in der Deutschen Oper Berlin die Neuenfels-Interpretation des Nabucco niederbrüllt, der Kultur-Senator am Haushaltsrecht des Parlaments vorbei regiert, seine Nachfolgerin in später Erkenntnis ihrer Aufgaben lieber zurücktritt und der Regierende Bürgermeister seiner abgrundtiefen Skepsis der Kultur gegenüber Ausdruck verleiht und erklärt, er denke nicht daran, abgetanzte, abgelatschte Künstler durchzufüttern?

Die Probleme der Berliner Kulturpolitik sind hausgemacht und simpel: Zum ersten Male seit Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre, seit Schwarzem Freitag, Papen-Putsch und Machtergreifung, ist Berlin wieder eine ganz normale Großstadt, in der eine Landesregierung (noch ohne Brandenburg und daher nicht in Potsdam) und die deutsche Regierung ihren Sitz haben. Aber das will Berlins Kulturpolitik nicht wahrhaben. Die Großmannssucht der die Kultur missbrauchenden NS-Goldfasanen in der Welt-Hauptstadt des Großdeutschen Reiches, dann der Wettstreit zwischen der Insel hinter dem Eisernen Vorhang und der Hauptstadt der Deitschen Dem’krat’schen Re’plik, in dem Geld keine Rolle spielte – diese 60 Jahre haben sich ins Bewusstsein Berlins so tief eingegraben wie die Radspuren ins Pflaster der Straßen des römischen Imperiums.

Kulturpolitik in Deutschland vor 1933 war immer föderal; deutsche Kulturpolitik war die Summe kulturpolitischer Aktivitäten seiner Regionen, vor allem seiner Städte. In diesem föderalen Konzert hat Berlin, selbst nach 1871, niemals eine Art Stimmführerschaft innegehabt: Reichs-Reichtum und hohenzollernsche Repräsentationssucht ermöglichten zwar das besitzergreifende Sammeln, förderten aber nur selten Kreativität. Berlin war eine der bedeutenden Kulturstädte unter mehreren.

Selbst das gegenüber heute eine Million Einwohner mehr und ein vielfach höheres Steueraufkommen aufweisende Groß-Berlin der Zwanziger Jahre konnte kulturpolitisch nur mit Unterstützung Preußens und der Reichsregierung Glanz entfalten. Man blättere in den Berichten des Berliner Magistrats der endzwanziger Jahre: Das Privattheater-Imperium Max Reinhardts steuerte unaufhaltsam dem Konkurs entgegen und die Stadt konnte nicht helfen, die Hochkultur aber war von den „Vormals Königlichen, jetzt Preußischen Staatstheatern zu Berlin“ bestimmt. Berlins Hauptstadtkultur lebte von Preußen, das nicht mehr existiert – und da steckt das Problem.

Dieses Problem nicht erkannt zu haben, ist der unverzeihliche Fehler der zu Unrecht Kulturpolitiker geheißenen Filztuch-Strategen der ersten Jahre nach der Wende. Vernagelte Dummköpfe, die den Status quo der „beiden Berlins“ ästhetisierten und nicht einmal zur Vernunft kamen, als das Schiller-Theater – wie schon im Jahre 1932 – wieder einmal in privatwirtschaftliche Hand gegeben wurde. Ihren Nachfolgern ist allenfalls vorzuwerfen, mangels eigener Konzeption, selbst nach dem Hauptstadt-Beschluss des Deutschen Bundestages, einfach weiter gewurschtelt zu haben.

Gute Figur, fernab aller Narretei, macht nur Staatsminister Michael Naumann; er scheint erkannt zu haben, dass der Bund schrittweise die Rolle Preußens und des Reiches übernehmen muss, soll Berlin nicht seinen Politikern und damit der Provinzialität überlassen werden. Die Berliner, ob sie nun Diepgen, Schulze oder Müller heißen, werden sich mit dem Gedanken vertraut machen müssen, dass Berlins Hauptstadtkultur dann – wie weiland vom Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung – vom Staatsminister im Bundeskanzleramt bestimmt, weil finanziert wird. Das preußische Ministerium hatte übrigens beschlossen, mit der „Oper am Platz der Republik“ drei eigenständige Opernhäuser in Berlin zu unterhalten.

Ihr Stefan Meuschel

 

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