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Editorial

Doppel-Wumms?

Angesichts zurückgehender Corona-Infektionszahlen und einer Basisimmunität von 90 Prozent haben die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein jüngst beschlossen, die Isolationspflicht aufzuheben. Für alle, die krank sind, gibt es nur noch Empfehlungen. Darüber hinaus ist in Schleswig-Holstein der Vorstoß unternommen worden, die Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr abzuschaffen. Der Luftverkehr macht’s vor… Ist die Pandemie vorbei? Hoffen wir, dass wir im Winter nicht eines Besseren belehrt werden.

Gerrit Wedel. Foto: VdO.

Gerrit Wedel. Foto: VdO.

Auch im Theaterbetrieb sind die meisten Beschränkungen – zumindest für das Publikum - aufgehoben. Inwieweit die Zuschauer sich dadurch befreit fühlen, lässt sich noch nicht genau sagen. Auch wenn die sozialen Interaktionen, die zu einer Theaterrezeption gehören, nach der Aufhebung der Covid-19-Maßnahmen weitgehend wiederhergestellt sind, stellt sich die frühere Unbefangenheit offensichtlich noch nicht wieder richtig ein. Zumindest in den Zuschauerzahlen schlägt es sich offensichtlich noch nicht nieder, denn die große Mehrheit der Theater klagt nach wie vor über gravierende Ausfälle bei den Ticketverkäufen. Der Spruch „50% ist das neue Ausverkauft“ macht der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ zufolge in sarkastischen Theaterkreisen die Runde (und nicht als Zitat von Ralf Dörnen, s. Interview ab S. 7). Die Theater stehen vor dem Problem, in der (gerade eingeläuteten) Post-Corona-Phase wieder an die früheren Umsatzzahlen anzuknüpfen, ganz zu schweigen von dringend benötigten Steigerungen der Einnahmeerlöse.

Im Rahmen der pandemiebedingten Einschränkungen hat offensichtlich ein dramatischer Wandel hinsichtlich der Gewohnheiten gesellschaftlicher Aktivitäten stattgefunden. Viele haben sich ins Homeoffice zurückgezogen; sie da wieder herauszulocken ist die derzeit wichtigste Aufgabe für Theater, Festivals, Opernhäuser und sonstige Kultureinrichtungen. Kulturelle Teilhabe ist am häuslichen Bildschirm allein nicht zu haben. Sie erfordert gemeinsame Aktivität im Präsenzmodus. Dabei muss es auch darum gehen, über diejenigen nachzudenken, die man bislang noch nicht erreicht hat.

Insofern bemühen sich die Häuser nun auch mit neuen Strategien, das Publikum wieder ins Haus zu bekommen. So wirbt das Theater Hagen zum Beispiel mit einer 9-Euro-Flat pro Monat, die Düsseldorfer Oper bietet 8x „Zahl, so viel du willst“ für ausgewählte Vorstellungen, das Theater Vorpommern bietet mit dem „flotten Dreier“ 3 Karten für 27 Euro in drei Monaten.

Eigentlich interessante und sicher publikumsfreundliche Ansätze, jedoch auch nicht gänzlich unproblematisch für öffentlich getragene Unternehmen. Abgesehen von der rein rechtlichen Problematik stellt dies gerade im Hinblick auf die freie Theaterszene einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil im Ringen um die Zuschauergunst dar, denn das kann sich ein Unternehmen, das wirtschaftlich 100prozentig von eigenen Einnahmen abhängt, sicher nicht leisten. Und die verschiedenen kulturellen Institutionen sollten sich nicht gegenseitig ausspielen.

Umso wichtiger ist es, neue Wege zur Wiederbelebung der Zuschauerzahlen zu finden. Darauf sollte sich die Kreativität der Verantwortlichen richten, Publikumsorientierung, Attraktivität und Neugier müssen aktiviert, Konzepte hinterfragt, Analysen betrieben werden.

So hat das Institut für Kultur und Medienwirtschaft (IKMW) auf Einladung des Deutschen Bühnenvereins auf dessen Jahreshauptversammlung am Oldenburgischen Staatstheater am 10. Juni 2022 einen Workshop zum Thema „Audience Development“ durchgeführt; es war der meistbesuchte Workshop des siebenteiligen Workshop-Programms war. Im Rahmen der hierbei durchgeführten Bestandsanalyse standen drei Fragen im Mittelpunkt: „Wer kommt, wen kennen wir? Wen vermissen wir, wen wünschen wir uns? Wie und wo wollen wir sie suchen, finden, motivieren und binden?

Ein wesentlicher Teil der Erkenntnis war hierbei, dass der Kern von Audience Development tatsächlich publikumsorientierte Programmpolitik – inklusive innovativer partizipativer Formate und neuer Spielorte – verbunden mit einer adäquaten, möglichst personalisierten Kommunikation ist. Dem IKMW zufolge brauche es für die Zukunft weniger zusätzliche übergeordnete Forschungsprojekte, sondern einen auf konkrete Maßnahmen ausgerichteten Recherche-, Forschungs- und Entwicklungsprozess für zugleich kunstorientiertes und evidenzbasiertes Audience Development.

Klar, oder? Doppel-Wumms, dann brummt´s!

Gerrit Wedel

 

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