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Opernfreud und -leid in München
Opernfestspiele: „Tosca“ und „Die schweigsame
Frau“ · Von Christian Kröber Manchmal kann man sie durchaus miteinander vergleichen, die Welt
der Börse und die der Oper. Diese rasanten Berg- und Talfahrten,
optimistisch Rallye genannt, erleben nicht nur die Börsianer,
sondern manchmal auch das Opernpublikum. Und hier wie dort tut
man sich schwer mit Erklärungen, wobei es allemal leichter
ist, den Misserfolg nachzuvollziehen, als den Erfolg.
Bei den diesjährigen Münchner Opernfestspielen standen
zwei Neuinszenierungen auf dem Spielplan, deren Ergebnisse unterschiedlicher
nicht sein könnten und die den objektiven Beobachter dieses
traditionsreichen Hauses einigermaßen verwundert zurückließen.
Der große Auftakt des Münchner Festspielsommers sollte
mit „Tosca“ stattfinden. Alle Zutaten waren auf den
ersten Blick von bester Qualität. Die Inszenierung in den
Händen des kundigen Luc Bondy, im Orchestergraben der verismo-erfahrene
Fabio Luisi – und erst die Besetzung! Jonas Kaufmann, direkt
von den Bayreuther „Lohengrin“-Proben nach München
enteilt, als Mario Cavaradossi sowie Karita Mattila als Tosca und
Juha Uusitalo als Scarpia.
Doch dann öffnet sich der Vorhang und wir fühlen uns
zurückversetzt in die Hochzeit von Plüsch und Plunder.
Der ers-te Akt – wie vor 30 Jahren unter Götz Friedrich – in
naturalistischer Nachbildung der römischen Kirche Sant‘ Andrea
della Valle. Von Personenregie keine Spur, dafür die alten
Kalauer vom hinkenden Mesner bis zu den frechen Ministranten. Der
zweite Akt, in dem der dämonische Scarpia im Mittelpunkt stehen
sollte, zerfällt in puzzle-artiges Stückwerk und reduziert
diesen Puccini‘schen Ur-Bösewicht auf das Format des
lüsternen Wüstlings. Da wundert es schon nicht mehr,
dass der dritte Akt mehr in Hollywood, als auf einer Opernbühne
des 21. Jahrhunderts spielt.
Leider konnte dieses Mal auch die musikalische Seite die Schwächen
der Regie nicht ausgleichen. Jonas Kaufmann gab sich alle Mühe,
seinen Cavaradossi leuchtend strahlen zu lassen, klang aber häufig
zu baritonal gefärbt und die Tosca der Karita Mattila kämpfte
sich müde ab am forciert aufspielenden Münchner Orchester.
Affekte, Leidenschaften, Wollust und Willkür, Gefühle
die für Puccinis Tosca stehen, suchte man in dieser Aufführung
leider vergebens.
Knappe drei Wochen später dann „Die schweigsame Frau“ von
Richard Strauss im Prinzregententheater. Das letzte Mal in München
gegeben unter Wolfgang Sawallisch in den 1970er-Jahren mit einer
aus dem Hause heraus rekrutierten Traumbesetzung, wie Kurt Moll,
Martha Mödl, Donald Grobe und Reri Grist. Eine komische Alters-Oper,
geboren in politischen Zwistigkeiten. Eine allzu freimütige
briefliche Äußerung des gut 70-jährigen Komponisten
beendete die Vorkriegs-Karriere dieses Stückes bereits nach
zwei Aufführungen. Angetreten waren nun der australische Regisseur
Barrie Kosky, ab 2012 Intendant der Komischen Oper Berlin, und
Münchens – scheidender – Generalmusikdirektor
Kent Nagano. Zu berichten ist von einer Aufführung, die den
Titel „Komische Oper“ leicht und ernst zugleich genommen
hat. Selten kann man erleben, dass das Publikum bei Opern von Richard
Strauss in humoristische Verzückungen gerät, wie dies
in München der Fall war.
Die Inszenierung ist ein wenig rüschig und grell, fast operettenhaft.
Das schadet jedoch nur manchmal, wenn des Komponisten selige Erinnerungen
an „Ariadne“ oder den „Rosenkavalier“ zu
vordergründig nachgezeichnet werden. Gespannt war man auf
die Aminta der Diana Damrau – und wurde nicht enttäuscht:
Dass sie Koloraturen, leicht wie ein Vögelchen im Morgenwind
zu singen versteht, wussten die Münchner bereits seit ihrer
fabelhaften Zerbinetta. Doch in der „Schweigsamen Frau“ durfte
auch ihr großes schauspielerisches Talent zur Entfaltung
kommen. Neben Franz Hawlata (Sir Morosus) und Toby Spence (Henry
Morosus) war sie der gefeierte Mittelpunkt der komödiantischen
Schauspielertruppe. Kosky gelang daneben etwas, worum sich Regisseure
selten bemühen, er gab dem Chor und seinen Mitgliedern ein
individuelles Gesicht. Andrés Máspero (Leitung) freute
sich sichtlich über die Leistungen und den Applaus für
seine Truppe, die das Theater auf dem Theater (Bühne und Kostüme:
Esther Bialas) sichtlich genoss.
Christian Kröber |