|
Spielen für das Publikum
Gespräch mit dem Intendanten des Regensburger Theaters, Ernö Weil Theo
Geißler: Ernö Weil, seit acht Jahren Intendant
des Stadttheaters Regensburg, ein Vier-Sparten-Haus: Auf welchen
Fundamenten steht die Finanzierung dieses Hauses?
Ernö Weil: Unsere Finanzierung
ist aus drei Elementen zusammengesetzt: Das ist zum einen die des
Trägers, der Stadt Regensburg mit
rund 10 Millionen Euro, dann eine Förderung durch den Freistaat
Bayern in der Höhe von 4,2 Millionen, und dann ein ganz beachtliches
Eigeneinspielergebnis: mit rund 18 Prozent des Gesamtetats, also
2,7 Millionen, so dass wir über knapp 17 Millionen verfügen
können, eine gute Basis.
Geißler: Wie sehen Sie Ihr „standing“ als wichtiger
Kulturbetrieb in der Stadt Regensburg?
Weil: Dieses „standing“, wie Sie es bezeichnen, ist
hier ein entscheidender Faktor. Man muss immer sagen – das
ist auch meine persönliche Einstellung – ich spiele
für mein Publikum. Und ich finde das auch nicht unehrenhaft,
sondern existentiell notwendig. Ich habe in Regensburg einen sehr
großen Rückhalt. Den haben wir uns auch in den vergangenen
acht Jahren meiner Intendanz erarbeitet. Ich bin sehr stolz darauf,
dass ich ein ständig wachsendes Abonnenten-Potenzial habe – auch
in schlechter werdenden Zeiten – mit ca. 5.200 Abonnenten.
Die hege und pflege ich für unseren Spielplan, nicht weil
sie eine Beruhigung sind, sondern weil sie ein Rückgrat darstellen.
Für mich ist jede bei uns gekaufte Karte eine politische Abstimmung,
auch für die Existenz des Hauses. Geißler: Wie sind die Abonnenten
sozial oder auch altersmäßig
ungefähr geschichtet?
Weil: Ich weiß vor allem, dass wir ein sehr gut gemischtes
Publikum haben. Es ist immer so, dass uns die jungen Leute mit
dem Beginn der Ausbildung, also ab 21 Jahren, als Abonnenten zunächst
verloren gehen, und meistens erst, wenn sie ihre Familien gegründet
haben, und die Kinder auch aus dem Gröbsten heraus sind, mit
40 wieder Abonnenten werden. Trotzdem, wenn ich jetzt den Theaterbesuch
sehe, ist es eine erfreulich gute Mischung.
Geißler: Nun jammern ja alle
Kommunen unter Einsparungszwängen,
die unsere so genannte Wirtschaftskrise mit sich bringt. Die Kommunen
sind ganz besonders stark betroffen durch den Einbruch der Gewerbesteuern.
Da scheint sich die Entwicklung Ihres Hauses allerdings antizyklisch
zu bewegen, wenn Sie sich über steigende Abonnentenzahlen
freuen können. Andererseits: Wie stabil sind die Zuschüsse
der Stadt und des Freistaates? Weil: Sie sagten antizyklisch.
Ich hatte gerade vorgestern erst eine Zusammenkunft mit bayerischen
Intendanten. Es ist erfreulich,
dass wir auch an anderen Häusern, sei es Augsburg, sei es
Nürnberg, allgemein zunehmende Besucherzahlen haben. Die andere
Sache ist die Finanzierung. Es ist nicht so, dass wir in Regensburg
auf der Insel der Glückseligen leben. Die Stadt, das muss
ich hier vermerken, hat immer eine sehr positive Einstellung zum
Theater gehabt, insbesondere unser Verwaltungsratsvorsitzender
Hans Schaidinger. Als ich hier die Intendanz übernahm, hatte
das Haus eine Million Euro Defizit. Da war es die Stadt Regensburg
unter OB Schaidinger, die ganz spontan die Sicherung zugesagt und
dies auch gehalten hat.
Außerdem haben wir mit einer klugen Spielplanpolitik beim
Besucher Vertrauen erworben. Vertrauen ist das Entscheidende zwischen
Kunde und Partner. Wir konnten so unsere Pläne immer einhalten,
wir haben keine Nachtragshaushalte einreichen müssen.Im Gegenteil,
wir konnten Rücklagen bilden. Allerdings habe ich vom Verwaltungsrat
die Vorgabe, nach der Not-Hilfe von 2002/2003 so zu verfahren.
Wenn man sagt, hier ist eine Subvention der Stadt von 10 Millionen,
dann sind es de facto vielleicht nur 9,6 Millionen oder 9,7 Millionen,
und der Rest wurde bereits auf die hohe Kante gelegt für schlechte
Zeiten. Dass wir manchmal durch ein gutes Einspielergebnis auch
einen höheren Rücklagebetrag hatten, war erfreulich,
aber man darf auch eines nicht vergessen: Wir sind in unserem historischen
Haus räumlich sehr beengt, wir haben zwei externe Probebühnen,
unsere Werkstätten sind aushäusig, unsere Dramaturgie
ist aushäusig, das heißt, wir haben sehr viele Immobilien,
wir bauen im Moment gerade wieder eine Immobilie um, und dafür
sind diese Rücklagen dann auch nötig. Wenn die Energiekosten
steigen – und sie steigen ständig –, wenn die
Versicherungen steigen – und sie steigen ständig –,
dann muss das aus unseren Rücklagen finanziert werden. Ferner
erwarten wir für 2011 eine Reduzierung der Subvention des
Trägers um 500.000 Euro. Wenn ich dann keine Rücklage
hätte, hieße das de facto: zwölf Positionen einsparen,
und da kann ich nur bei den Solisten reduzieren. Das hieße
dann, wirklich eine Sparte in Frage zu stellen, und deshalb ist
es klug gewesen, diese Rücklagen zu schaffen.
Geißler: Ein kleiner Sprung
zurück. Stichwort: Kluge
Spielplanpolitik. Was bedeutet das beispielsweise für die
Sparte Musiktheater?
Weil: Zum Beispiel gibt es am 24.
April eine Opern-Uraufführung
von Franz Hummel, ein Kompositionsauftrag. Wenn eine Staatsoper
so etwas macht, dann spielt sie das Werk drei oder vier Mal. Bei
uns wird eine Uraufführung, genau wie eine „Tosca“ oder
wie ein „Eugen Onegin“, 12 bis 15 mal gespielt. Das
bedeutet für uns ein geringeres Besucheraufkommen. Deshalb
bin ich sehr froh, dass ich eine „My Fair Lady“ habe,
von der ich nicht nur 20, sondern, ich glaube es sind mittlerweile
erfreulicherweise mehr als 40 Vorstellungen, verkaufen kann, oder
eine „Tosca“, die entsprechend Publikum anzieht. Keiner
wird in der Stadt zufrieden sein, wenn man sagt, man macht Kunst,
aber das Haus bleibt leer.
Geißler: Stichpunkt Einsparungen.
Der Oberbürgermeister
Hans Schaidinger hat ja gesagt, es geht im Moment nicht ums Sparen,
sondern ums Kürzen. Wenn ich jetzt von 500.000 Euro höre,
um die Sie Ihren Etat zurückfahren müssen, dann ist das
eine Kürzung, die weh tut. Sie haben gesagt, dass davon allenfalls
die Solisten betroffen wären. Wie sieht es aus mit den Kollektiven,
dem Chor, dem Ballett, die ja, zum Teil zumindest, tarifvertraglich
abgesichert sind?
Weil: Das ist glücklicherweise hier sehr vernünftig geregelt.
Die entsprechenden Tarif-erhöhungen werden in einem nicht
kompletten, aber sehr weiten Umfang vom Träger übernommen.
Wenn das nicht der Fall wäre, wäre das Haus absolut gefährdet.
Das heißt, die jährlichen Tarifanhebungen sind gesichert,
und insofern ist das Haus auch nicht infrage gestellt.
Geißler: Wie sieht es im
Bereich der Nachwuchspflege beim Publikum aus, da haben Sie Ihrem
Haus ja einen konkreten Bildungsauftrag
verordnet?
Weil: Diesen Bildungsauftrag nehme
ich nicht nur sehr ernst, er ist auch ein persönliches Anliegen
von mir. Seit ich 2002 nach Regensburg gekommen bin, und auch schon
in der Vorbereitung
meiner Intendanz, habe ich immer wieder darauf hingewiesen, dass
dieses Haus ein Kinder- und Jugendtheater brauche, und zwar nicht,
weil wir so gerne Theater spielen, sondern weil sich etwas verschoben
hat. In meiner Generation, ich bin Jahrgang ’47, war es noch
so, dass man durch die Eltern ins Theater gekommen ist, dass man
deren Abonnement eventuell übernommen hat. Wir wurden in der
Schule intensiv – nicht nur im Deutschunterricht – mit
Literatur konfrontiert, und wir sind sehr viel ins Theater gegangen.
Diese Situation in Familie und Schule hat sich in ganz entscheidenden
Bereichen absolut verändert. Hier ist jetzt das Theater selbst
gefragt. Kinder und Jugendliche sind erst einmal alle theaterbegeistert.
Deshalb
muss man ihnen auch die Chance geben, Theater kennenzulernen. Und
das darf sich nicht aufs berühmte Weihnachtsmärchen
reduzieren. Entscheidend ist eine kontinuierliche Arbeit. Deshalb
haben wir unsere bestens gepflegte vierte Sparte. Das begann intensiv
vor drei Jahren, und wurde sehr stark unterstützt von den
Kollegen des Philharmonischen Orchesters, die mit ausgefeilten
Musikprogrammen weit bis in die Oberpfalz gefahren sind. Wir sind
in Kindergärten gegangen, in Schulen, wir machen speziell
konzipierte Konzerte. Wir haben noch keine eigene Spielstätte,
arbeiten provisorisch auf unseren Probebühnen und auf angemieteten
Flächen. Personell haben wir in den letzten Jahren immerhin
ein Kinder- und Jugendtheater mit einer Kinder- und Jugendreferentin,
mit einer Regisseurin, die das Ganze auch begleitet, auf die Beine
gestellt. Das ist schon eine richtige Abteilung geworden. Ich bin
der Meinung, dass hier die Stadt in die Pflicht genommen werden
muss. Die 500.000 Euro, die man dem Theater wegnimmt, sollte man
spezifisch in diese Projekte investieren. Denn ich bin überzeugt
davon, dass es gut wäre, kulturelle Jugendbildung präventiv
zu leis-ten, statt in späteren Jahren diese Mittel für
Resozialisierungsmaßnahmen einsetzen zu müssen, deren
Erfolg oft genug fragwürdig ist und die oftmals zum Scheitern
verurteilt sind.
|