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Sparen oder Kürzen?
Ein Gespräch mit dem Regensburger Oberbürgermeister Hans Schaidinger
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Kulturpolitik

Sparen oder Kürzen?

Ein Gespräch mit dem Regensburger Oberbürgermeister Hans Schaidinger

Wirtschaftkrise und Steuerreform: Zwei Stichworte, die für die Finanzen der deutschen Kommunen entscheidende Bedeutung haben. Und damit auch für die Kulturausgaben der Kommunen, die in die Rubrik der „Freiwilligen Leistungen“ fallen und daher in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gerne gekürzt werden. „Oper & Tanz“ fragt nach: Bei Intendanten ebenso wie bei verantwortlichen Kommunalpolitikern. Wie steht es mit der Kultur, speziell mit der Theaterkultur in den Kommunen? Wir beginnen mit der Stadt Regensburg, wo wir den Oberbürgermeister Hans Schaidinger befragten, der gleichzeitig Vorsitzender des Bayerischen Städtetags ist. Ein zweites Gespräch gab es mit dem Intendanten des Regensburger Theaters, Ernö Weil. Die Interviews führte Theo Geißler.

Theo Geißler: Die erste Frage geht an den Vorsitzenden des Bayerischen Städtetags: „Den Letzten beißen die Hunde“, heißt es. „Die Letzten“ sind zurzeit wohl die Kommunen, die nicht nur unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise, sondern auch unter der Steuerreform der neuen Bundesregierung leiden müssen. Wie geht es den bayerischen Kommunen?

 
Oberbürgermeister in Regensburg Hans Schaidinger. Foto: Stadt Regensburg
 

Oberbürgermeister in Regensburg Hans Schaidinger. Foto: Stadt Regensburg

 

Hans Schaidinger: Die Kommunen sind chronisch unterfinanziert. Das kann man aber auch nicht dadurch reparieren, dass man Konjunkturunabhängigkeit verlangt. Die Kommunen können doch nicht verlangen, dass ihre Steuereinnahmen immer gleich bleiben. Mit Schwankungen muss man zurechtkommen. Die Kommunen, die immer dasselbe Geld haben wollen, legen die Axt an den Baum der kommunalen Selbstverwaltung. Sie müssten dann staatliche Zuweisungen akzeptieren. Das kann es wohl nicht sein.

Es stellt sich allerdings die Frage: Wie gehe ich mit einer Situation wie der jetzigen um? Insbesondere dann, wenn der Bund noch mit dem Füllhorn umgeht. Wir sind bereit, die Auswirkungen der Krise, soweit sie uns betreffen, zu bewältigen. Aber ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass der Bund in einer solchen Situation auch noch Entscheidungen trifft, die in die andere Richtung gehen.

Geißler: Jetzt gibt es vom Deutschen Kulturrat den Vorschlag, dass eine Art Nothilfefond Kultur eingerichtet werden soll. Wenn das verfassungsrechtlich möglich wäre – das wird gerade geprüft –, wäre das etwas, das Sie begrüßen würden?

Schaidinger: Ich bin eher ein Freund von Lösungen, nicht von Notnägeln. Die Kommunen sind strukturell unterfinanziert, wir brauchen eine Finanzreform – und zwar auf der Einnahmenseite wie auf der Ausgabenseite –, die uns klar sagt, welches unsere Aufgaben sind, wie der Finanzierungsbedarf für diese Aufgaben ist und welche Einnahmen wir brauchen, um diesen Finanzierungsbedarf abdecken zu können. Wer mit Fonds nur Löcher stopft, verliert meistens die generelle Lösung aus dem Blick. Die verfassungsrechtliche Frage, die jetzt geprüft wird, ist eigentlich relativ einfach. Wir haben seit der Föderalismuskommission I die Regelung, dass der Bund den Kommunen unmittelbar keine Aufgaben und keine Finanzen mehr zuweisen darf. Man sollte die Verfassung nicht immer unterlaufen.

Geißler: Im Westen und im Norden der Republik geht es verschiedenen Kommunen schon ziemlich schlecht, massive Eingriffe in die kommunalen Haushalte sind erforderlich. Wie sieht es in Bayern aus, drohen da auch „Spar-Rasenmäher“?

 
„Eugen Onegin“ in Regensburg mit Seymur Karimov als Eugen Onegin, Jasmin Etezadzadeh als Olga Larina, Silvia Fichtl als Gutsbesitzerin, Bianca Koch als Tatjana, Berthold Gronwald als Triquet. Foto: Juliane Zitzlsperger
 

„Eugen Onegin“ in Regensburg mit Seymur Karimov als Eugen Onegin, Jasmin Etezadzadeh als Olga Larina, Silvia Fichtl als Gutsbesitzerin, Bianca Koch als Tatjana, Berthold Gronwald als Triquet. Foto: Juliane Zitzlsperger

 

Schaidinger: Das Wort „Sparen“ ist in diesem Zusammenhang fehl am Platze. Kommunen sind per se sparsam. Sparen ist etwas anderes als das, was wir jetzt tun müssen: Jetzt müssen wir kürzen. Sparen ist etwas Absichtsvolles und hat etwas damit zu tun, effizient zu wirtschaften. Kürzen ist etwas, das man gegen seine Überzeugung tut, und wir müssen momentan städtische Ausgaben gegen unsere Überzeugung kürzen. Das beginnt bei der Reparatur von Straßen und endet noch lange nicht bei unterlassenen Zuwendungen für die Sozialinfrastruktur oder die kulturelle Infrastruktur in den Städten. Wir müssen momentan kürzen und das ist schlimm!

Geißler: Wenn man jetzt bei Kultureinrichtungen spart, ich spreche auch vom Theater Regensburg, dann schleift man Strukturen, die so schnell nicht wieder aufzubauen sind.

Schaidinger: Ja, das ist richtig, darum machen wir das ja nicht, im Gegenteil. Ich wende mich gegen diesen ständigen Reflex, der da heißt: Bei der Kultur darf man nicht sparen – und bei der Kultur wird immer zuerst gespart. Beides stimmt nicht. Wenn ich in einer Stadt kürzen muss, dann muss ich überall kürzen. Es gibt keinen Bereich, den ich ausnehmen kann. Ich kürze aber auch nicht zuerst und nicht überproportional bei der Kultur. Das Theater Regensburg ist ein gutes Beispiel für die Frage, wie man mit einer wichtigen Kulturinstitution umgeht. In der letzten Finanzkrise 2003/04 haben wir überall stärker gekürzt als beim Theater. Inzwischen haben wir beim Theater – was viele Kommunen nicht machen – sogar finanzielle Rücklagen. Wir können es uns jetzt also leisten, hier genauso zu kürzen wie anderswo, weil das Theater damit immer noch mehr „Speck auf den Rippen“ hat als andere.

Geißler: Sie sind ja als Chef des Verwaltungsrates sozusagen der Superintendant. Das Theater ist eine Tochtergesellschaft der Stadt. Hat es sich bewährt, diese Institution aus dem kameralistischen System herauszunehmen?

Schaidinger: Das hat sich hervorragend bewährt. Einen Theaterbetrieb im normalen kameralen Haushalt zu führen bringt eine Menge Probleme. Sie müssen im Theater schnell und flexibel entscheiden können, Sie müssen bestimmte Entscheidungen auch außerhalb der Verwaltung treffen können. Ich glaube, dass sich das Theater die kameralen Zeiten bestimmt nicht zurück wünscht. Dazu kommt, dass wir erst durch die kaufmännische Rechnungslegung, die wir jetzt im Kommunalunternehmen haben, ein zutreffendes wirtschaftliches Bild des Theaters zeichnen können.

Geißler: Wenn Sie das Theater als einen städtischen Leistungsträger im Kulturbereich sehen: Wo soll es hingehen? Was wünschen Sie sich als Oberbürgermeister vom Theater? Gibt es Vernetzungen mit anderen Kulturinstitutionen der Stadt, die Sie für sinnvoll hielten?

Schaidinger: Das Theater macht ja ohnehin schon eine Menge. Bis vor drei Jahren hatten wir ein Drei-Sparten-Theater. Jetzt ist daraus ein Vier-Sparten-Theater geworden – und das in Zeiten, in denen andere ihre Theater zusperren. Wir sollten auch einmal darüber reden, was wir in Regensburg mit diesem Theater geschafft haben. Wir haben das Theater auf sichere wirtschaftliche Füße gestellt, es hat Rücklagen und kann selbstständig wirtschaften. Es vernetzt sich mit anderen, hat zwei große Spielstätten und bespielt weitere drei, vier oder sogar fünf Spielstätten. Wenn wir das Theater Regensburg heute mit dem vor 15 Jahren vergleichen, dann sehen wir, dass es in dieser Zeit nie darum gegangen ist zu reduzieren, sondern dass es uns in diesen 15 Jahren gelungen ist, die Möglichkeiten – auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten – des Theaters auszubauen. Dieser Ausbau muss als Erfolg zur Kenntnis genommen werden, ebenso wie die Tatsache, dass ein weiterer Ausbau derzeit nicht machbar ist.

Geißler: Zum Schluss eine Gretchenfrage: Wie hält es der Oberbürgermeister mit dem Musiktheater? Gibt es vielleicht das eine oder andere Stück, das er sich wünschen würde, in Regensburg mal anzusehen oder anzuhören?

Schaidinger: Natürlich gibt es Wünsche, aber wir sind nicht Bayreuth. Ich kann mir vieles wünschen, aber ich bin schon sehr froh und sehr dankbar, dass dieses Theater bei vielen Produktionen an seine Grenzen geht. Wir machen insgesamt etwa 25 Produktionen in einem Jahr. Wir haben eine große Vielfalt beim Musiktheater, vom Musical bis zur großen Oper. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Theaters gehen oft an die Grenzen des Möglichen.

Es geht nicht darum, was ich mir wünsche. Ich wünsche mir, dass diese Bereitschaft, bis an die Grenzen des Machbaren zu gehen, bestehen bleibt. Vielleicht sollte man in Deutschland einfach mal konstatieren, dass es solche Anstrengungen gibt. Dann muss man damit auch einfach mal zufrieden sein und nicht ständig Neues fordern.

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