Die Songtexte aus der Feder des amerikanischen Humoristen Ogden Nash sind voller Wortspiele, witziger Gedankensprünge und Anspielungen – und damit im Prinzip unübersetzbar. Die Dessauer Aufführung belässt sie im englischen Original und übersetzt die Dialoge ins Deutsche. Bis zu einer kongenialen Nachdichtung bleibt dies eine sinnvolle Lösung, doch leider geht damit eine Unmenge an Pointen verloren. Trotzdem trifft die Aufführung in Dessau einen Nerv. Ein Foto des Venustempels aus dem nahen Wörlitzer Gartenreich ziert das Programmheft, und gleich die erste Szene in Mr. Savorys privater Kunstakademie lässt einen die lebendige Dessauer Bauhaus-Tradition assoziieren. Doch wenn der Immigrant Weill in seinem Musical ein liebevoll-ironisches Bild seiner neuen Heimat New York zeichnet, wird einem auch die ungewisse Zukunft der schrumpfenden Stadt Dessau bewusst: Das im Februar aus der akuten Finanznot geborene Sparpapier der Stadtverwaltung setzt die letzten Reste von Urbanität aufs Spiel. Die zehn Tage Weill-Fest waren sichtlich und unüberhörbar begleitet von Ratlosigkeit und Bürgerzorn, aber auch verhaltene Hoffnung und kreative Unruhe waren zu spüren. Gerade vor diesem Hintergrund beeindruckte die Leistung des Anhaltischen Theaters. Imme Kachels Ausstattung beließ das Stück stilvoll in der Entstehungszeit und nutzte dabei effizient die Drehbühne. Klaus Seifferts Inszenierung vermochte nur teilweise zu überzeugen. Die Personenführung war eher schwach; oft wurden witzige Dialoge verschenkt und komische Nebenfiguren ins Lächerliche verzeichnet. Vor allem am Ende, in der stringenten Ballettnummer „Venus in Ozone Heights“, flackerte aber doch satirischer Biss auf. Vielseitig und einsatzfreudig zeigte sich das von Mario Mariano choreografierte Ballettensemble des Anhaltischen Theaters. Zusammen mit den Studentinnen und Studenten der Sparte Musical an der Berliner Universität der Künste, den Damen und Herren des Opernchors und den 18 Solisten fügten sich die Tänzerinnen und Tänzer zu einem einzigen großen Ensemble, bei dem man kaum mehr erkannte, wer zu welcher Gruppierung gehörte. Unter dem englischen Gastdirigenten James Holmes realisierte die Anhaltische Philharmonie das zwischen verschiedensten amerikanischen und europäischen Facetten changierende Klangbild schwungvoll, farbig und nuanciert. Ute Gfrerer gab mit gut tragender Stimme und klarer Artikulation eine charmante und schlagfertige Venus; Angus Wood zeichnete die Wandlung des kleinen Friseurs stimmlich und darstellerisch überzeugend nach, während Ulf Paulsen weder den Zynismus des reichen Kunstsammlers noch die darunter verborgene Verletzlichkeit so recht zu fassen bekam. Am Ende des Stückes lässt die entschwundene Venus ihrem verlassenen Liebhaber eine junge Frau aus Ozone Heights begegnen, die ihr zum Verwechseln ähnlich sieht. Diese Andeutung von Happy End war 1943 eine Konzession an das Publikum. Sie zeigt aber deutlich, worauf es im Kern hier und heute – nicht nur in Dessau – ankommt: Sich überhaupt von Kunst berühren zu lassen. Andreas Hauff
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