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Verzweifelte Hausfrauen

„Don Giovanni“ in Bremen · Von Bettina Beutler-Prahm

„Musikjournalismus in Online- und Printmedien“ – Kann man damit Geld verdienen, was macht man da genau, und wie zum Teufel schreibt man eigentlich eine Musikrezension? Letzteres konnte in dem aktuellen Seminar am Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik der Universität Bremen durch den Besuch der Opernpremiere „Don Giovanni“ in Bremen und einer beispielhaft für „Oper & Tanz“ geschriebenen Rezension auch praktisch geübt werden. Wir danken der Redaktion für den Abdruck des Textes von Bettina Beutler-Prahm.

 
Alberto Albarrán, Jacqueline Davenport, George Stevens, Nadine Lehner, Juan Orozco und Chor. Foto: Jörg Landsberg
 

Alberto Albarrán, Jacqueline Davenport, George Stevens, Nadine Lehner, Juan Orozco und Chor. Foto: Jörg Landsberg

 

Die Bremer Inszenierung von Andrea Moses tritt mit dem Anspruch an, „den ‚Wüstling‘ Don Giovanni aus der Perspektive der auf ihn fixierten Frauen unter die Lupe“ nehmen zu wollen – den begnadeten Verführer, der am Ende seiner Karriere seinem Register mit möglichst vielen sozialen Regelverstößen immer mehr Frauen hinzufügen muss, um gegen die innere Leere anzukämpfen. Die Botschaft hört man wohl – allein, es hapert an der Umsetzung. Das von Christian Wiehle entworfene gläserne Motel mit Bar, Garagen und Ausverkaufsreklame im Parterre sowie monoton eingerichteten Schlafzimmern im Obergeschoss fing die deprimierende Grundstimmung bereits während der Ouvertüre brennpunktartig ein – diesem Ambiente mit seinem drehbaren Einheitsbühnenbild entkamen die Protagonisten während des gesamten Handlungsverlaufs nicht mehr.

Die weitere Umsetzung der Idee stellte sich jedoch zunehmend wie ein einziger großer Irrtum dar. Gemeinsam mit dem Protagonisten wurde der Zuschauer auf Sinnsuche zum Ausgleich der im Programmheft beschworenen „tief empfundenen Leere“ geschickt. In der auf Bewegungstheater in jeder Hinsicht setzenden Inszenierung reihten sich durchaus witzige Einfälle wie beispielsweise eine die Registerarie Leporellos begleitende iPhone-Diashow an belanglose Peinlichkeiten zur Überbrückung interpretatorischer Inkonsistenzen und Einfallslosigkeit. Niemand hielt jemals still, alle zappelten oder turnten entweder herum oder mussten sich in die Musik karikierende Tanzeinlagen fügen – die Frauenriege als „desperate housewives“.

Die Verulkung der Protagonisten war stellenweise durchaus kurzweilig und vergnüglich, das Premierenpublikum amüsierte sich entsprechend und sparte nicht mit Szenenapplaus. Andrea Moses gibt in ihrer Inszenierung den komischen, leichten Elementen der Oper ihren Raum, versagt aber letztlich bei der Interpretation der menschlichen Tragik; Passagen wie beispielsweise Donna Annas Trauer über den getöteten Vater oder ihre wiederholte Zurückweisung Don Ottavios wurden mit bestenfalls humorvollen, im Übrigen platten, küchenpsychologischen Aktionen gefüllt. Erst im zweiten Finale konnte mit dem Auftritt des Komturs die der Musik innewohnende dramatische Tiefe und letztlich auch Ruhe einkehren.

Die von GMD Markus Poschner vorgelegten zügigen Tempi forderten die Sänger vor allem in den Arien. So machte sich stellenweise Gehetztheit breit und ließ die Intonation der Sänger steigen, was vor allem die im Übrigen mit warmem Klang zauberhaft gesungenen Arien von Luis Olivares Sandoval als Don Ottavio beeinträchtigte. Auch der für die dramatischen Passagen der Donna Anna letztlich zu leicht und hoch timbrierte Sopran von Sara Hershkowitz verstärkte den bereits durch die Personenführung hervorgerufenen Eindruck einer gewissen Rastlosigkeit. Der Zerlina, von Nadine Lehner mit rundem, flexiblem Stimmklang und großen schauspielerischen Fähigkeiten dargestellt, erlegte die Regie eine dermaßen routinemäßige Erotik auf, dass es schwerfiel, ihr die Rolle abzunehmen. Dies tat der erfreulichen musikalischen Leistung des jungen Alberto Albarrán als Masetto jedoch keinen Abbruch. Das Orchester, das mit historisch informiertem Zugriff musizierte, ließ die Feinheiten der Partitur gekonnt hindurchschimmern, ohne dabei über sich hinauszuwachsen, der Chor präsentierte sich bei seinen wenigen Auftritten souverän.

Wirklich gelungen wirkte die Aufführung eigentlich nur an den Stellen, in denen sich die Regie so weit zurücknahm, dass die im musikalischen Werk angelegte Dramaturgie zum Zuge kommen konnte, vor allem bei den Auftritten des Komturs und den rezitativischen Wortgefechten zwischen Don Giovanni und Leporello. Das Regiekonzept lässt die Handlung durch permanente Privatisierung jedoch häufig buchstäblich ins Leere laufen: So muss der Komtur im zweiten Finale ziemlich unvermittelt auftreten und sich auf den Souffleurkasten stellen, um zum steinernen Gast und damit den Vorgaben des Librettos gerecht zu werden. Dies sowie die stellenweise Missachtung der Musik durch Dazwischenreden und absichtliches Falschspielen grenzt an Respektlosigkeit gegenüber dem Werk, die eigentlich über das hinausgeht, was erforderlich wäre, um das Stück zu entstauben und neue, interessante Aspekte zu beleuchten. Es mag durchaus sein, dass die Intentionen lauterer waren – so wie sich der Don Giovanni an diesem Abend präsentiert hat, bleibt jedoch der unangenehme Eindruck, die Regie habe die Oper missbraucht, um das Publikum auf Kosten des Stückes zu amüsieren.

Bettina Beutler-Prahm

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