Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Neubrandenburg/Neustrelitz
Man muss sicher auf festem Boden gehen können,
ehe man mit
dem Seiltanzen beginnt.“
Henri Matisse Die Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz steht
vor einer ungewissen Zukunft. Eine Mittelkürzung von 900 000
Euro, die die Stadt Neubrandenburg veranlasst hat, bringt die Finanzierung
der GmbH seit Januar in eine bedrohliche Schieflage. Ein zum Ende
des Jahres 2009 ausgelaufener Haustarifvertrag soll nicht neu verhandelt
werden. Die derzeit noch 21 Gesellschafter begründen diese
Entscheidung mit der anstehenden Kreisgebietsreform 2011. Ein neues
Modell, das die Umverteilung der Gesellschaftsanteile kleinerer
Kommunen auf die Landkreise vorsieht, ist auf den Weg gebracht.
Von den derzeit 21 Gesellschaftern bleiben dann die Kreise Mecklenburg-Strelitz,
Müritz, Demmin und Uecker-Randow sowie die Stadt Neubrandenburg
in der Verantwortung („4 plus 1“).
Laut einer Presseerklärung der SPD-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern
vom Dezember 2009 ist vorgesehen, dass „bei der Theaterfinanzierung
im Land künftig Leistung stärker belohnt wird. Wer sich
insbesondere um eigene Einnahmen bemüht und wer besonders
viele zahlende Zuschauer erreicht, erhält künftig auch
mehr Geld. Bei der Finanzverteilung wurden die leistungsbezogenen
Anreize um insgesamt 15 % gestärkt. Zweitens kommen wir an
einer stärkeren Zusammenarbeit der Theater einfach nicht vorbei
- ob in Form von Kooperationen oder Fusionen. Wichtig hierbei ist
aber, dass stets die Qualität der kulturellen Angebote im
Vordergrund stehen muss.“
Nach dem Kompromiss der Koalitionäre soll die Grundfinanzierung
der großen Mehrspartentheater auf 40 % abgesenkt (bisher
50 %), dafür jedoch zu jeweils 25 % auf alle Standorte verteilt
werden. Auch die Berücksichtigung der Einwohnerzahlen bei
der Finanzverteilung geht um 5 % zurück. Im Gegenzug werden
die Besucherzahlen künftig mit 20 % (bisher 10 %) und die
Eigeneinnahmen mit 15 % (bisher 10 %) angerechnet. Das Manko an dieser Rechnung ist jedoch, unabhängig davon,
wie die Mittel verteilt werden, dass insgesamt nicht mehr Mittel
zur Verfügung stehen, was bedeutet, dass das Bemühen
des einen Standortes immer zu Lasten eines anderen gehen wird.
Um der Forderung der Landesregierung Rechnung zu tragen und Mut
und Willen zur Zusammenarbeit und Kooperation zu zeigen, haben
im Dezember 2009 die Theater Vorpommern GmbH (Stralsund/Greifswald),
die Vorpommersche Landesbühne Anklam und die Theater und Orchester
GmbH einen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Ebenfalls seit dieser
Spielzeit sind die Deutsche Tanzkompanie und das Ernst-Barlach-Theater
Güstrow Kooperationspartner der Theater und Orchester GmbH.
Insgesamt wissen Mecklenburg-Vorpommerns Theater voraussichtlich
erst im Mai, mit welchen Zuschüssen vom Land sie im laufenden
Jahr rechnen können. Derzeit werden vom Land Abschläge
auf der Berechnungs-Basis von 2009 gezahlt. Der Erlass zur Neuverteilung
der jährlich 35,8 Millionen Euro, der ursprünglich für
Mitte Januar angekündigt wurde, ist erst Mitte März den
kommunalen Trägern der Bühnen zur Anhörung zugeleitet
worden. Die Träger haben nun bis 12. April Zeit, sich zu äußern.
In den vergangenen Wochen sind trotz intensiver Bemühungen
der Geschäftsführung der GmbH Termine mit Gesellschaftern,
Aufsichtsrat und Kulturausschuss verstrichen, ohne dass es eine
offizielle „Entwarnung“ bzw. Lösung des Problems
gibt. Die einzige Zusage, die die Geschäftsleitung von offizieller
Seite bekommen hat, ist, „dass eine Insolvenz nicht zugelassen
wird.“ Beruhigend ist das für die Belegschaft keineswegs.
Beunruhigend ist vielmehr das neueste Signal, das die Gewerkschaften über
den Deutschen Bühnenverein erhalten haben: Die GmbH tritt
aus dem kommunalen Arbeitgeberverband aus, um sich – möglichst
schon ab 2010 – der allgemeinen Tarifentwicklung zu entziehen.
Dies wird dann wohl auch auf das künstlerische Personal durchschlagen.
Bleibt zu wünschen, dass es für die Theater und Orchester
GmbH irgendwie doch noch „festen Boden“ unter den Füßen
gibt, damit keiner „vom Seil fällt“.
Sylke Urbanek, VdO-Landesvorsitzende Mecklenburg-Vorpommern / Brandenburg
Sorbisches Nationalensemble II – Bedenkliche Entwicklung
Wie bereits in der letzten Ausgabe berichtet, steht das SNE vor
massiven Kürzungen durch die Stiftung für das sorbische
Volk in Höhe von 900.000 Euro – fast ein Fünftel
der bisherigen Finanzierung – und Abbau von über 40
Stellen. Nunmehr hat am 13.03.2010 der Vorstand der Domowina – Dachverband
der sorbischen Vereine – dem Entwurf der Arbeitsgruppe Bühne,
die gegründet wurde, um ein Konzept zur Umsetzung der vorgesehenen
Kürzungen zu erarbeiten, zugestimmt. Das Konzept zur „Förderung
sorbischer Bühnenkunst“ sieht vor, dass Chor und Orchester
aufgelöst werden und stattdessen ein Vokal- und Kammerensemble
mit weniger Mitgliedern entstehen; auch das Ballett soll empfindlich
verkleinert werden. Die Entscheidung hierüber wird wohl am
25.03.2010 in der nächsten Stiftungsratsitzung fallen. Pikant
daran ist besonders, dass, neben der Unmöglichkeit, mit den
vorgesehenen Kürzungen das Ziel des Erhalts und der Pflege
der sorbischen Kultur überhaupt weiter verfolgen zu können,
bei den geplanten Stellenkürzungen Abfindungen in Höhe
von zirka 2,7 Millionen Euro anfallen und damit sämtliche
geplanten Einsparungen ad absurdum geführt werden. Leider
sind die restlichen sorbischen Einrichtungen offensichtlich derart
unter Druck gesetzt worden, dass sie sich gegen diese Planungen
nicht mehr solidarisch zeigen. Dennoch kämpfen die Mitglieder
mit Protesten und Demonstrationen weiter und werben um Unterstützung,
die auch durch die Online-Petition unter www.rettet-das-sorbische-national-ensemble.de
aktiv gezeigt werden kann und sollte! Das SNE mit seinen engagierten
Mitarbeitern leistet einen einzigartigen Beitrag zum Erhalt und
zur Pflege der sorbischen Kultur. Es hat in den vergangenen Jahren
durch erhebliche Personal- und Etatkürzungen bereits seinen
Beitrag zur Konsolidierung geleistet, die durch weitere Maßnahmen
in der Spielplangestaltung und Kooperation mit dem Sorbischen Volkstheater
Bautzen weiter verbessert werden könnte; es darf aber nicht
zugelassen werden, dass die noch bestehende Struktur zur künstlerischen
Handlungsunfähigkeit amputiert wird. Die VdO und die anderen
am Hause vertretenen Gewerkschaften werden mit allen – nicht
zuletzt rechtlichen – Mitteln die Beschäftigten bei
ihrem Bestreben zum Erhalt der notwendigen personellen Struktur
unterstützen. Görlitz / Zittau
Am 21. April 2010 soll im Kreistag der Beschluss über die
geplante Fusion der Theater in Görlitz und Zittau gefasst
werden. Inhaltlich soll der betriebliche Zusammenschluss in die
in Gerhart Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau umbenannte GmbH
rückwirkend zum 01.01.2010 und die Personalüberleitung
zum 01.07.2010 beschlossen werden. Die tarifliche Bindung soll
mit der Maßgabe der Anpassung an die momentanen und mittelfristig
vorhandenen finanziellen Rahmenbedingungen erhalten bleiben. Die
konkrete rechtliche Überprüfung der Beschlussvorlagen
und geplanten Gesellschafts- und Überleitungsverträge
läuft.
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