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Zwischen Klassik und Moderne

Zwei Neuerscheinungen über Vladimir Malakhov · Von Malve Gradinger

Gundel Kilian „Vladimir Malakhov – Jahrhunderttänzer“, Daco Verlag, Berlin 2006, 152 Seiten, 29,90 Euro

„Malakhovs Dornröschen“, Hg. Frank Sistenich/Christiane Theobald, Fotos von Monika Rittershaus, Schottverlag, Mainz, 2006, 160 Seiten, 39,95 Euro

Es war 1989 auf dem Moskauer Ballettwettbewerb, dass Ballett-Koryphäe Konstanze Vernon ihn entdeckte und nach München einlud. Und man erinnert ihn gut, den jungen Vladimir Malakhov in Kasian Goleizovskys Solo „Narcisse“: diese Knabengestalt, schmal, androgyn, eine Begabung, noch auf der Suche nach sich selbst. Der Auftritt im Münchner Nationaltheater war sein erster im Westen, wo er dann in wenigen Jahren zum Weltstar aufstieg. Die phänomenale Karriere des gebürtigen Ukrainers Malakhov, der seit 2004 das Staatsballett Berlin leitet, Deutschlands größtes Ballettensemble, kann man nun nachverfolgen in dem mit Begleittexten versehenen großformatigen Bildband „Vladimir Malakhov – Jahrhunderttänzer“ der Fotografin Gundel Kilian.
Kilian, renommiert für ihre Tanzfotos, speziell für ihre Dokumentation des Stuttgarter Balletts seit den 60er-Jahren, hat auch von der ersten Sekunde an Malakhovs zahlreiche Auftritte in diesem Ensemble festgehalten, dem er zeitweise sogar als fest engagierter Solist angehörte. Ihr Hommage-Band, entstanden als Katalog zu Ausstellungen 2005/06 in den Bahnhöfen von Berlin-Friedrichstraße, Dresden-Neustadt und im Stuttgarter Hauptbahnhof, entführt den Betrachter unmittelbar in die Welt des Tanzes. Unmittelbar, weil diese Fotos nie „eingefrorene Geste“ sind. Hier hatte die Kamera so viel Erfahrung, so viel Aufmerksamkeit, so viel geduldige Liebe auch, dass noch im Abbild die Bewegung und der Ausdruck lebendig atmen – dass immer noch die Seele des Augenblicks mitschwingt: der absolute, noch ungeschönte körperliche Einsatz in der Probe, die aristokratische Zurückgenommenheit des „Dornröschen“-Prinzen, der frei gelassene Schmerz im „Romeo und Julia“-Pas de deux, das bitter-exaltierte Gefühl des Armand in „Kameliendame“, das äußerste Kraftaufgebot im virtuos zirzensischen Sprung eines modernen Balletts.

All diese Bilder sind nur Erinnerungs-Ausschnitte aus Malakhovs riesigem Rollenrepertoire. Und doch vermitteln sie, was diesen Tänzer ausmacht: die Vielseitigkeit zwischen Klassik und Moderne, seine Reifung über die Jahre zum ausdrucksstarken Interpreten und nicht zuletzt, eine ungeheure Disziplin, mit der er seine von Natur aus fragile Statur zu einem sportlich durchtrainierten formvollendeten Körper modelliert hat.

Malakhov hat sich selbst zu dem gemacht, was er heute ist: ein Künstler, der seinen Körper, seine Kunst in vollkommenem Maße beherrscht. Sehr treffend charakterisiert ihn der Kritiker Klaus Geitel in seinem Kurzpor-trät als einen Tänzer „der Distinktion, der vornehmen Zurückhaltung und der Makellosigkeit“. Malakhov ist aber auch in der Dramaturgie des realen Lebens ein Selfmademan. Einer, der sein Schicksal immer selbst in die Hand nimmt. Just bei seinem „Narcisse“-Gastspiel in München ruft er in Stuttgart den russischen Pädagogen Alex Ursuliak an, damals Ballettmeister im von Marcia Haydée geleiteten Ensemble und Direktor der angeschlossenen John Cranko-Ballettschule, ob er sich nicht seinen Auftritt ansehen könnte. Mit dem Ergebnis, dass der junge Malakhov, obgleich in der Moskauer Bolschoi-Ballettschule technisch blendend ausgebildet und schon seit drei Jahren jüngster Solist des Moskauer Klassischen Balletts, sich in einem Meisterkurs bei Ursuliak noch einen künstlerischen Extra-Schliff holen kann. Damit war schon vor seinem Absprung in den Westen 1991 ein Kontakt mit dem Stuttgart Ballett geschaffen. 1992 nimmt ihn das Wiener Staatsopernballett als Ersten Solisten unter Vertrag, 1994 das National Ballet of Canada. 1995 ist er beim illustren New Yorker American Ballet Theatre engagiert. Gleichzeitig gastiert er in Wien, München, Stuttgart, Tokio, Toronto und in Berlin, wo er 2002 die Leitung des Staatsballetts Berlin übernimmt. Und jetzt ist auch sein riesiges farbiges Ensemble in einem großformatigen Band mit Fotos der Bühnenfotografin Monika Rittershaus zu besichtigen: „Malakhovs Dornröschen“, herausgegeben von dem Publizisten Frank Sistenich und der Staatsballett-Betriebsdirektorin Christiane Theobald, anlässlich Malakhovs Neuinszenierung dieses Petipa-Klassikers. Im Teil I realitätsnah schön in Schwarz-Weiß die Tänzer bei der Arbeit und privat. Teil II – in Farbe – wirft einen Blick in die Maske und in die Kostümproben. Teil III präsentiert die bunt-prächtig ausgestattete Vorstellung, mit Malakhov selbst als Prinz Désiré. Zwei Bände, die bildkräftig eindrucksvoll das Schaffen Malakhovs vorführen: als Ballerino, als Choreograf und erfolgreicher Ballettintendant.

Malve Gradinger

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