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Der Oper die Flügel gestutzt

Henzes „L’Upupa“ in Hamburg · Von Christian Tepe

Einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt Hans Werner Henzes jüngste, in Hamburg als deutsche Erstaufführung präsentierte Oper „L’Upupa und der Triumph der Sohnesliebe“. Die Partitur wartet mit einer Fülle erlesener Kostbarkeiten auf, die Simone Young und die Philharmoniker Hamburg zu einem dynamisch fein differenzierten, in stimmungshaften Farben funkelnden Klangbild zusammensetzen. Zur Krux wird das schwächelnde Libretto, das sich der mit dem Metier des Musiktheaters doch eigentlich bestens vertraute Komponist selbst zurechtgezimmert hat. Gänzlich unverständlich bleibt, warum das Regieteam keinen Rettungsversuch wagt.

 
Roberto Saccà (Der Dämon), Ha Young Lee (Badi’at), Siegfried Vogel (Dijab), Teddy Tahu Rhodes (Al Kasim) und Chor. Foto: Jörg Landsberg
 

Roberto Saccà (Der Dämon), Ha Young Lee (Badi’at), Siegfried Vogel (Dijab), Teddy Tahu Rhodes (Al Kasim) und Chor. Foto: Jörg Landsberg

 

Die Öffentlichkeit kennt Henze als politisch wachen Künstler: Mit seinen als „ein deutsches Lustspiel“ betitelten „elf Tableaus aus dem Arabischen“ schwebt ihm ein poetischer Gegenentwurf zu den ideologischen Zerrbildern des Westens von der orientalisch-islamischen Kultur vor. Ob es deshalb in dem Märchen nur so von hochherzigen Tyrannen wimmelt, durch deren Wunderreiche ein aus dem Geist der deutschen Neoromantik entsprungener idealistischer Jüngling vagabundiert? Ziel der abendfüllenden Abenteuerreise Al Kasims ist es, seinem Vater, dem Großwesir, die entflogene Upupa zurückzubringen. Der Wiedehopf ist für den alten Mann ein Lebenselixier. Das Tier versinnbildlicht die Macht der Schönheit und steht für die nicht domestizierbare Natur. Mit brillant realisierten Tonbandzuspielungen von schemenhaften Naturlauten wie dem immer wiederkehrenden Flügelschlag des Wiedehopfes versucht Henze eine Art Naturreservat in die Musik zu integrieren. Was als Kontrast zwischen Kunst und Natur, zwischen Zivilisation und Freiheit gedacht sein mag, bleibt aber scheinhaft, insofern der auf das Band geheftete Tierlaut zum denkbar künstlichsten Geräusch, zu einem aller Unmittelbarkeit und Unberechenbarkeit beraubten toten Schall mutiert. Im Zeitalter einer jeden organischen Ton erstickenden Akustik aus der Retorte, vom Straßenlärm bis zum Vogelgezwitscher auf Meditationskassetten, hat die Musique concrète ihren Reiz verloren. Jedenfalls solange sie der Natur zum Sprechen verhelfen soll.

Zu guter Letzt schenkt der Großwesir, geheilt vom Zwang des Festhaltenwollens, dem Wiedehopf die Freiheit, um in der „blauen Stunde“ auch von seinem zu neuen Eskapaden aufbrechenden Lieblingssohn innerlich Abschied zu nehmen. Das sind musikalisch die stärksten Momente des Abends. In dem rein instrumentalen Herbstgesang dieses elften Tableaus ist die Nähe des Todes zu spüren: ein Sterben ohne affirmative Sinngebung, klar und bewusst. Mit traumwandlerischer Einfühlungsgabe und einer unforcierten Intensität verleihen Young und das Orchester den zartgeäderten, geheimnisvollen Klängen die erforderliche emotionale Tiefe.

Vielleicht nimmt die Musik des letzten Bildes aber auch deshalb so sehr gefangen, weil es hier endlich einmal nicht mehr darum geht, den geradezu verlegen machenden Text des Librettos zu veredeln. Dessen gespreizte Esoterik wird von Josef E. Köpplinger (Inszenierung und Licht) und Rainer Sinell (Bühne) ohne Einspruch verdoppelt und bebildert. Fade Opulenz einer modisch austauschbaren Showbiz-Optik soll konzeptionelle Ideenlosigkeit übertünchen. Die belanglose, zuckrig-brave Oberfläche verhindert jeden Ansatz einer kritisch deutenden Gestaltung. Es ist wie Fernsehen, nur leider ohne Taste zum Ausstellen.

Für etwas Belebung sorgt das gut disponierte Ensemble. Unbekümmert von Fragen einer zeitgenössischen Weiterentwicklung des Operngesangs hat der Komponist die Solisten mit dankbaren Partien bedacht. Ha Young Lee bewährt sich als jüdisches Mädchen Badi´at mit nahezu schwerelos geführtem Koloratursopran. Eine Spur zu trocken für den heldenhaften Al Kasim bleibt der kultivierte Bariton Teddy Tahu Rhodes. Als freundlicher Dämon und Alter Ego des Al Kasim beschert ein grandioser Roberto Saccà geschmeidig-facettenreichen Wohllaut. Voller komödiantischer Beredsamkeit singt und agiert das achtköpfige, von Florian Csizmadia bewährt einstudierte Vokalensemble aus dem Staatsopernchor.

Doch es bleibt an die Binsenweisheit zu erinnern, dass überzeugendes Musiktheater mehr ist als nur tadelloser Gesang. Nach einem dekorativ harmlosen „Sommernachtstraum“ von Britten wurden in Hamburg nun auch Henzes „L’Upupa“ die Flügel gestutzt. Wer folgenlose Unterhaltung und genießerisches Vergessen sucht, mag zufrieden sein. Von dem ungeheuerlichen, aufrüttelnden Erlebnis Oper ist das alles weit entfernt.

Christian Tepe

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