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Versöhnung mit dem Publikum
Leipzigs neuer Opernintendant Henri Maier · Von Barbara
Lieberwirth
Im Juli geht die Ära Udo Zimmermann in Leipzig zu Ende. Am
ersten August wird an der Oper ein neuer Intendant sein Amt übernehmen:
Henri Maier. Derzeit ist der 55-jährige Generaldirektor der
beiden Opernhäuser in Montpellier. In Leipzig wird er es nicht
leicht haben, denn trotz aller kreativen und innovativen Impulse,
die Udo Zimmermann in die Oper Leipzig hineingetragen hat und die
das Haus letztendlich in die Bundesliga der deutschen Opernhäuser
brachte, ist der Oper das Publikum abhanden gekommen. Durchschnittlich
ist sie nur zu 62 Prozent ausgelastet. Die Löcher, die Zimmermann
in puncto Repertoire hinterlassen hat, will Maier mit einem verjüngten
Ensemble stopfen. Vorsorglich hat er allen kündbaren Ensemblemitgliedern
ohne Anhörung, sprich Vorsingen, gekündigt
und war damit freilich schlecht beraten. Jetzt will er in einigen
Fällen die Kündigung rückgängig machen und sucht
weitere neue Ensemblemitglieder.
Die Versöhnung der Oper Leipzig mit ihrem Publikum sollen
vier Premieren bringen: Offenbachs Hoffmanns Erzählungen,
Verdis Don Carlo, Lortzings Wildschütz
und La Damnation de Faust von Berlioz. Auch eine konzertant
aufgeführte Oper, Mendelssohns Hochzeit des Camacho,
sieht der Spielplan anlässlich der Mendelssohn-Festtage vor.
Doch auch mit dem aufgestockten Repertoire schafft es die Oper am
Augustusplatz vorerst nicht, an mehr als 140 Abenden zu spielen.
Hinzu kommt, dass die Auflagen bezüglich Brandschutz und Sicherheitstechnik
im vierzig Jahre alten Opernhaus während der kommenden zwei
Spielzeitpausen realisiert werden müssen. Ansonsten droht dem
Haus die Schließung. Vorerst genehmigte der Leipziger Stadtrat
11 Millionen Mark, um die dringendsten Arbeiten zu verrichten. Die
gesamte Gebäudesanierung ist mit 92 Millionen Mark veranschlagt
und wird sich wohl über die nächsten zehn Jahre hinziehen.
Auch das zweite, kleinere Haus, die Musikalische Komödie (82
Prozent Auslastung), lädt ihre Zuschauer an nur 150 Abenden
zu Operette und Musical ein. Zum bestehenden Repertoire wird hier
die Rockoper Jesus Christ Superstar und Jacques Offenbachs
Orpheus in der Unterwelt hinzukommen.
Doch nicht nur die Versöhnung mit dem Publikum will Maier
erreichen, auch die Zusammenarbeit mit dem Gewandhausorchester,
das gleichzeitig als Opernorchester fungiert, soll durch eine weitsichtige
Planung erleichtert und verbessert werden. Und auf dem Gebiet der
internationalen Zusammenarbeit wird er seine reichen Erfahrungen
und Beziehungen für Leipzig nutzen. Opernhäuser in London,
Paris, Florenz, Barcelona, Lyon und Genf werden künftig mit
Leipzig kooperieren: Vor allem auf dem Gebiet der zeitgenössischen
Oper, die so die Chance erhält, ein größeres Publikum
zu erreichen und nicht, wie bisher üblich, nach der dritten
oder vierten Aufführung in der Mottenkiste zu verschwinden.
Maier kennt das Problem eines nur zum Teil gefüllten Zuschauersaals,
doch er meint: Ich bin nicht besessen von der Auslastung,
aber sie ist unsere Legitimation. Und wir brauchen sie, um Zeitgenössisches
betreuen und fördern zu können. Denn das Zeitgenössische,
das ist für mich die wichtigste Aufgabe eines Opernintendanten.
Neue Opern müssen ins Repertoire aber es reicht nicht,
sie anzubieten. Wir müssen die Leute dazu bringen, diese Musik
zu lieben. Ab der Spielzeit 2002/2003 will Maier beginnen,
eine solche Liebesbeziehung zwischen neuer Musik und Publikum aufzubauen:
mit Peter Eötvös Angels of America und
Francesonis Ballata. Auch ein Auftragswerk hat die Oper
Leipzig wieder vergeben: Philippe Hersant wird bis 2003/2004 Der
schwarze Mönch nach Anton Tschechows Romanvorlage vertonen.
Maier weiß, dass besonders junges Publikum neuer Musik unverkrampft
und vorurteilslos gegenübersteht. Hier wird er in Leipzig fruchtbaren
Boden vorfinden. Eine Zusammenarbeit mit der Musikhochschule Felix
Mendelssohn Bartholdy und der Musikschule Johann Sebastian
Bach hat er bereits im Blick. Der sympathische Neue,
dem eine gesunde Portion Ehrgeiz und Tatendrang nicht abzusprechen
ist, hat sich viel vorgenommen. Leipzig empfängt ihn mit offenen
Armen.
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