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Der Intendant der Jahre
Juliane Votteler über die Erfolgsgeschichte des Klaus Zehelein
Juliane
Votteler (Hrsg.): Musiktheater heute. Klaus Zehelein. Dramaturg
und Intendant, Europäische Verlagsanstalt/Rotbuch Verlag,
Hamburg 2000, 232 S., 45 Mark
Von Klaus Zehelein lernen heißt siegen lernen, fällt
einem unpassenderweise, aber unwillkürlich ein, wenn der Stuttgarter
Opernintendant von der Ring-Inszenierung der vier Regisseure
Schlömer/Nel/Wieler/Konwitschny schwärmt oder wenn es
gilt, sich durch die von seiner Chefdramaturgin Juliane Votteler
herausgegebene Sammlung Zeheleinscher Gespräche und Texte
hindurchzuarbeiten, die als Titel den auch nicht gerade bescheidenen
Dreizeiler trägt: Musiktheater heute Klaus Zehelein
Dramaturg und Intendant.
Wenn Zehelein vom neuen Stuttgarter Ring spricht (s. O&T,
Ausg. 3/2000, S. 7f.), entfährt ihm der Seufzer, auch er
sei nicht ungeschoren geblieben, nachdem er nunmehr zum zweiten
Male das Werk Wagners als Dramaturg begleitet habe (Wie Sie
vielleicht wissen, habe ich vor über zehn Jahren eine Arbeit
am Ring des Nibelungen mit Michael Gielen und Ruth Berghaus dramaturgisch
begleitet.), um dann mit Siegerlächeln die Presse zu
zitieren: Habe Stuttgart zu Wieland Wagners Zeiten als Winter-Bayreuth
gegolten, so sprächen einige heute von Bayreuth als Sommer-Stuttgart.
Das Siegerlächeln hat seinen guten Grund, gilt Stuttgarts
Staatsoper, die Zehelein seit 1991 leitet, doch nicht nur bei der
Presse und in einschlägigen Umfragen unter Musiktheater- Rezensenten,
sondern erlebbar auch beim Publikum als eines der interessantesten,
wenn nicht als führendes Opernhaus Deutschlands. Zum dritten
Male hintereinander (in der Opernwelt-Umfrage) das Opernhaus
des Jahres, mit Peter Konwitschny (Götterdämmerung)
als dem Regisseur des Jahres, mit dem Opernchor
des Jahres, der Götterdämmerungs-Brünnhilde
Luana DeVol als Sängerin des Jahres, dem Orchester
des Jahres unter Lothar Zagrosek.
Erlebbar auch beim Publikum: Da kamen doch tatsächlich 170
erwachsene Menschen an einem Februar-Wochenende in der Akademie
der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Hohenheim zusammen, um
sich rund zehn Stunden lang mit Wagners Göttern im Ring des
Nibelungen (Zur Theologie Richard Wagners und
ihrer Vergegenwärtigung in der Stuttgarter Produktion 1990/2000)
zu beschäftigen, so engagiert, als hinge ihr Seelenheil von
der Frage ab, ob es Wagner denn nun um Religion oder um seine Kunstreligion
gegangen sei.
Dass Klaus Zehelein, eskortiert von seinem Dramaturgen-Stab, sich
dieser Debatte stellte, obschon er wissen musste, die Theologie,
insbesondere vertreten durch den Bielefelder Wagner-Exegeten Wolfgang
Schild, werde der Stuttgarter Zerstückelungs-Inszenierung
die Zerstörung der wagnerschen Darstellung der Menschwerdung
Gottes vorwerfen und sie als Irrweg verdammen, verrät einiges
vom Geheimnis des zeheleinschen Erfolges: Der Dramaturg muss im
Zeichen der Intellektualisierung des emotional hilflos gewordenen
Theaters dieses intellektuell so überzeugend gegen Himmel und
Hölle verteidigen, dass beredte Überzeugungskraft schon
wieder wie Emotionalität wirkt.
Derart überzeugend wirken auch die von Juliane Votteler zusammengetragenen
Konzeptionen, Interviews und Gespräche Klaus Zeheleins; bis
auf die Gespräche mit der Herausgeberin und den Beitrag über
Richard Wagner mit dem allerdings nur angedeuteten
Einfall, Adornos Versuch über Wagner als eigentlich
den Film meinende Ranküne zu interpretieren, handelt es sich
indes nur um Nachdrucke. Die Gespräche aber, die
das erste Viertel des Buches ausmachen, sollten den Dramaturgen
der großen Musiktheater und allen Intendanten zur Pflichtlektüre
gemacht werden: Da ist unter anderem viel Gescheites zum Umgang
mit den im Theater arbeitenden Menschen, auch mit den Menschen in
Opernchören und Orchestern gesagt. Gescheites und Beherzigenswertes.
Stefan
Meuschel
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