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Berichte

Zähe Uraufführung

Franz Hummels „Styx“
Von Nike Luber

Breit und schwerfällig fließt der Styx dahin, für die antiken Griechen der Grenzfluss zwischen Leben und Tod. Ebenso zäh gestaltet sich die Uraufführung von „Styx“, mit dem die diesjährigen Karlsruher Händel-Festspiele eröffnet wurden. Intendant Pavel Fieber will mit den Auftragskompositionen einen eigenen, modernen Schwerpunkt setzen, der Karlsruhe von den Händel-Festspielen in Göttingen und Halle unterscheidet. Eine ehrenwerte Absicht, die ausgerechnet am Gegenstand scheitert: ob Matthus’ musikalischer Bilderbogen „Farinelli“ oder jetzt Franz Hummels „Styx“ – die zeitgenössischen Komponisten tun sich schwer mit der barocken Thematik. Um die Harmlosigkeit des „Farinelli“ zu vermeiden, entschied sich Hummel gegen eine biografische Oper über Händel und konzentrierte sich stattdessen auf die letzte Stunde des Meisters. Das hätte spannend werden können, doch allein schon Elisabeth Gutjahrs Libretto, das Texte wie „Meine Augen sind durchsichtig geworden“ enthält, steht jeder Bühnenwirksamkeit entgegen.

   

Johannes M. Kösters (Händel), Ruxandra Voda (Eurydice), Klaus Schneider (Smith).
Foto: Jochen Klenk

 

Auch Hummels Musik war schon lebendiger und origineller. Durchgehend im Stil Händels zu komponieren hat er sich verkniffen. Das einzige Originalzitat, der Chorsatz „Durch seine Wunden sind wir geheilet“ aus dem „Messias“, verschmilzt mit Hummels eigener Komposition, und das von Magdalena Broks souverän musizierte Cembalokonzert, die einzige andere Abwechslung im eintönigen Klangbild, hat der auf verblichene Prominente spezialisierte Komponist bewusst mechanisch gesetzt.

Was insgesamt 90 Minuten lang aus dem Orchestergraben kommt, ist zwar schön anzuhören, ausgebreitet in flächiger, schwebender Harmonik. Uraufführungsdirigent Rainer Mühlbach leuchtet mit der engagiert spielenden Badischen Staatskapelle die Klangfarben der reichen Bläserbesetzung und der in den Vordergrund tretenden tiefen Streicher aus. Doch die warmen, dunklen Mahler-Anklänge ermüden auf die Dauer, zu wenig macht Hummel aus seinen Ideen, zu selten sind rhythmische Konturen, um den gemächlichen Klangfluss in eine abwechslungsreiche musikalische Landschaft einzubetten.

Die ruhige Inszenierung durch die Choreografin und Regisseurin Rosamund Gilmore, vorsorglich als „Szenisches Adagio“ bezeichnet, hilft der bleiernen Schwere des „Styx“ nicht ab. Reizvolle optische Effekte wie das Erscheinen einer weißen Lichtgestalt namens Eurydike, die Händel den Übergang in eine andere Welt erleichtert, können das Fehlen einer Handlung nicht auffangen. Nicht nur dem sterbenden Händel werden die Minuten zur Ewigkeit, auch dem Zuschauer. Die Auftritte der Schauspieler des Heute hat Gilmore hübsch choreografiert, doch die Rap-artig skandierten Satzfetzen lassen nicht erkennen, welche Szene aus seinem Leben der sterbende Meister noch einmal reflektiert. So wandert Händel auf der in die Schräge gerutschten Theaterbühne seines Lebens müde hin und her, kommentierend betrachtet vom Publikum seiner Zeit. Das sitzt, in Reifrock und Perücke, im Hintergrund der Bühne, genau vis-a-vis des Zuschauerraums, und wird vom Badischen Staatsopernchor konzentriert und sauber gesungen.

Auch die Solisten geben ihr Bestes, allen voran der in zeitgenössischer Musik erfahrene Bariton Johannes M. Kösters. Er singt den siechen, einstmals ob seines Temperaments gefürchteten Händel klangschön, vor allem aber eindringlich und vermittelt in seiner Darstellung die Mühsal des Wartens auf den Tod. Immer an seiner Seite das treue Faktotum John Smith, den Klaus Schneider mit tadellosem Gesang und intensivem Spiel auf die Bühne stellt. Aus der Tiefe steigt Gregory Frank als bassgewaltiger Charon empor und vertröstet den Sterbenden. Warte, warte nur ein Weilchen... Ruxandra Voda schließlich verleiht der von Händel imaginierten Eurydike vokalen Glanz. An der Ausführung liegt es nicht, dass das Sterbestück „Styx“ kein Bühnenleben entfaltet. Das Badische Staatstheater behält es dennoch über die Festspiele hinaus im Repertoire, vielleicht als Plädoyer für eine neue Langsamkeit auf dem Theater.

 

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