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Modernes Musiktheater

Fünf Jahre Junge Oper am Stuttgarter Haus · Von Andreas Kolb

Während in Berlin Kulturpolitiker, Intendanten und Dirigenten erfolglos über Qualität und Kosten einer Hauptstadtkultur diskutieren, hat Deutschland längst eine heimliche Opernhauptstadt: Unter der Doppelintendanz von Klaus Zehelein und Pamela Rosenberg erlebte die Staatsoper Stuttgart einen Aufschwung, der an ihre große Zeit in den fünfziger Jahren erinnert, wo sie schon einmal als Pilgerstätte von Opernfreunden galt. Zum dritten Mal wählten Kritiker der Zeitschrift „Opernwelt“ in diesem Jahr das Stuttgarter Haus zur besten Oper des Jahres.

Wie populär Oper in Stuttgart ist, kann man auch an einem weiteren Projekt Zeheleins festmachen, das jedoch noch nicht so stark ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen ist: Seit fünf Jahren existiert dort die Junge Oper Stuttgart. Jugend- und Schultheaterprojekte hatten in Stuttgart freilich schon vor Zehelein Tradition, doch dieser baute von Beginn seiner Intendanz im Jahre 1991 diesen Bereich der Jugendarbeit kontinuierlich aus. Es begann mit mehreren großen Projekten in Kooperation mit allgemein bildenden Schulen der Stadt und der Region. 1995 schuf die Opernintendanz aus Mitteln des Förderkreises der Gesellschaft der Freunde der Württembergischen Staatstheater zusätzlich die Stelle eines Musiktheaterpädagogen. In dieser Funktion entwickelte Markus Kosuch das Projekt Erlebnisraum Oper, basierend auf professionellen Produktionen mit jungen Künstlern einerseits und andererseits auf der Arbeit mit Schülern aus den Schulen aus Stadt und Umland. Heute hat die Junge Oper drei feste Mitarbeiter, einen Etat von etwa einer halben Million Mark pro Spielzeit und ist mit seinen anspruchsvollen Low-Budget-Produktionen ein Publikumsrenner.

   

„Expedition der Erde“ (Premiere: 12. November). Foto: Staatsoper Stuttgart

 

Die Bilanz der Arbeit seit 1995 kann sich sehen lassen. Fünf Produktionen mit beinahe 100 Vorstellungen wurden realisiert: „Der gestiefelte Kater“ von César A. Cui, die „Weiße Rose“ von Udo Zimmermann, „Das Kind und die Zauberdinge“ von Maurice Ravel, „Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee“ von Violeta Dinescu, die Uraufführung der HipHop-Oper „P.A.G.S.“ von Andreas Breitscheid und Manfred Weiß. Während früher ein fester Regisseur fürs Programm zuständig war, sucht heute das Team der Jungen Oper um Markus Kosuch die Stücke aus und legt sie der Intendanz vor. Die engagiert dann die entsprechenden Gastregisseure. Künstlerische Aspekte stehen dabei vor pädagogischen Gesichtspunkten, denn Kosuch legt keinen Wert darauf, Pedagogicals zu machen, „wo dann am Schluss alle in die Hände klatschen und singen ,Geh nicht bei Rot über die Straße’“. Die meisten Stücke für Kinder, die heute auf dem Markt sind, sind Musicals. Die will die Junge Oper aber bewusst nicht inszenieren. Kosuch: „Ich finde es schade, wenn die Musikgeschichte in der Dur-Moll-Harmonik aufhört“. Das Besondere an der Jungen Oper Stuttgart ist weniger das Vorhandensein eines Spezialprogramms für Kinder und Jugendliche, sondern die Art wie die Produktionen realisiert werden. Da sind zunächst die Solisten: Junge Künstler, die oft schon im ersten Engagement sind und hier eine weitere echte Chance bekommen, sich für die großen Bühnen zu profilieren. Dies trifft auch auf die Instrumentalisten des Kammerorchesters zu. Die musikalische Leitung übernehmen zumeist Kapellmeister der Staatsoper wie Willem M. Wentzel oder Richard Wien. Diese Profis behalten auch bei den turbulentesten Aktionen der „Opern-Eleven“ den Überblick und sorgen für professionelles Niveau. Dann der Opernchor: Dessen Mitglieder werden für jede Produktion neu gecastet. In Betracht kommen hier Schüler aus Musik-Leistungskursen, engagierte Laien, zukünftige Gesangsstudenten. Damit nicht genug: Für Interessierte aus allen Schularten (die Betonung liegt hier auf alle) bietet die Junge Oper Hospitanzen und Schnupperpraktika. Die gibt es in der Kostümschneiderei, der Maske, in der Technik oder bei der Beleuchtung. Sehr begehrt sind Regieassistenzen.

Ende Juni hatte „The Jumping Frog oder der Held von Calaveras“ im Kammertheater des Staatstheaters Premiere – eine Komische Oper in zwei Akten von Lukas Foss nach einer Erzählung von Mark Twain. Abgesehen von zahlreichen musikalischen Implikationen, die die opera buffa für den Musikunterricht bietet, knüpfen Unterrichtsmaterialien, die Kosuch und seine Mitarbeiter entwickelt haben, an die Biografie von Mark Twain an. Im fächerübergreifenden Unterricht setzen sich die Schüler mit Twains Europareise auseinander und können feststellen, dass Tom Sawyers und Huckleberry Finns große Mississippi-Floßfahrt auf eine Floßfahrt Mark Twains im lieblichen Neckartal zwischen Heilbronn und Heidelberg zurückgeht.

Andreas Kolb

 

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