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Teufelspakt aus Frust
Gounods Faust am Badischen Staatstheater ·
Von Nike Luber
Faust ist einfach faszinierend. Von Marlowe bis Goethe setzten
sich die Literaten mit dem Stoff auseinander, wobei dem Weimarer
Klassiker ein Meisterwerk gelang. Kein Wunder, dass der Faust
Komponisten zur Vertonung reizte. Die einzige bühnentaugliche
Fassung stammt von Charles Gounod und ist keineswegs so harmlos,
wie man es dem Franzosen lange unterstellt hat. Das Badische Staatstheater
Karlsruhe zeigt in einer gelungenen Inszenierung von Thomas Schulte-Michels,
dass Gounods Faust-Oper ein wirklicher Renner ist. Konzentriert
auf die fatale Dreiecks-Geschichte zwischen dem Gelehrten, dem Mädchen
und dem Teufel läuft die vom Regisseur mit sicherer Hand gestraffte
Handlung stringent durch vier Akte.
Auf einer Brücke, die die Bühne überspannt, haust
ein nörgelnder Alter: Es ist Faust, dem Harrie van der Plas
gekonnt einen quengelnden Unterton verleiht. Aus lauter Frust beschwört
er den Teufel, und hier treibt der Regisseur mit dem Entsetzen Scherz.
Eine Klappe öffnet sich, und heraus steigt Mephisto, komplett
mit Schwanz und Bocksfuß. Es ist Konstantin Gornys phänomenaler
Bühnenpräsenz zu verdanken, dass dieser Mephisto nicht
als Witzfigur über die Bühne humpelt. Der junge russische
Bass beherrscht das Spiel mit katzenhafter Geschmeidigkeit und schlanker,
in jeder Lage klangschöner Stimme. Raffiniert gestaltet Gorny
eine der Zugnummern des Faust, das Rondo vom goldenen
Kalb, mit verführerischer Verruchtheit. Mühelos lenkt
dieser Mephisto das Volk, den verjüngten Faust hat er im Griff.
Nur Marthe Schwertlein, von Rosemara Ribeiro mit überbordender
Weiblichkeit und samtenem Timbre ausgestattet, schafft sogar den
Teufel. Ihr handfestes Techtelmechtel mit dem gar nicht begeisterten
Mephisto setzt einen hübsch ironischen Kontrapunkt zum Liebeswerben
Fausts um Marguerite.
Harrie van der Plas gibt den Faust als glühenden Liebhaber,
achtet auf elegante Linienführung und wartet mit strahlenden
Spitzentönen auf. Im Duett mit Marguerite singt der Tenor mit
einer für sein Fach seltenen Transparenz. Seine Marguerite
ist die inspiriert agierende Manuela Uhl, die überzeugend die
Entwicklung vom naiven, auch mal übermütig mit den geschenkten
Juwelen kokettierenden Mädchen zur verzweifelten Liebenden
darstellt. Auch vokal macht die Sopranistin eine gute Figur, lässt
die Koloraturen der Juwelen-Arie leicht dahinperlen, hat aber Strahlkraft
für die Schluss-Szene. Großartig ist ihre Darstellung
im Dom, gequält von den satanischen Einflüsterungen des
als Klerikers getarnten Mephisto. Denn auch der Teufel macht eine
Wandlung durch, vom amüsanten Komiker zum erbarmungslosen Zyniker,
der endlich seine Ernte an verlorenen Seelen einfahren möchte.
Lange sieht es gut aus für Mephisto: Valentin, nicht schön,
aber charaktervoll gesungen und gespielt von Didier Henry, verflucht
sterbend seine Schwester Marguerite. Die muss zusehen, wie der Teufel
ihr Kind verschwinden lässt und wird von der aufgebrachten
Volksmenge fast gelyncht. Mit dem Volk, sprich dem von Carl Robert
Helg gut einstudierten Badischen Staatsopernchor und Extrachor,
wusste der Regisseur einiges anzufangen. Muntere Studenten, Kriegs-Invaliden,
Kirmesbesucher und Trauergemeinde die Karlsruher Choristen
zeigten sich ebenso spielfreudig wie musikalisch kompetent. Marguerites
Himmelfahrt wird von ihnen im schönsten Chorklang kommentiert
und von der Regie zum Totentanz arrangiert. Außer Spesen nichts
gewesen? Faust sitzt am Ende wieder als alter Mann allein auf der
Bühne, Mephisto ist froh, in seine gemütliche, gut geheizte
Hölle zurück zu klettern. Die Badische Staatskapelle unter
der Leitung von Uwe Sandner trägt das Geschehen mit, spielt
klangfarbenreich und fein differenziert. Dieser Faust
ist Goethes würdig.
Nike
Lube
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