Eine Lobby für die Musik
Gespräch mit der Generalsekretärin des Deutschen Musikrats
Der Deutsche Musikrat (DMR), gegründet 1953, ist der Dachverband
der Musikschaffenden in Deutschland. Er betreibt Lobbyarbeit für
die Musik und betreut eigene Projekte zur Förderung und Entwicklung
der Musikkultur. Über die derzeitige Situation, über Aufgaben
und Ziele, sprach Theo Geißler für Oper & Tanz
mit der Generalsekretärin des Musikrates, Marlene Wartenberg.
Oper&Tanz: Der deutsche Musikrat ist selbst bei vielen
Mitgliedern seiner angeschlossenen Verbände noch immer nicht
richtig im Bewusstsein als ihr Lobbyverband. Frau Wartenberg,
Sie haben vor eineinhalb Jahren die Geschäftsführung übernommen.
Hat sich seither etwas verändert, etwas entwickelt?
Marlene Wartenberg: Ja, ich hoffe. Intern ist im Deutschen
Musikrat einige Bewegung im Sinne einer zukunftsorientierten Organisation,
und ich hoffe, dass dies auch äußerlich spürbar
ist wobei ich dazu sagen muss, dass ich eine Organisation
mit ebenso schönen wie sinnvollen Projekten vorgefunden habe.
Der Deutsche Musikrat war im übrigen in diesem Jahr zum ersten
Mal mit seinem Musikinformationszentrum auf der internationalen
Musikmesse MIDEM in Cannes.
O&T: Wie würden Sie einem Regierungsrat aus dem
Finanzministerium in zehn Sätzen den Deutschen Musikrat erklären?
Wartenberg: Der Deutsche Musikrat hat im Wesentlichen
zwei Funktionen: Er ist zum einen der Dachverband von Zusammenschlüssen
und Verbänden des gesamten Spektrums des Musiklebens. Dieses
Spektrum umfasst die Musikwissenschaft, die Musikpädagogik,
die professionellen Künstler, den großen Bereich des
Laienmusizierens, aber auch die Musikwirtschaft und die Medien.
Wir bieten der Bundesregierung als Dachorganisation fachliche
Politikberatung für alle Belange und Sachthemen an, die das
Musikleben betreffen.
Die zweite große Aufgabe des Deutschen Musikrates ist es,
im Auftrag des Bundes und der Länder Musik zu fördern.
Wir sind Träger von insgesamt rund 16 Musikförderprojekten,
die bundesweit durchgeführt werden: auf der einen Seite in
der Breitenförderung wie Jugend musiziert, Jugend
jazzt oder dem Laienwettbewerb für Orchester und Chor,
auf der anderen Seite Eliteförderung, wie zum Beispiel den
Deutschen Musikwettbewerb oder das Dirigentenforum. Wir betreuen
aber auch Dokumentations-Projekte, zum Beispiel das Musikinformationszentrum
oder den Musikalmanach.
O&T: In der Vergangenheit hing dem Deutschen Musikrat
immer ein wenig der Geruch einer vornehmlich pädagogischen
Orientierung an. Das hat dazu geführt, dass sich speziell die
Musikwirtschaft nicht sonderlich stark um die Arbeit des Musikrates
kümmerte Hat sich auch da etwas verändert?
Wartenberg: Ja, ich denke schon. Zum einen aufgrund der
allgemeinen Entwicklung, dass Kultur und Wirtschaft immer näher
zusammenrücken müssen und das auch tun. Zum zweiten
dürfte es auch an meinem beruflichen Werdegang liegen, der
von der Musikwirtschaft geprägt ist. Ich habe nach dem politischen
Einstieg in einer Verwertungsgesellschaft gearbeitet und habe
als Rechtsanwältin die Künstlerseite vertreten, daher
kenne ich mehrere Sichtweisen. Ich habe jedoch den Eindruck, dass
Kultur und Wirtschaft endlich näher zusammenrücken und
wir in Zukunft gemeinsam sehr konstruktive Projekte aufsetzen
und verfolgen.
O&T: Es zeichnet sich ab, dass auch die Kulturpolitik
selbst mehr Beachtung auf die Wirtschaftlichkeit ihrer politischen
Emanationen legt. Ist das auch die Zukunft des Musikrats?
Wartenberg: Selbstverständlich achten wir bei der
Mittelverwaltung auf betriebswirtschaftlich sinnvolle und kostensparende
Verwendung von öffentlichen und privaten Mitteln. Was die
Inhalte betrifft, haben wir eine genau konträre Aufgabe:
Wir fördern im Auftrag des Bundes gerade dort die Kultur,
wo es sich eben nicht rechnet. Den musikalischen Nachwuchs zu
fördern oder auch junge Menschen an die Musik heranzuführen,
das ist wirklich eine der ureigensten Aufgaben des Deutschen Musikrates.
Als konkretes Beispiel kann ich hier die Dachkampagne zur musikalischen
Bildung nennen, die wir in Kürze beginnen, die Hauptsache
Musik. Sie hat zum Ziel, in der allgemeinen, breiten Öffentlichkeit
den hohen Stellenwert der Musik und vor allen Dingen die positive
Sozialisierung durch die Musik zu verbreiten. Unser Kulturminister,
Michael Naumann, hat die Schirmherrschaft übernommen. Die
Kampagne wurde mitentwickelt von Vertretern der Wirtschaft und
der Medien, zum Beispiel GEMA und des WDR, der Laienmusik, der
professionellen Musiker etcetera. Sie würden keinen kommerziellen
Träger finden, der eine solche Aufgabe übernimmt.
O&T: Der Laienbereich ist ja mit Vertretern des Chorwesens
im Deutschen Musikrat recht stark. Wie sieht es aus mit dem Profibereich.
Ich denke, dass sich speziell auch im Bereich der professionellen
Sängerausbildung etwas ändern muss. Was macht da der Musikrat?
Wartenberg: Im Fachausschuss Musikberufe die Fachausschüsse
sind dem Präsidium zugeordnet und geben diesem Empfehlungen
wird aktuell die Ausbildung der professionellen Sänger
diskutiert.
O&T: Ist es im Chorwesen nicht besonders auffällig,
dass in der Ausbildung ein spürbarer Trend zur Solistenerziehung
besteht, und dass auf der anderen Seite das teilweise ja mit etlichen
Vakanzen gesegnete Feld der Chorsänger erheblich vernachlässigt
wird?
Wartenberg: Ja, ich bin erstaunt, dass das immer noch
Praxis zu sein scheint. Schon mein erster Gesangslehrer drohte,
mir keinen Unterricht mehr zu geben, wenn ich in einem Chor singen
würde, ich sei Solistin basta. Ich dachte, dass sich
diese Einstellung schon lange überholt hätte. Hier besteht
mit Sicherheit Aufklärungsbedarf. Und übrigens singe
ich jetzt doch im Chor...
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