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Zurück in die Klassik

Rosina Kovacs und ihr Projekt für junge Tänzer · Von Malve Gradinger

Mit dem Siegeszug des Ausdruckstanzes einer Mary Wigman in den 20er- bis späten 40er-Jahren wurde das Ballett in seinen Grundfesten erschüttert, zum großen Teil auch aus den Opernhäusern verdrängt. Erst Ende der 50er-, dann ganz stark in den 60er-Jahren erlebte das Ballett eine Renaissance. Die Geschichte könnte sich wiederholen.

   

R. Kovac, D. Bogdanic in „Ein Sommernachtstraum“

 

In den letzten 15 Jahren haben unsere Opernhäuser in einem wahren Reformfieber auf Tanztheater und Modern Dance umgesattelt. Nun mehren sich Anzeichen, dass mit diesen neuen Tanzsparten doch nicht alle Blütenträume reiften. Es herrscht Frust an vielen Fronten: Das Publikum der mittleren und kleineren Häuser vermisst – trotz Lernprozess im Modernen – seine Klassiker. Nebenbei bemerkt: Mit deren Einspielungs-Rekorden können – generell – die modernen Abende nicht konkurrieren. Da ist auch das Meer von Tanz-Absolventen, das seine akademisch-klassische Ausbildung (und die hat sich seit Mitte der 70er-Jahre ungeheuer verbessert) nie wirklich austanzen kann. Die Rumänin Rosina Kovacs, markante Ex-Ballerina im Ballett der Bayerischen Staatsoper, bis 1996 noch am Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz, hat jetzt reagiert: Für erstmals Arbeit suchende Akademie-Absolventen und arbeitslose Tänzer hat sie eine Tournee-Compagnie in Bayern gegründet. Ihr „Projekt Ballett-Klassik“ startete im Juli mit einer ersten „Sommer Ballett Gala“ im Bürgerhaus Haar bei München. „Außer dem Bayerischen Staatsballett gibt es in ganz Bayern kein klassisches Ballett“, das ist Rosina Kovacs‘ Ausgangspunkt. „In Augsburg, Coburg, Ulm, Regensburg, Nürnberg unter Daniela Kurz, am Münchner Gärtnerplatztheater unter Philip Taylor, Ex-Solist des Nederlands Dans Theaters, überall moderne Ensembles. Deshalb möchten wir in Bayern in der Provinz klassisches Ballett zeigen. Denn das Publikum dort kann es sich nicht leisten, immer nach München zu kommen, um sich im Nationaltheater einen „Nussknacker“, einen „Don Quijote“ anzuschauen. „Solche Original-Petipa-Ballette wollen wir präsentieren, in den Bürgerhäusern, in den Gemeindehallen. Aber wir wollen auch in Schulen gehen, speziell Kinder-Ballette aufführen, mit einem sozialen Engagement auch in Seniorenheimen tanzen.“

Dass die frisch gebackene Mama und Compagnie-Managerin neben deutsch, rumänisch und ungarisch (der Vater ist Ungar) auch noch fließend französisch, italienisch und englisch sprechen kann, könnte ihr auch mal bei Tourneen ins Ausland dienlich sein. Und gar keinen Zweifel hat man an ihrer menschlich „integrierenden“ Fähigkeit, die bei einem Tournee-Unternehmen gefordert ist. Das Egozentrisch-Narzistische, womit Tänzer sich oft ihren Weg zu einer Karriere pflügen, war der Kovacs immer fremd.

Was noch lange nicht bedeutet, dass alle Hürden genommen wären. Wo kriegt sie geeignete Choreografien her? „Wir haben hauptsächlich die Original-Klassiker geplant. Und da steht uns Dinko Bogdanic zur Verfügung. Zunächst mit seinem ‚Don Quijote’, den er mit großem Erfolg in Ljubljana gemacht hat, und den ich selbst dort getanzt habe.“ Aber ganz ausschließen möchte Rosina Kovacs weder die Neoklassik noch gelegentlich ein gutes Tanztheaterstück. „Ich fand es ja selbst ganz spannend, in Eva Lerchenberg-Thönys Tanztheaterstück ,Geschlossene Gesellschaft´ zu tanzen“, gesteht sie. Aber das Erbe des klassischen Balletts, meint Rosina Kovacs ganz zu Recht, muss zur Zeit wieder verstärkt gepflegt werden. „Man hat das Ballett an den Theatern durch kleinere moderne Tanz-Ensembles ersetzt. Aber die Säle sind nicht voll. Wo spart man, wenn kein Publikum da ist? Und wieso bekomme ich Anrufe von Ballett-Studenten, auch von der Heinz-Bosl-Stiftung, die unbedingt bei uns tanzen möchten?“

Das große Problem ist das Startkapital. „Um die Klassiker bringen zu können, braucht man mindestens 25 Tänzer“, rechnet Rosina Kovacs vor. „Ich habe verschiedentlich angeklopft: Die Stadt München fördert kein klassisches Ballett, meinte auch, das sei reichlich abgedeckt durch das Staatsballett. Um eine Subvention vom Freistaat zu bekommen, müssten wir Bedingungen erfüllen, die frühestens in fünf Jahren zu realisieren sind. Nur zum Beispiel die vorausgesetzten 120 Vorstellungen im Jahr. Wir brauchen eine Hilfe jedoch jetzt am Anfang.“

Die Kovacs hat deswegen nicht aufgegeben. Ermutigung für ihr Klassik-Projekt sind schon die jüngsten Rückwanderungstendenzen in die freie Szene von Tanztheater-Machern. Joachim Schlömer hält es nicht länger am Theater Basel. Ismael Ivo verlässt Weimar, will in Stuttgart wieder eine freie Compagnie aufbauen. Vielleicht kehrt die immer wieder totgesagte Ballett-Klassik bald wieder an die Theater zurück.

Malve Gradinger

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