Berichte
Feuerwerk der Stile
Das vierte Festival Tanz Bremen
Tobender Applaus im Bremer Theater am Goetheplatz: Mit stehenden Ovationen dankte das Publikum des ausverkauften Hauses der Eun-Me Ahn Company aus Südkorea, die unter dem Titel „Dragons“ das diesjährige Festival „Tanz Bremen“ eröffnete. Und zu Recht: Die 14 Tänzerinnen und Tänzer aus Japan, Indonesien, Südkorea und Taiwan, alle geboren im Jahr 2000, stellten sich innerhalb des Stückes mit wenigen Sätzen vor: wie sie zum Tanz kamen, wie ihre Ausbildung war und welche Sehnsüchte sie mit ihrer hochvirtuosen Kunst verbinden. Es folgte ein unfassbares Feuerwerk der Stile – oft mit einer gehörigen Portion Selbstironie. Es ging um die pure Lust am Körper und die Freude am Tanzen. Diese mehrfach preisgekrönte Produktion „Dragons“ wird in dieser so verunsicherten Zeit zur politischen Chiffre von Kraft und Mut. Eun-Me Ahn zeigte mit ihrer gleichnamigen Company den Drachen, den Dragon, der Liebe speit und den Tänzer/-innen ein explosives Ausdruckspotenzial eröffnet, das wie ein Motto maßgeblich wurde für das Festival „Tanz Bremen“. Hervorgegangen aus dem 1988 gegründeten Tanzherbst leitet Sabine Gehm zum vierten Mal das Festival und setzte wieder Maßstäbe in Inhalt und Qualität. Mit durchgehend ausverkauften 25 Vorstellungen gelang erneut die einzigartige Verbindung von großen Produktionen aus aller Welt mit örtlich verankerten Initiativen.
Wenn nicht alles täuscht, scheinen mit den bedrohlichen Themen dieser Zeit die Körper und ihr Ausdruck an Bedeutung zu gewinnen. Der Philosoph Michael Foucault bringt es mit dem Satz „Eines ist jedenfalls sicher: Der menschliche Körper ist der Hauptakteur aller Utopien“ auf den Punkt für die Schwerpunkte Kanada und die Choreografien von Frauen.
Im Einwanderungsland Kanada tummeln sich viele Ethnien, eine kreativer als die andere. So zum Beispiel zauberte „Rubberband“ aus Quebec mit „Ever so slighty“ eine inhaltlich einfache, aber faszinierend virtuose Show von Victor Quijada, in der aus einem fulminanten Kollektiv noch fulminantere Einzelleistungen herausspringen: stehende Ovationen im ausverkauften Haus.
Wenn nicht alles täuscht, scheinen mit den bedrohlichen Themen dieser Zeit die Körper und ihr Ausdruck an Bedeutung zu gewinnen. Das zeigt sich auch beim Schwerpunkt Kanada. Im Einwanderungsland Kanada tummeln sich viele Ethnien, eine kreativer als die andere. So zum Beispiel zauberte „Rubberband“ aus Quebec mit „Ever so slighty“ eine inhaltlich einfache, aber faszinierend virtuose Show von Victor Quijada, in der aus einem fulminanten Kollektiv noch fulminantere Einzelleistungen herausspringen: stehende Ovationen im ausverkauften Haus.
Auch Clara Fureys Compagnie kommt aus Montreal und bot mit „Dog Rising“ eine deutsche Erstaufführung: ein weiteres Beispiel, wie unterschiedlich Körperarbeit sein kann. Die drei Tänzer/-innen in Blau, Gelb und Rot geraten mit ihren Bewegungen in Trance, weil sie keine anderen Chancen haben. Sie mutieren zu Marionetten ihrer Systeme, darin kann man durchaus eine politische Botschaft erkennen.
Die kolumbianische Choreografin Andrea Peña gestaltete mit ihrer Compagnie „Andrea Peña & Artists“ (Montreal) mit „6.58: Manifesto“ eine umfassende Befragung zum Thema Kunst. Es werden Auftritte nach algorhythmischen Gesetzen zelebriert, die Menschen zu Gesang und Walzer verführt, am Ende steht die explosive Befreiung aus allen Zwängen.
Ein Solo-Doppel-Abend widmet sich der brutalen Situation des gedemütigten und zertretenen Menschen, wieder ein aktuelles Thema. In „Untitled I“ von Andrea Peña versucht ein nackter Mann, sich in immer neuen Bewegungen immer schneller, immer höher, immer ehrgeiziger hineinzusteigern, bis auch das scheitert (großartig Francois Richard). Und dann tanzt Peña selbst mit „Container“ von Vanessa Goodman (Kanada) eine Europapremiere: Ihre schier atemberaubende Körpersprache mit ihren zuckenden Bewegungen geht wieder einen ganz anderen Weg des körperlichen Ausdrucks. Dann sozusagen ein filigraner Zauberabend mit „Graveyards and Gardens“ von Vanessa Goodman & Caroline Shaw, ein poetisches Duo zwischen Tanz und Musik, kleinen Flohmarktstehlampen und Grünpflanzen.
Immer wieder ging es auch um die grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Kunst. Was Niv Sheinfeld und Oren Laor, Tal Adler Arieli, Roni Chadash da als „Art Attack“ (Israel) regelrecht zusammentobten, war unbeschreiblich und endete in einer wilden Tanzorgie des ganzen Publikums: „Keine Regeln, keine Vorschriften...“ war das explosive Konzept.
Schon immer gehören zum Tanzfestival zahlreiche öffentliche Workshops und auch regionale Produktionen, allemal diejenigen, die es zu überregionaler Beachtung und Preisen geschafft haben. So die originellen Arbeiten der Choreografin Birgit Freitag, die es liebt, die traditionelle Professionalität zu verlassen und es mit begeisterten Laiinnen und Laien zu tun zu haben.
„Aus der Haut fahren“ ist ein hinreißender Versuch über das Thema Wut. Der Bremer Tänzer Tomas Bünger, der weltweit erfolgreich unterrichtet und choreografiert, überraschte mit seiner Auseinandersetzung über „Queer“: Zusammen mit dem russischen Tänzer Sergij Zhukov wurden die Zuschauer unter dem Titel „See me!“ hineingezogen in den einstündigen Versuch einer witzigen, brutalen und immer unendlich tiefgründigen Annäherung. Ein großes und nachdenklich machendes Festival!
Ute Schalz-Laurenze
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