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Berichte
Im Salon der Leidenschaften
Umberto Giordanos „Fedora“ an der Oper Frankfurt
Intendant Bernd Loebe war animiert, Christoph Loys Stockholmer Inszenierung von Giordanos „Fedora“ auch in seinem Haus zu prüfen: Wirkt die „Adelsschmonzette“ um die schöne Fürstin heute noch?
Das zugrundeliegende Schauspiel von Victorien Sardou war nach 1882 ein Riesenerfolg durch die Tragödinnen Eleonora Duse und Sarah Bernhardt. Auch die Oper steht und fällt mit der Interpretin der Titelrolle: Es müssen Atmosphäre, Stil, auch der „Duft einer versunkenen Welt“ à la Proust künstlerisch feinsinnig beschworen werden, sonst versackert die Dramatik zum Boulevard-Kitsch zwischen „Diana und Fergie“. Dafür hat sich Regisseur Loy mit dem ihm vertrauten Ausstatter Herbert Murauer verständigt, den adeligen Salon aus ihrer Online-Rarität, dem szenischem Tschaikowsky-Lieder-Abend „Nur wer die Sehnsucht kennt“ zu nutzen, um „Bilder zurück“ zu entwerfen. Andererseits präsentiert Loy die Handlung nahe „Adels-TV“: Eine zentrale Kamera und zwei in den Seitengassen sowie Zuspielungen vom Weg aus den Garderoben auf die Bühne rücken das intensive Spiel der Protagonisten näher. Nur gelang der einstudierenden Loy-Mitarbeiterin Anna Tomson die finale Glut des 3. Akts nicht.
Nicholas Brownlee als De Siriex und Nadja Stefanoff als Fedora sowie Mitglieder des Ensembles. Foto: Barbara Aumüller
Doch sowohl im edlen Salon der Hauptbühne wie mit der wiederholten Öffnung des großen Bilderrahmens in der Rückwand gelangen überzeugende Beschwörungen des gesellschaftlichen „einst“: vorne der Tod des ehebrecherischen Fürsten; Fedoras Schwur auf ihr Brustkreuz, den Mörder zu bestrafen; als exzellentes Genre-Bild hinten die Pariser Ballgesellschaft mit einem „Chopin-Enkel“ am Flügel – wodurch dieses raffiniert komponierte Ensemble gekonnt „durch-schau-und-hörbar“ wird, dass nämlich vorne Fedora glaubt, in dem eleganten Exil-Russen Loris den Mörder zu finden, seinem leidenschaftlichen Drängen in „Amor ti vieta di non amar“ kaum widerstehen kann, den Betrug des Gatten erkennen muss – dass dann das Ballgetriebe hinter der Wand verschwindet und vorne Fedora und Loris zueinander finden. Dass es dennoch eine belastete Liebe wird, denn Fedora ist am Tod von Loris Bruder und Mutter mitschuldig, haben Loy und Murauer in einer vierfach gestaffelten „Idylle“ entlarvt. Darin hätte Loris‘ Rachsucht gegenüber der zunächst unbekannten Denunziantin, auch Fedoras Schuldbekenntnis und ihre Selbstvergiftung vulkanisch wirken können.
Die Schlussbegeisterung im vollbesetzten Frankfurter Haus war dennoch angebracht. Mit dem 31-jährigen Lorenzo Passerini stellte sich ein weiteres Dirigier-Talent aus Giordanos Heimat vor – mit dem Temperament für die russischen Tänze und Anspielungen, dem Feinsinn für das Pariser Parfum in Gesellschaft und Liebeständeleien und dem Zupacken für die Dramatik von Scheitern und Tod – das Frankfurter Museumsorchester und der Chor machten da gekonnt mit. Weitere Frankfurter Qualitäten: ein überzeugend rollendeckendes Ensemble in den vielen Nebenrollen als Diener, Polizei und „gute Gesellschaft“. Wie schon die Schauspiel-Ikonen wollten in der Oper nahezu alle Tenor-Stars in der Nachfolge von Enrico Caruso den Loris singen. Nach seinem sensationellen Debüt in Berlin stellte Frankfurt nun mit Jonathan Tetelman einen kommenden Tenor-Star endgültig in die erste Reihe: mit blendender Bühnenerscheinung, einem Hauch von „latin lover“ und einer über alle und das Orchesterfortissimo locker hinweg „ausgestellten“ Strahlkraft – bravo! Natürlich steht und fällt der Abend mit der Titelheldin. Nadja Stefanoff hat den Wechsel aus dem Mez-zo-Fach in die „lírico spinto“-Sopranpartien beeindruckend vollzogen: Ihre Bühnenerscheinung vereint genau das rollengerechte Maß an herbem Selbstbewusstsein, leidenschaftlicher Frau und souveräner Grande Dame, also vom dolce piano in harten Furor. Insgesamt daher auch ohne die letzte Loy-Raffinesse ein „Melodramma“ mit großen Gefühlen in Spiel und Ton.
Wolf-Dieter Peter |