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Rezensionen

Engelbert Humperdinck

Zwei Publikationen zum 100. Todestag des Komponisten

  • Matthias Corvin, Märchenerzähler und Visionär. Der Komponist Engelbert Humperdinck, Schott Verlag, 292 S., Euro 22,99, ISBN978-3-95983-610-7

Es war der Musikschriftsteller Paul Bekker, der Engelbert Humperdinck 1908 erstmals als „gemütlichen Hausvater“ und musikalischen „Märchenonkel“ bezeichnete. Dass er das mitnichten war, hat Matthias Corvin in seiner aus Anlass des 100. Todestags des Komponisten veröffentlichten Biographie nun deutlich gemacht.

Die Oper „Hänsel und Gretel“ machte Engelbert Humperdinck zwar weltbekannt und zum musikalischen Märchenerzähler der Nation. Aber ihr Komponist ist noch immer weithin wenig bekannt. Matthias Corvin schließt diese Lücke. Er dokumentiert das Leben Humperdincks, seine Jugend im rheinischen Siegburg und Paderborn, seine Stipendiatenzeit in Italien, seine Wagner-Assistenz in Bayreuth, seine Reisen durch Frankreich und Spanien, seine beruflichen Stationen in Köln, Essen, Barcelona und Mainz, die Höhepunkte seiner Karriere in Frankfurt und Boppard (wo er seine imposante Komponistenresidenz erbaute), das Kapitel seines späten Ruhms (als Professor an der Akademie der Künste) und seinen Abgesang in Berlin. Dort zählten so diverse Komponisten wie Manfred Gurlitt, Kurt Weill, Friedrich Hollaender, Robert Stolz und viele andere zu seinen Schülern. Der 1854 im rheinischen Siegburg geborene Fin-de-Siècle-Komponist war gefeierter Dirigent, Pädagoge, Komponist, Musikkritiker, Schriftsteller und Volksliedsammler.

Matthias Corvin, Märchenerzähler und Visionär. Der Komponist Engelbert Humperdinck, Schott Verlag, 292 S., Euro 22,99, ISBN978-3-95983-610-7

Matthias Corvin, Märchenerzähler und Visionär. Der Komponist Engelbert Humperdinck, Schott Verlag, 292 S., Euro 22,99, ISBN978-3-95983-610-7

Neben der Deutschen Waldoper, die ja mitnichten eine Kinder- und Weihnachtsoper ist (ein krasses Missverständnis), schrieb er weitere 14 Opern, eine Reihe von Chor- und Orchesterwerken, Lieder und viel Kammermusik. Neun Schauspielmusiken komponierte er, nicht zu vergessen die Pantomime „Das Mirakel“, die 1911 in London ihre Premiere erlebte, um später in Berlin, New York und bei den Salzburger Festspielen Triumphe zu feiern. Zurecht bezeichnet der Autor das Werk als einen „Wegbereiter der Filmmusik“. Humperdinck tauschte sich mit vielen berühmten Komponisten seiner Zeit aus, unter anderem mit Richard Strauss, Giacomo Puccini und Hugo Wolf, Max von Schillings, Ermanno Wolf-Ferrari, aber auch mit Dirigenten wie Arthur Nikisch, Hermann Levi und Felix Mottl. Er blickte stets über seinen Tellerrand, war neugierig, aufgeschlossen für Neues und diskussionsfreudig.

Humperdinck war zeitlebens bekennender Wagnerianer, aber er fand doch seinen eigenen musikalischen Tonfall und segelte kompositorisch durchaus nicht im Fahrwasser seins Idols. Er kopierte die „Parsifal“-Partitur, schrieb diverse Arrangements für Wagner, bewährte sich als Solorepetitor und verlängerte auf Wagners Wunsch die Verwandlungsmusik im ersten Akt des „Parsifal“.

Humperdinck war, wie Corvin schreibt, einer der bedeutendsten Künstler im Deutschen Kaiserreich. Zu seinen Schülern gehören Kurt Weill und der Wagner-Sohn Siegfried. Er starb im September 1921. Die Biografie Matthias Corvins bietet eine längst überfällige Neubewertung des unterschätzten Komponisten. Zuletzt hatte nach Otto Boschs früher Humperdinck-Biografie von 1914 der (nationalsozialistisch schwer belastete) Humperdinck-Sohn Wolfram 1965 eine deutschsprachige Biografie des Komponisten vorgelegt. Er hat im Dritten Reich seinen Vater zu Unrecht „als Vorreiter rechter Ideologien“ gefeiert. Corvins sachliches, gut lesbares und fotografisch reich illustriertes Buch enthält auch ein vorzügliches Werkverzeichnis, viele Anmerkungen, eine große Bib-
liographie, eine vollständige Diskografie/Videografie und ein nützliches Register. Die längst überfällige, fabelhafte Monografie dürfte ein Standardwerk werden.

  • CD-Hommage
    Erinnerung. „Homage to Humperdinck“ DG 4839762 (2 CDs)

Schon im Vorfeld seines 100. Todestages hat die Deutsche Grammophon eine Humperdinck-Anthologie als Doppel-CD mit dem Titel „Erinnerung” als Hommage an den Komponisten Engelbert Humperdinck veröffentlicht, dessen entwaffnende Innigkeit bis heute ihr Publikum hat. Die Zusammenstellung wirft vor allem ein Licht auf die viel zu wenig beachtete musikalische Vielseitigkeit des Komponisten. Der stark von Richard Wagner geprägte Humperdinck arrangierte unter anderem das Vorspiel zu „Tristan und Isolde“ für Septett. Eine beeindruckende Entdeckung! Von Humperdincks neun Schauspielmusiken sind immerhin Auszüge zu hören. Von seinen 15 Opern sind zumindest zwei in dieser Edition vertreten: Auszüge aus den Opern „Hänsel und Gretel“ in der brillanten und hochkarätig besetzten Aufnahme Georg Soltis (mit Brigitte Fassbaender und Lucia Popp in den Titelpartien) und „Königskinder“ in einer im Juli 2005 mit dem Orchestre National de Montpellier Languedoc-Roussillon unter Armin Jordan entstandenen Liveproduktion, mit Jonas Kaufmann als Königssohn. Das reiche Liedschaffen Humperdincks ist ebenfalls mehrfach dokumentiert. Alles in allem eine Anthologie, die das vorherrschende Bild Humperdincks als Komponist erfreulich erweitert.

David-Dieter Scholz

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