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Kulturpolitik
Brennpunkte
Impfen – Testen – Theaterbetrieb
Täglich gehen bei der Geschäftsführung und der Rechtsberatung der VdO Anfragen zu den unterschiedlichen Hygienekonzepten der Häuser ein. Eine Antwort darauf ist oft schwer: Die diversen Rechtsgrundlagen, namentlich die Infektionsschutzgesetze des Bundes und der Länder sowie die auf deren Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen treffen regelmäßig keine konkreten Aussagen zu den Besonderheiten des Bühnenbetriebs. Die kürzlich aktualisierte Empfehlung der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) ist erstens nicht verbindlich und trifft zweitens keine Aussagen zu den zentralen Themen Testen / Impfen / Auskunft. Daher hier einige Gesichtspunkte zu diesen Themen:
Fest steht, dass es nicht nur keine staatlich verordnete Impfpflicht gibt, sondern dass diese aufgrund des Rechts auf körperliche Unversehrtheit derzeit – anders als in vielen anderen Ländern – in Deutschland auch arbeitsrechtlich nicht implementiert werden kann. Gleiches gilt wohl für den „klassischen“ PCR-Test, der als körperlicher Eingriff gewertet werden kann. Offen ist es für weitere Testformen wie den Gurgel-, den „Lolli“- oder den Schnelltest. Fest steht auch, dass es – aus Gründen der „informationellen Selbstbestimmung“ – keine allgemeine Auskunftspflicht und kein allgemeines Fragerecht von Arbeitgebern etwa bezüglich des Impfstatus‘ geben kann. Dieses kann allerdings, auch über die gesetzlich festgelegten Ausnahmen, etwa für Kliniken und Pflegeeinrichtungen, hinaus dann begründet sein, wenn der Arbeitgeber ein überwiegendes berechtigtes Interesse an der Feststellung des Impfstatus‘ seiner Beschäftigten hat. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn sich im Arbeitsprozess die üblichen Hygiene-Regeln (Abstand, Maske, Lüften etc.) nicht einhalten lassen. Genauere Kriterien existieren jedoch nicht.
Die gefährlichen Mechanismen, die ausgelöst werden können, hat kein Beteiligter allein in der Hand.
Unklar ist auch, in welchen Fällen das Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung des Betriebs und am Schutz der Gesundheit der Gesamtheit der Beschäftigten, auch derer, die sich aus medizinischer Indikation nicht impfen lassen können, gegenüber dem Datenschutzinteresse einzelner Beschäftigter überwiegt. Für den Bereich von Bühnenproben und Vorstellungen wird dies vom Deutschen Bühnenverein – soweit bekannt, bisher rechtlich unangefochten – bejaht.
Fraglich ist schließlich auch, wie Arbeitgeber mit Test-, Impf- und/oder Auskunftsverweigerungen umgehen dürfen: Freistellung? Bezahlt oder unbezahlt? Im Falle anhaltender Verweigerung bei anhaltender pandemischer Lage gar – bei NV-Bühne-Beschäftigten – Nichtverlängerung aus künstlerischen Gründen mangels Einsetzbarkeit? Einige erstinstanzliche Urteile der Arbeitsgerichte (bisher außerhalb des Theaterbereichs) bestätigen, dass der Vergütungsanspruch wegfallen kann, wenn ein/e Arbeitnehmer/in wegen Verweigerung der Testteilnahme nicht arbeitsvertragsgemäß eingesetzt werden kann. Ob sie Bestand haben, muss sich noch erweisen.
Viele Theater gehen derzeit den Weg des geringsten Widerstands und stellen alle Beschäftigten, bei denen sie keine Klarheit über den Impf- bzw. Infektionsstatus haben, insoweit frei, als ihr Einsatz nur unter Verzicht auf die genannten Hygieneregeln möglich wäre. Dies ist kurzfristig rechtlich nicht zu beanstanden (Ausnahme vielleicht: testwillige nicht impfbare Personen, soweit das Hygienekonzept des Arbeitgebers vorsieht, dass nur Geimpfte/Genesene auf der Bühne eingesetzt werden), ist aber aus anderen Gründen problematisch. Zum Einen: Wenn die Kooperationswilligen, also etwa Geimpfte, die dies freiwillig bestätigen, „arbeiten müssen“, während Auskunftsunwillige bei voller Bezahlung „frei haben“, schafft dies in der Belegschaft erhebliche Spannungen. Zum Anderen: Nachdem in Folge der astronomischen Kosten der Pandemie für die öffentliche Hand die Politik sich schon jetzt wieder einmal zu fragen beginnt, wieviel man im Kultursektor noch „sparen“ kann, muss es für diese Überlegungen wie ein Brandbeschleuniger wirken, wenn die personalkostenintensiven Theater wesentliche Teile dieses Personals bezahlen, ohne sie einsetzen zu können/wollen. Den betroffenen Personen muss klar sein, dass sie kräftig an dem Ast sägen, auf dem sie – jedenfalls beruflich – sitzen.
Fazit: Die Lage ist in allzu vieler Hinsicht unklar und unsicher; die gefährlichen Mechanismen, die ausgelöst werden können, hat kein Beteiligter allein in der Hand. Im gemeinsamen Interesse der Bühnen und ihrer – insbesondere künstlerisch – Beschäftigten daran, durch eine eindrucksvolle öffentliche Präsenz gerade in schwierigen Zeiten ihre eigene Existenz ebenso wie den Gesundheitsschutz aller Kolleg/inn/en zu sichern, sollten einerseits Grundrechte verantwortungsbewusst ausgeübt, andererseits erhaltene Informationen nicht missbraucht werden. Beides setzt Vertrauen voraus. Dies kann etwa durch entsprechende Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die die „Spielregeln“ insbesondere hinsichtlich der Speicherung und Nutzung von Daten verbindlich regeln, abgesichert werden.
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