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Kulturpolitik
Auf ein Wort mit...
... Thüringens Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff im Gespräch
Benjamin-Immanuel Hoff, Chef der Thüringer Staatskanzlei und Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten, außerdem Antisemitismusbeauftragter des Freistaates Thüringen, war zu Besuch am Stand des ConBrio Verlags auf der Leipziger Buchmesse. Barbara Haack sprach mit ihm über Theater und Kultur in Thüringen.
Oper & Tanz: In einem Editorial der Zeitschrift „Oper und Tanz“ aus dem Jahr 2006 findet sich der Satz: „Nachdem zwar noch nicht ausdrücklich erklärten, aber erkennbaren Willen der CDU-Regierung des Freistaates Thüringen soll es bis 2014 nur noch drei Mehrspartentheater im ehemaligen Kulturland geben: Meiningen in Südthüringen, die Theater und Philharmonie Thüringen in Altenburg Gera und ein Theaterkombinat Erfurt-Weimar, über dessen Sitz und Struktur wieder ebenso gerätselt und gestritten werden darf, wie das seit 1993 üblich ist.“
Es ist anders gekommen: Sie haben 2016 eine Theaterstrukturreform initiiert und auch realisiert. Es wurde kein Theater geschlossen, es gibt auch kein Kombinat. Diese Strukturreform ist langfristig angelegt, Sie haben aber angekündigt, 2020/2021 erstmals überprüfen zu wollen, ob sie funktioniert. Wie ist der Stand der Dinge aus Ihrer Sicht?
Benjamin-Immanuel Hoff: Was wir 2014, 2015 und 2016 gemacht haben, waren drei Dinge: Wir haben als erstes eine Analyse vorgelegt und haben gesagt: Wo stehen eigentlich unsere Theater? Wir haben das Rezeptionsverhalten betrachtet: Was verändert sich, und wie müssen sich die Theater verändern? Wenn in einem Land mit 2,1 Millionen Einwohnern normale Theaterproduktionen sechs Mal gespielt werden, dann hat man den Teil der Bevölkerung, der Theaterpublikum ist, bearbeitet. Aber ökonomisch sind sechs Veranstaltungen nicht, da müsste man das Stück zwölf, dreizehn Mal spielen.
Benjamin-Immanuel Hoff. Foto: Ursula Gaisa
Dann hat uns vor allem die Tarifsituation beschäftigt. Wie sieht die Situation der Staatstheater wie dem Deutschen Nationaltheater in Weimar und dem Theater in Meiningen im Vergleich zu Saalfeld-Rudolstadt, aber auch zur Landeskapelle Eisenach aus? Daraus haben wir Schlussfolgerungen gezogen: Wir wollen keinen Abbau, wie ihn die neo-liberale Kulturpolitik der vergangenen zwanzig Jahre betrieben hat, sondern wir wollen bei einer guten Konjunkturlage darüber reden, wie wir die Strukturen weiter entwickeln und eben nicht Kooperationen als Euphemismus zur Einsparung, sondern Kooperation als einen tatsächlichen Mehrwert schaffen können.
Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass das Staatsballett in Gera jetzt auch in Erfurt auftritt, genauso wie das Eisenacher Ballett in Weimar. Wir haben die unselige Debatte, dass man Weimar und Erfurt fusionieren muss, beendet. Ja, es sind 15 Minuten mit dem Regionalzug zwischen beiden Theatern. Aber in Berlin gibt es deutlich mehr Opernhäuser und Theater, die auch sehr nah beieinander sind. Da geht es darum, ob man das finanzieren kann und will. Bei der Überprüfung, die wir jetzt machen werden, soll nicht wieder alles in Frage gestellt werden, denn wir wissen, was gut läuft. Das Thema, das uns jetzt vor allem beschäftigen wird, ist, wie wir im Theater Saalfeld-Rudolstadt die Tarifanpassung so hinkriegen, dass das Theater in der Kooperation mit dem Theater Nordhausen im Norden und dem Theater Eisenach im Westen das Schlüsselgelenk wird, so dass es diese Arbeit eben auch gewährleisten kann.
O&T: Im Freistaat Sachsen gab es eine Initiative des Ministerpräsidenten. Er hat Geld in die Hand genommen und es den Kommunen zur Verfügung gestellt, die dann allerdings nochmal etwas draufsatteln mussten, um dann wieder zurück zum Flächentarif zu kommen. Ist im Vorfeld der Landtagswahlen in Thüringen so etwas auch denkbar? Dass vom Staat noch mehr Geld in die Kommunen gelangt, um den Flächentarif zu erreichen?
Hoff: Wir haben beim Theatervertrag von 2016 ganz bewusst gesagt, dass wir zum Flächentarif zurückgehen wollen und dass wir unseren Anteil dazu leisten. Aber die Kommunen müssen ihren Anteil auch leisten. Egal wie die Lage der öffentlichen Finanzen ist, die kommunalen Spitzenverbände schaffen es eigentlich immer, den Eindruck zu erwecken, als würden sie nur am Bettelstab gehen. Aber auch die Thüringer Kommunen hatten deutlich steigende Steuereinnahmen, sie haben Altschulden abgebaut; auch die Kommunen sind in einer finanziell besseren Situation.
Ich will, dass wir endlich davon wegkommen, zwischen öffentlich Beschäftigten in der Verwaltung in Grünflächenämtern oder zum Beispiel der Polizei und eben den Beschäftigten öffentlicher Kulturinstitutionen und Kulturbetriebe zu differenzieren. Wenn es eine Tariferhöhung für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gibt, dann muss diese Tarifanpassung auch an die Zuwendungsempfänger der öffentlichen Kulturinstitutionen weitergegeben werden. Verhandeln die Gewerkschaften vier Prozent mehr für die öffentlich Beschäftigten, müssen wir vier Prozent obendrauf legen, damit dieses Geld auch bei den Kulturinstitutionen ankommt. Theaterbetriebe, Museen sind Kulturstadtwerke, die verbreiten kulturelle Energie, und deshalb muss man die Beschäftigten dort auch genau so behandeln wie diejenigen, die ansonsten in den Energiestadtwerken tätig sind.
O&T: Wie sehen Sie die Bereitschaft in den Kommunen?
Hoff: Ich rede ja mit den Oberbürgermeistern, die mir sagen: „Ich bin auf deiner Seite, ich will das auch, aber ich muss es in meinem Haushalt durchkämpfen.“ Genauso muss ich es im Landeshaushalt durchkämpfen. Aber es geht hier um den gesellschaftlichen Stellenwert von Kultur insgesamt.
O&T: Das Theater Altenburg-Gera haben Sie gerade schon erwähnt; das hat gerade einen Preis bekommen…
Hoff: Zu Recht!
O&T: … für sein innovatives Theaterprogramm. Wie wichtig ist das – für das Theater und für Sie?
Hoff: Der Theaterpreis ist in zweifacher Hinsicht wichtig: Die Stadt Gera ist so eine Stadt, die in den vergangenen 30 Jahren alle akkumulierten Enttäuschungserfahrungen zu vergegenwärtigen hatte. Sie war mal Bezirksstadt und hat diesen Status verloren. Dann gab es Abwanderungen, die Bevölkerung ist immer älter geworden, die Stadtwerke sind in den Konkurs gegangen. Jetzt haben sie einen neuen Oberbürgermeister, der gesagt hat: „Wir werfen unseren Hut in den Ring und wollen Kulturhauptstadt 2025 werden.“ In dieser Situation bekommt das Theater diesen Preis. Jetzt reden die Leute auf einmal nicht mehr darüber, was alles verloren gegangen ist, sondern darüber, was jetzt passiert, und das ist toll für Gera. Für Altenburg ist es deshalb wichtig, weil Altenburg die Stadt war, wo eine Pegida-AfD-rechtsextreme Bürgerinitiative dazu aufgerufen hat, das Theater zu boykottieren. Weil das Theater das getan hat, was Kultur zu tun hat, nämlich für Verständigung zu sorgen. Insofern ist dieser Preis für die Kulturbürgerinnen und Kulturbürger der Städte Altenburg und Gera ein unglaublich wichtiges Signal.
O&T: Sie haben in einem Interview mit der Zeitung „Politik und Kultur“ gesagt, dass Sie den Heimatbegriff nicht den Rechten überlassen wollen. Der Osten Deutschlands wird ja durchaus mit dem Thema Rechtsradikalismus in Verbindung gebracht. Nicht zu Unrecht, wenn man sich die Wahlergebnisse anguckt. Was bedeutet Heimat für Sie?
Hoff: Für mich ist Heimat vor allem der Ort, den ich selbst als Heimatort definiere. Ich habe vierzig Jahre in Berlin gelebt und habe mich in der Stadt wohlgefühlt. Aber heute sage ich: „Ich bin in Thüringen zuhause.“ Hier ist eine Saite von mir zum Schwingen gekommen, und es ist ein Glück, für ein solches Land wie Thüringen als Kulturminister Verantwortung zu tragen. Ich finde es unselig, dass die Linke mit diesem Begriff Heimat so hadert, weil sie sagt, er sei unheilbar determiniert. Aber ich glaube, dass es eine geschickte Diskursstrategie der Rechten ist, Heimat als Angriff auf jede Modernisierung verwenden zu dürfen. Wir müssen von diesem angstbedingten, rückwärtsgetriebenen Heimatbegriff zu dem kommen, was Heimat ist. Heimat ist eben keine sepia-farbene Postkarte, auf der es keine Windräder geben darf, weil das unser Dorf kaputt macht, sondern Heimat ist das, was wir daraus machen. Auch das, wodurch unsere moderne Gesellschaft sich heutzutage auszeichnet: durch Zuwanderung, die auch die Thüringer Kultur immer geprägt hat. Wir hatten eine wunderbare Diskussion mit der AfD im Landtag, die sagte, wir müssten die Thüringer Kultur retten. Darauf haben wir gefragt: „Was ist denn eure Thüringer Kultur? Franz Liszt, der Ungar? Worüber reden wir da eigentlich?“ Thüringens Kultur ist eine Kultur von Zuwanderung, Abwanderung, von Heimatsuche, von Schutzsuche: zum Beispiel Luther auf der Wartburg. Und diese Geschichten immer wieder zu erzählen und auch wieder präsent zu machen, das macht Thüringen aus. Heimat ist eben auch der Ort, an dem Menschen leben wollen, die ihre Heimat verlassen müssen und die nach Deutschland kommen, weil sie Sicherheit wollen. Insofern dürfen wir diesen Begriff nicht den Rechten überlassen.
O&T: Trotzdem versucht die AfD, Einfluss auf Kulturinhalte zu nehmen und die Kunstfreiheit zu beschränken. Was tun Sie dagegen? Gerade in einem Land, wo die AfD deutlichen Zuspruch erfährt.
Hoff: Wir müssen immer wieder deutlich machen, dass die AfD wie Tur Tur, der Scheinriese, ist. Wir reden sie stark und groß, indem wir ihr einen Raum geben, der ihr nicht zusteht. Ich finde, dass wir als Demokratinnen und Demokraten selbstbewusst reagieren, aber auch dafür Sorge tragen müssen, dass unsere demokratischen Institutionen funktionieren. Die Angriffe auf den öffentlichen Rundfunk aus etablierten Parteien heraus sind viel gefährlicher als das, was wir von Seiten der AfD erleben.
Barbara Haack |