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Von morgens bis abends im Theater
Brigitte Fassbaender im Porträt · Von Midou Grossmann Brigitte
Fassbaender begann ihre Gesangskarriere 1961 an der Bayerischen
Staatsoper, sie feiert also in diesem Jahr ein 50-jähriges
Berufsjubiläum, denn noch immer ist sie von morgens bis abends
im Theater aktiv, und das fast jeden Tag. Die unermüdliche
Künstlerin wird in der nächsten Spielzeit zwar die Intendanz
des Tiroler Landestheaters nach 13 erfolgreichen Jahren niederlegen.
Dennoch wird sie auch zukünftig wenig Freizeit haben, denn
sie bleibt weiterhin Künstlerische Leiterin des Richard-Strauss-Festivals
in Garmisch-Partenkirchen, ist in internationalen Jurys tätig,
unterrichtet junge Sänger in Meisterkursen, schreibt Libretti,
und auch diverse Angebote für Regiearbeiten liegen bereits
vor.
Die Jahre in Innsbruck bezeichnet sie als eine gute und erfüllte
Zeit für alle. „Theater muss aber immer weitergehen,
es muss lebendig sein, es darf nicht stagnieren.“ Sie strahlt
eine ungeheure kreative Energie aus und scheint alles in diesem
Dreispartenhaus mit rund 400 Mitarbeitern, (das eigentlich ein
Fünfspartenhaus ist, zählt man die Konzertreihen sowie
die Kinder- und Jugendprogramme dazu) im Griff zu haben. „Wer
von den Sängern es wünscht, den unterrichte ich. Ensemblepflege
ist ungemein wichtig. Aber der Tod des Ensembletheaters ist vorprogrammiert,
vor allem auch durch die restriktiven Auflagen, die auf den Arbeitgeber
zukommen“, erklärt sie mit Bedauern. Sie selbst war
immer mit einem naturgegebenen Gesangsgefühl gesegnet, konnte
sich in einer Performance gänzlich verinnerlichen und spricht
von einem leibgeistigen Eintauchen in die Materie. Speziell bei
Liederabenden waren Konzentration und Gestaltung so stark gebündelt,
dass sie im Nachhinein nichts mehr rekonstruieren konnte. „Ich
war beim Liedgesang ganz bei mir selbst, ich war immer eine reine
Ausdruckssängerin. Wenn alles stimmt, stellt sich ein großes
Glücksgefühl ein. Ich habe immer aus der Intuition agiert,
bewusst steuern konnte ich diesen Prozess nicht. Man kann seine
eigene Wirkung nie wirklich beurteilen, man soll es auch nicht,
das nimmt die eigene Unbefangenheit.“ Auf die Frage, wie
man diese Schaffensebene erreichen könne, antwortet sie: „Heute
fehlt es vielleicht an Mut und Risikobereitschaft. Die Kommerzialisierung
der Kunst gibt fast keinen freien Raum mehr für eine gesunde
Entwicklung der Stimme. Viel Talent wird so vergeudet, man braucht
Zeit zum Reifen, man wird nicht als fertiger Künstler geboren.“ Internationale Karriere
„Früher gab es sicherlich, im Gegensatz zu heute,
viel mehr Intendanten, die etwas vom Wachsen und Werden eines Sängers
verstanden. Es ist wichtig, im Voraus das Potenzial einer Stimme
beurteilen zu können, zu erkennen, was aus dem aktuellen Erscheinungsbild
bei pfleglicher Behandlung noch werden kann. Das ist nicht immer
einfach, doch das war auch ein Schwerpunkt meiner Arbeit hier in
Innsbruck.“
Die Bayerische Staatsoper blieb lange Zeit das Stammhaus von
Brigitte Fassbaender. Nach zehn Jahren mit fester Vertragsbindung
gab es
ab 1970 einen Residenzvertrag, der ihr erlaubte, ihrer internationalen
Karriere nachzugehen. Sie wurde zur Bayerischen Kammersängerin
ernannt (und kurz darauf auch zur Wiener Kammersängerin).
Angefangen hat auch sie mit kleineren Partien, ganz bewusst, und
erklärt, dass Intendant Hartmann jemand war, der noch gezielt
eine Stimme aufbauen konnte. Es wurden damals sogar Urlaube verweigert,
weil man fand, dass ein auswärtiges Engagement der Stimme
schaden könne. 1995 beendete die Mezzosopranistin ihre Gesangsauftritte
auf dem Höhepunkt einer Weltkarriere: „Ich wollte keinen
Abstieg erleben. Die Regie war damals schon mein zweites Standbein.
Angebote führten mich unter anderem ans Staatstheater Braunschweig,
dort war ich Operndirektorin von 1995 bis 1997.“ Nach einer
erfolgreichen Regiearbeit in Innsbruck bewarb sie sich dort um
den ausgeschriebenen Intendantenposten, durchlief ganz normal die
vorgeschriebenen Hearings und wurde 1999 Intendantin des Tiroler
Landestheaters. Das war ein Glücksfall für Stadt und
Region, das Publikum steht heute wieder hinter dem Haus, das auf
eine Auslastung von 90 Prozent verweisen kann und auf einen Stamm
von 8.000 Abonnenten. Ein Theater steht und fällt eben mit
der Wertschätzung seines lokalen Publikums. Die gefragte Regisseurin
Brigitte Fassbaender hat sich inzwischen mit über 50 Inszenierungen
im In- und Ausland präsentiert und betont, dass für sie
die Musik für eine Operninszenierung nach wie vor die größte
Inspirationsquelle sei. Heutzutage keine Selbstverständlichkeit
mehr – so merkwürdig das auch klingen mag. Midou Grossmann
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