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Kulturpolitik

Was tun gegen Brummer?

Fachtagung „Singen mit Kindern“ in Hamburg · Von Ulrike Henningsen

Es ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen für Musikpädagogen, Kinder zum gemeinsamen Singen zu motivieren. Viele Grundschüler haben ihre angeborene Singfähigkeit bereits vor dem Schuleintritt wieder verloren, weil mit ihnen falsch oder eben gar nicht mehr gesungen wurde. Wie können Lehrer und Erzieher die Freude am Singen wecken? Was kann getan werden, damit im Alltag wieder mehr gesungen wird? Diesen Fragen ging eine Fachtagung in Hamburg nach.

Zur Tagung „Singen mit Kindern“ hatte der Landesmusikrat Hamburg in Kooperation mit dem Verband deutscher Musikschulen Referenten und 160 Teilnehmer eingeladen. Auf dem abwechslungsreichen Programm standen Vorträge, Workshops und ein Konzert. Die Veranstaltung begann gleich mit einem furiosen Auftakt.

 
 

 

 

Dabei ging es zunächst einmal um die Frage, wie Kinder lernen. Der Neurobiologe Gerald Hüther veranschaulichte in seinem faszinierenden Vortrag, wie immer neue Informationen im Gehirn gespeichert und vernetzt werden, wenn die geeigneten Voraussetzungen dafür gegeben sind. Er kritisierte, dass die Lernsituationen im Schulalltag in vielen Fächern leider oft mehr hinderlich als fördernd sind. Beim gemeinsamen Singen dagegen erlebt ein Kind, wie es ist, in einer Gemeinschaft über sich hinauszuwachsen. Durch diese Erfahrung wird das Gehirn in besonderem Maß positiv stimuliert. Aus Sicht der Hirnforschung hat die scheinbar nutzlose Tätigkeit des freien, unbekümmerten Singens den größten Nutzwert auf die Entwicklung von Kindergehirnen. Es lohnt sich also in vielfacher Hinsicht, bei Kindern die Begeisterung für das Singen wach zu rufen.

Andreas Mohr und Thomas Holland-Moritz gaben in Workshops ihr fundiertes Wissen und viele praktische Anregungen weiter. Zu den wichtigsten Grundlagen in der musikalischen Arbeit mit Kindern gehört die Kenntnis über den altersgemäßen Gebrauch der Singstimme. Andreas Mohr schilderte, welche negativen Auswirkungen das weit verbreitete laute Singen im Bruststimmenregister auf die Kinderstimme hat. Dieses falsche Singen schädigt langfristig die Stimme und ist eine der Ursachen für das zahlreiche Auftreten der berüchtigten „Brummer“. Mohr demonstrierte mit speziellen Übungen, wie Musiklehrer diesem Problem sinnvoll begegnen können. Singend probierten dann die Teilnehmer der Workshops von Thomas Holland-Moritz, mit welchen Liedern die Kinder lustvoll und spielerisch ihre eigene Singstimme wiederentdecken und weiterentwickeln können. Praktisch umgesetzt wurden alle diese Erfahrungen und Ideen der beiden Professoren bereits im Osnabrücker Projekt zum vokalorientierten Musikunterricht in der Grundschule. In allen Klassen der ausgewählten Pilot-Schule erhalten die Schüler einen erweiterten Musikunterricht, in dem von Anfang an der Schwerpunkt auf die Ausbildung der kindlichen Singstimme gelegt wird.

Konkrete Initiativen

Dies ist lediglich eine von zahlreichen Initiativen bundesweit, die sich zum Ziel gesetzt haben, so vielen Kindern wie möglich ihre Singstimme wiederzugeben. Ob JEKISS in Münster, SMS – Singen macht Sinn in Detmold, oder Primacanta in Frankfurt: Seit einigen Jahren wird nicht nur geklagt, sondern konkret gehandelt. Der Erfolg gibt den Initiatoren Recht. Vertreter von neun unterschiedlichen Projekten stellten auf dieser Tagung ihre engagierte Arbeit vor und animierten die Teilnehmer mit viel Schwung und Begeisterung zum Mitmachen.

Einen ganz eigenen Ansatz verfolgt das Projekt „Hamburger Sängerpaten“. Ziel dieser Initiative aus Grundschullehrern und Sängern des NDR Chors und des Chors der Hamburgischen Staatsoper ist es, Kindern aus Familien, die nicht von den Vermittlungsprogrammen der Hamburger Kulturinstitutionen erreicht werden, den Zugang zu Klassischer Musik zu ermöglichen. Dabei übernehmen Sängerinnen und Sänger für zwei Jahre eine Patenschaft für jeweils acht zweite Klassen. Verantwortlich für die Organisation sind die Grundschullehrerin Doris Mallasch und die Altistin Gesine Grube. Sie schilderten, wie im Laufe des Projekts eine enge Beziehung zwischen den Schülern und „ihren“ Sängern entsteht. Erleben die Kinder die ihnen angebotene Musik zunächst als ungewohnt und sehr fremd, bauen sie im regelmäßigen Kontakt schnell ihre Hemmschwellen ab und öffnen sich interessiert den neuen Klangeindrücken. Während dieser Zeit werden die Teilnehmer zusätzlich angeleitet, sich mit ihrer eigenen Singstimme auseinanderzusetzen. Eine begleitende wissenschaftliche Langzeitstudie zeigt, dass Schüler der teilnehmenden Klassen eine deutlich höhere Akzeptanz gegen-über klassischer Chormusik haben als die Kinder aus den Klassen ohne Sängerpaten.

Im abendlichen Konzert war dann ein breites Spektrum musikpädagogischer Arbeit zu erleben: Der Hamburger Knabenchor St. Nikolai und der Mädchenchor der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg zeigten, zu welchen enormen Leistungen Kinder und Jugendliche in der Lage sind. Eindrucksvoll geriet auch der Auftritt des Stadtteilchors Hamburg Süd vom Projekt The Young ClassX, einer Initiative zur Förderung des Singens an der Basis. Auch hier zeigten die Kinder mit großer innerer Anteilnahme und Leidenschaft, wie sie beim gemeinsamen Singen über sich hinauswachsen. Die anregende Fachtagung in Hamburg gibt berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass diese grundlegende Erfahrung in den kommenden Jahren immer mehr Kindern ermöglicht werden wird.

Ulrike Henningsen

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