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Die jungen Leute wollen einfach
Orchesterworkshop der Jungen Musiker Stiftung · Von Barbara
Haack
Ehrfürchtige Stille herrscht für einen Moment in dem
sonst eher quirligen Orchester. 50 junge Musiker betreten erstmals
das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth, in dem sie am Folgeabend
konzertieren werden. Und diese einzigartige Kulisse kann schon
beeindrucken. Der zwischen 1744 und 1748 von Prinzessin Friederike
Sophie Wilhelmine von Preußen, Ehefrau des Bayreuther Markgrafen
und Schwester Friedrichs des Großen, errichtete Theaterbau
gehört zu den wenigen in Europa erhaltenen Theaterbauten des
18. Jahrhunderts und ist noch heute ein Kleinod. Für den 1994
gedrehten Film „Farinelli“ diente das Theater immerhin
als Kulisse der Opernszenen. Wagner-Programm in Bayreuth
Das Orchester, das am spielfreien Abend während der Wagner-Festspiele
hier seinen Auftritt hat, setzt sich aus Musikstudenten aus ganz
Deutschland zusammen. Initiator des Orchesterworkshops, an dem
sie eine Woche lang teilgenommen haben, ist die Junge Musiker Stiftung
Bayreuth. Deren Leiter Manfred Jung erklärt das Konzept in
einem Satz: „Ziel ist es, junge Musiker zu fördern.“ Der
Tenor, der unter anderem im „Jahrhundert-Ring“ von
Patrice Chéreau den „Siegfried“ gesungen hat
und auf den großen Bühnen der Welt zu Hause war, kümmert
sich nun um den Nachwuchs. Das Projekt in Bayreuth war der zweite
Orchesterworkshop, den die noch sehr junge Stiftung förderte.
Manfred Jung hat sich dafür selbst ans Dirigentenpult gestellt.
Erfahrung als Orchesterleiter konnte er reichlich sammeln. Der
gebürtige Oberhauser hat schon zahlreiche Konzerte der Essener
Philharmonie dirigiert, ebenso den Philharmonischen Chor der Stadt
Essen. Nun also ist ein Jugendorchester an der Reihe. Und Manfred
Jung macht, wie fast jeder, der einmal mit einem jungen Ensem-ble
zu tun hatte, die Erfahrung: „Die jungen Leute wollen einfach.“ Sie üben
weit über die Proben hinaus, und wenn sie nicht mehr üben,
stellen sie sich zur Jazz-Session in die Bayreuther Fußgängerzone.
Und wenn die erste Probe am Konzertort zeigt, dass der Orchestergraben
eigentlich nur für 30 Musiker gedacht ist, finden sich sofort
ein paar junge Musiker, die den ganzen Apparat so umbauen, dass
eben doch alle 50 ihren Platz finden und dabei auch noch angemessene
Bewegungsfreiheit haben. „Wir sind ganz schön platt“, sagt eine Geigerin am vorletzten
Probentag. Wurde zunächst drei Tage lang mit erfahrenen Dozenten
aus großen Orchestern in Stimmgruppen gearbeitet, so hat
Manfred Jung am vierten Tag begonnen, Hand anzulegen und das Ganze
zum Orchesterklang zu formen. Dass er in Bayreuth, wo er so oft
den „Siegfried“ gesungen hat, das „Siegfried-Idyll“ spielt,
ist naheliegend. Ein ähnlicher Bezug besteht zu den Wesendonck-Liedern,
die in der Entstehungszeit des „Tristan“ komponiert
wurden und teilweise stark von der Oper geprägt sind. Auch
der Tristan gehörte zu den Paraderollen von Manfred Jung.
Schließlich die fast unbekannte erste und einzig vollständige
Sinfonie von Richard Wagner, die er als 19-Jähriger schrieb.
Darauf war Jung einfach neugierig, ebenso wie die jungen Musiker,
die das Werk auf diese Weise kennen lernen durften. Eher an Beet-hoven
als an Wagner erinnert das Frühwerk des Komponisten. Das Orchester
spielte es differenziert und mit großer Begeisterung. Sehr
zart musiziert waren die Wesendonck-Lieder. Kurzfristig eingesprungen
für die erkrankte Eva-Maria Westbroek, gelang Carol Wilson
allerdings nicht immer die Durchdringung des Orchesterklangs. Im
Gespräch erklärt Wilson dann, die Arbeit mit einem Sänger
als Dirigenten sei etwas Besonderes, weil er die gesanglichen Phrasen
aus der eigenen Erfahrung heraus so gut nachvollziehen und mitgehen
könne. Gesangs-Aktivitäten
Nicht zu vergessen über den Orchester-Aktivitäten seien
die Stiftungs-Projekte für junge Sänger. Über die
Planungen berichteten wir in der Ausgabe 2/2007 von „Oper&Tanz“.
Der erste Gesangswettbewerb ist inzwischen abgeschlossen. 120 Bewerbungen
gingen bei der Stiftung ein. 60 Sänger wurden zugelassen.
Die hochkarätige Jury, unter anderem besetzt mit Gerd Albrecht,
Kurt Moll, Brigitte Fassbaender und Eberhard Friedrich, vergab
Preise in den Kategorien Oper/Operette und Konzert. Einen Sonderpreis
in Höhe von 3.000 Euro gab es für das Fach Operette allein.
In der Kategorie Konzert konnte allerdings kein erster Preis vergeben
werden. Besonderes Highlight bei der Preisübergabe: Dame Gwyneth
Jones, Jungs langjährige Partnerin als Brünnhilde auf
der Bayreuther Bühne, überreichte Urkunden und Preise.
In ihrer Ansprache mahnte sie die jungen Sänger, ihre Stimmen
nicht „verheizen“ zu lassen. Zu frühe Überbeanspruchung
sei der Sänger-Karriere nicht förderlich, so die große
Sängerin.
Ausblick
Und wie geht es weiter? Einen Gesangswettbewerb wird
es in zwei Jahren wieder geben; zwischendurch können sich
Sänger
für Meisterkurse bei hochkarätigen Sängern bewerben.
Daneben wird die Stiftung auch weiterhin Orchesterworkshops anbieten.
Der nächste soll schon im Herbst stattfinden. Bewerben können
sich wieder Musikstudenten aus allen Hochschulen. Wenn Manfred
Jung von den „jungen Leuten“ spricht, beginnt das Gesicht
des Sänger-Dirigenten zu strahlen. Schon vor dem Konzert berichtet
er: „Heute Abend werden wir in einem richtig guten fränkischen
Gasthof feiern. Und da fahre ich mit dem Taxi hin. Ich werde mit
den jungen Leuten noch richtig Spaß haben.“
Barbara Haack |