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Editorial

Die drei Bücher vergilben allmählich, sind in ihren Statistiken weitgehend überholt, in ihren kulturpolitischen Fragestellungen aber durchaus noch aktuell: Karla Fohrbecks und Andreas Johannes Wiesands „Autorenreport“ von 1972, ihr „Künstler-Report“ von 1974 und ihre Untersuchung zur Rechtssituation der Kulturberufe „Arbeitnehmer oder Unternehmer?“ von 1976, erarbeitet gemeinsam mit Frank Woltereck.

   

Stefan Meuschel

 

Die Frage, ob die Rechtsauffassung der Kulturverwaltungen, ihre Tätigkeit beruhe auf freiwilligem, paternalistischem Mäzenatentum, mit dem gewandelten Verständnis der Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz noch in Einklang zu bringen sei, 1976 von Fohrbeck/Wiesand gestellt, wurde erst 2004 mit höchster Autorität beantwortet, als der scheidende Bundespräsident Johannes Rau Bilanz der bisherigen Arbeit der von ihm ins Leben gerufenen Kommission „Bündnis für Theater“ zog. Nicht freiwillige Leistung des Staates dürfe die Kulturförderung sein, sondern Pflichtaufgabe. Die öffentlichen Mittel für Kultur dienten nicht einer kleinen Gruppe, sondern unserem ganzen Land. Und wenn demnächst ein gastierender Opernchorsänger nach seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder nach seiner Bescheinigung über die Umsatzsteuerbefreiung gefragt wird, weil seine Aushilfstätigkeit steuerrechtlich als eine selbständige angesehen wird, hatten auch solchen Bürokraten-Irrsinn Fohrbeck/Wiesand schon vorhergesagt, als sie 1974 die einander widersprechenden arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Status-Zuordnungen der Kulturberufe anprangerten.

Fohrbeck/Wiesands „Künstler-Report“ basierte auf einem in der Ära Willy Brandt erteilten Forschungsauftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung „über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe“. Er widerspiegelt seine Zeit, als das „Ende der Bescheidenheit“ (Heinrich Böll) angesagt war und die Künstler ihr Schaffen „als Fortsetzung der Sozialarbeit mit künstlerischen Mitteln“ begründeten.

Wie das heute wohl ist, wird demnächst zu erfahren sein. Einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag nachkommend, hat der Deutsche Bundestag am 3. Juli 2003 eine Enquete-Kommission zur Lage der Kultur in Deutschland eingesetzt. „Aufgrund der Tatsache, dass die Kommunen den Löwenanteil der Kulturausgaben leisten und immer schwerer leisten können, soll eine Enquete-Kommission zum Thema ‚Kultur in Deutschland‘ unter Einbeziehung der Länder eingerichtet werden. Sie soll sich auch mit der sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen befassen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Formulierung des Auftrags weist auf seine Problematik hin: Mit der Einbeziehung der Gemeindefinanzen und der sozialen Lage der Künstler behauptet der Bund seine Kompetenz, mit der Erwähnung der Länder, verfassungsrechtlich die Träger der Kulturhoheit, will er Konflikten mit Entflechtungs- und Föderalismus-Kommissionen vorbeugen.

Wenn sich die Initiatoren als Ergebnis der Kommissionsarbeit eine dringliche Warnung vor der scheinbar unaufhaltsam fortschreitenden Verwüstung der Kulturlandschaft Deutschland erhoffen, sei jede kritische Anmerkung zu ihrem Vorhaben zurückgestellt. Doch dass dem nicht so ist, verrät die „Leistungsbeschreibung“ für ein von der Enquete-Kommission jetzt in Auftrag gegebenes Gutachten zum Thema „Rechtliche und strukturelle Rahmenbedingungen des Betriebs von Theatern, Kulturorchestern und Opern in Deutschland unter Betrachtung der Spannungsfelder von freiwilligen kulturellen Leistungen und Pflichtaufgaben der öffentlichen Hand“.

Möchte diese Themenstellung noch als Beitrag zu Johannes Raus Forderung, Kulturförderung als Pflichtaufgabe der öffentlichen Hand festzustellen, angesehen werden, so belehrt die vierseitige Auflistung der Problemfelder eines besseren. Unter der „allgemeinen politischen Zielvorgabe des Erhalts der in ihrer Dichte und Qualität beispielhaften deutschen Theaterlandschaft“ legt die Kommission einen geradezu enzyklopädischen Fragenkatalog vor, der, soll er nicht mit subjektiven Thesen beantwortet werden, dem Gutachter allumfassende Kenntnisse abverlangt. Er muss wissen, ob und wie ein Rechtsträger Einfluss auf künstlerische Entscheidungen nehmen kann, warum es für Musiker, Opernchorsänger und Schauspieler unterschiedliche Diensteregelungen gibt und welche Auswirkungen EU-Vorgaben auf die deutsche Theaterlandschaft haben, um wahllos einige Beispiele herauszugreifen.

Doch wenn auch die Gefahr besteht, dass das Gutachten erneut eine öffentliche Strukturdebatte auslösen könnte, die wie die vorangegangenen wenig hilfreich für das deutsche Theater wäre, ist einerseits der Wille des Parlaments zu respektieren, ist andererseits auch Neugier angebracht: Vielleicht fällt dem Gutachter der Enquete-Kommission ja etwas ein, was den Beteiligten und Betroffenen nicht längst schon eingefallen ist.

Ihr Stefan Meuschel

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