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Recherche und Schmökern
Neue Musik-Enzyklopädie · Von Michael Wackerbauer
Deutsche
Biographische Enzyklopädie der Musik. Auf der Grundlage der
von Walther Killy und Rudolf Vierhaus herausgegebenen Deutschen Biographischen
Enzyklopädie bearbeitet von Bruno Jahn. Saur Verlag, München 2003,
2 Bde., zusammen XIV, 1.409 S., € 268,00, ISBN 3-598-11586-5
Als „umfassendstes biographisches Nachschlagewerk zur Musik im deutschen
Sprachraum“ tritt sie an und punktet gleich auf der ersten Seite im
Vergleich mit dem Personenteil der neuen Ausgabe von „Musik in Geschichte
und Gegenwart“ (MGG), einer 27-bändigen Musikenzyklopädie,
die auch „die größte der Welt“ genannt wird, mit zwei
Sopranen. Lina Abarbanell und Irene Abendroth heißen die beiden Damen
am Anfang des Alphabetes, die die Redaktion der „Deutschen Biographischen
Enzyklopädie der Musik“ mit allerdings etwas unscharf bleibenden
Lebensläufen dem Vergessen entreißt. Es sind zwei von etwa 6.000
Personen, zu denen sich Artikel in den beiden schön gedruckten und solide
gebundenen Bänden finden. Grundlage des umfangreichen Unternehmens ist,
wie der Name schon sagt, die vor drei Jahren abgeschlossene „Deutsche
Biographische Enzyklopädie“ (DBE), deren musikbezogene Einträge
nun noch um zirka 400 Personen erweitert wurden. Entsprechend den Richtlinien
der großen Schwester beschränkt sich der Kreis der Auserwählten
auf „Menschen, die in den vergangenen 1.200 Jahren die Musik im deutschen
Sprachraum geprägt haben“ und die – ein nicht grundsätzlich
glückliches Kriterium – bereits verstorben sind. Das sind Einschränkungen,
die das Unternehmen DBE erst realisierbar machten und bei der musikbezogenen
Auskopplung angesichts der nicht geringen Konkurrenz an Nachschlagewerken
durch die Breite des ausgewählten Personenkreises durchaus akzeptabel
sind. Natürlich hinkt der eingangs angestellte Vergleich mit der neuen
MGG ein wenig, zumal sich das Superlativ bezüglich des Umfanges ausschließlich
auf die Zahl der Einträge bezieht. Inhaltlich wird dagegen nicht die
Ausführlichkeit der großen Enzyklopädien angestrebt. Knappe
Informationen zu möglichst vielen Personen ist die Maxime. Dabei ging
die Redaktion erfreulicherweise über den ursprünglichen Standard
der DBE hinaus und ergänzte die kurzen Lebensläufe in vielen Fällen
um ein Literaturverzeichnis und – leider nur allzu selten – um
eher summarisch ausfallende Angaben zum Werk.
Wenn bei einer durchschnittlichen Artikellänge von einer Drittelspalte
den „großen“ der Musikgeschichte bis zu eineinhalb Seiten
zugedacht werden, so mag dies grundsätzlich gerechtfertigt sein, doch
wird sicherlich niemand die „Deutsche Biographische Enzyklopädie
der Musik“ zu Mozart, Schubert oder Schütz zu Rate ziehen. Gerade
bei dem Konzept eines kurz kommentierten Verzeichnisses, dessen Stärke
vor allem darin liegt, über Personen erste Informationen zu liefern,
über die man sonst nur schwer etwas in Erfahrung bringen kann, hätte
man sich leicht an eine für alle geltende Standardlänge halten können.
Louis Spohr macht es als eine der zentralen Figuren des Musiklebens im 19.
Jahrhundert beispielhaft vor und fristet zwischen weitgehend unbekannten Größen
ein vergleichsweise bescheidenes Dasein. Die Auswahl einzelner Einträge
bei einem Unternehmen dieses Umfanges zu diskutieren ist müßig,
da die Zahl der „zu unrecht“ nicht genannten Personen zwangsläufig
mit der Dimension des Projektes wächst.
Wie die DBE ist die „Deutsche Biographische Enzyklopädie der
Musik“ über ein Berufs-, ein Personen- und ein Ortsregister hervorragend
erschlossen. Zusammen mit einer neu hinzugekommenen Zeittafel, die nach Geburtsjahren
sortiert ist, machen sie etwa ein Drittel des Nachschlagewerkes aus. Ein nach
Sterbejahren angeordnetes Personenregister wäre mindestens genauso aufschlussreich
und vielleicht eine schöne Ergänzung im Falle einer Neuauflage des
Werkes. Sehr hilfreich ist gegenüber der DBE eine verbesserte Ausdifferenzierung
der Berufsbezeichnungen, wo nun beispielsweise die Stimmfächer der Sänger
zu finden sind. Entschieden übersichtlicher stellt sich aufgrund des
viel geringeren Materialumfanges auch das Ortsregister dar, in dem etwa die
Einträge für die Stadt München von eng beschriebenen 37 Seiten
in der DBE auf durchaus überschaubare vier Seiten zusammenschrumpfen.
Beste Voraussetzungen also nicht nur für eine zielgerichtete Recherche,
sondern auch für genussvolles Schmökern, bei dem man sich auf spannende
Entdeckungsreisen machen kann. Wer auf die ungleich vielfältigeren Recherchemöglichkeiten
einer elektronischen Datenbank nicht verzichten will, muss auf die CD-ROM-Edition
der allgemeinen Ausgabe zurückgreifen, deren Anschaffungskosten allerdings
annähernd fünf mal so hoch sind und die angesprochenen Ergänzungen
nicht enthält.
Michael
Wackerbauer
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