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Opernglückseligkeit
Internationaler Opernkurs Weikersheim mit „Carmen“ ·
Von Britta Richter
In dem kleinen Städtchen zwischen den Hügeln, die sich sanft entlang
der Tauber erheben, ist es wieder ruhig geworden. In Weikersheim, mit seinem
verträumten Schlösschen und barockem Gartenidyll, in dem Hahn und
Pfau einvernehmlich durch Trauben sportiver Taubertouristen flanieren, geht
es zumeist recht beschaulich zu. Das ändert sich alle zwei Jahre, wenn
die Jeunesses Musicales Deutschland die internationale Nachwuchsspitze des
europäischen Musiktheaters zu Gast hat. Einen kompletten Theaterbetrieb
gilt es dann in sechs Wochen aus dem infrastrukturellen Nichts zu heben; über
250 Beteiligte zählte das Team der diesjährigen „Carmen“-Produktion,
die unter der musikalischen Leitung von Yakov Kreizberg und Amy Andersson
sowie der Regie von Carolyn Sittig stand.
Während die Waschmaschi ne träge ihre Runden dreht und hartnäckige
Überreste sechswöchigen Container-Daseins à la Big Brother
im „Haus der Musik“ raustrommelt, überfällt einen plötzlich
die Sehnsucht. Und – als hätte man es noch nicht zur Genüge
intus – liegt „Carmen“ „ratz fatz“ wieder auf
dem Plattenteller, beglückt, begeistert aufs Neue; erinnert an feurige
Opernabende und laue Sommernachtsträume, an harten Theateralltag und
eine Atmosphäre, die selbst mäkeligen Feuilletonisten den Glanz
in die Augen treibt.
Wer nach Weikersheim kommt und hier seine Arbeitskraft investiert, weiß,
worauf er sich einlässt und kennt die herausfordernde Loslösung
vom festen, eingefahrenen Theaterbetrieb: Bühnen- und Kostümbildnerinnen,
Techniker oder Beleuchter, sie stehen in Weikersheim vor besonders organisatorischen
Kniffligkeiten, die viel Eigenengagement und Improvisationsgeschick abverlangen.
Und es ist gerade das unprätentiöse, unverkrampfte Zusammenspiel
vom Hausmeister bis zur Primadonna, das hier gute Früchte trägt
und für die typische Weikersheimer Glückseligkeit sorgt.
Natürlich – wer nach Weikersheim kommt und Bayreuth erwartet,
wird nur bedingt Erfüllung widerfahren, hat aber auch nicht verstanden,
worum es der Jeunesses Musicales im Grunde geht. Die neun Freilichtaufführungen
im Schlosshof Weikersheim sind bemerkenswertes Ergebnis eines langen arbeits-
und lernintensiven Opernkurses, der über mehrere Arbeitsphasen auf die
Aufführungen hinarbeitet. Hier finden die aus Hunderten von Bewerbern
ausgewählten jungen Sängerinnen und Sänger das, was von ihnen
an jedem Theater erwartet, aber nicht geboten wird: Bühnenerfahrung.
Für die meisten der sehr begabten, jungen Stimmen ist es das erste Mal,
dass sie sich auf der Bühne in einer großen Partie präsentieren.
Dazu kommt die fordernde Arbeit mit Dirigenten, Orchester und Regisseurin.
Auch ganz alltägliche Lernerfahrungen wie angemessenes Umgehen mit Kraftreserven
von Stimme und Körper, richtiges Markieren oder bühnentauglicher
Bewegungsausdruck gehören dazu. Doch die Sängerinnen und Sänger
sind ungemein lernbereit, gehen mit einer ungebremsten Offenheit und Spielfreude
ans Werk, das schafft einen ergiebigen Fundus für eine erfahrene Regie,
die daraus zu schöpfen weiß.
Dass diese in der Kulturlandschaft viel zu rar gestreute Verbindung von Opernkurs
und qualitätsvollen Aufführungen Erfolg hat, bewiesen nicht nur
die über 12.000 Besucher der diesjährigen „Carmen“,
sondern auch das große überregionale Medieninteresse an dem Internationalen
Opernkurs Schloss Weikersheim. So wird sich die Jeunesses Musicales Deutschland
auch in den kommenden Jahren (2005 mit der „Zauberflöte“)
weiter als wichtiger Förderer des europäischen Musiktheaters etablieren
und für den begabten Sängernachwuchs eintreten.
Britta
Richter
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