Brenn-Punkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Berlin
Hatte Berlins Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur Thomas
Flierl dem Senat am 1. Juli 2003 noch ein Szenarium zu den „Auswirkungen
einer Fusion der Deutschen Oper Berlin mit der Staatsoper Unter den Linden“
vorlegen müssen, so konnte er tags darauf erleichtert durchatmen. Kulturstaatsministerin
Christina Weiss gab bekannt: „Berlin kann seine drei Opern behalten,
der Bund hat sich durchgerungen, schweren Schaden von der Hauptstadt abzuwenden.“
Konkret heißt das: Drei Millionen Euro stellt der Bund im Jahr 2004
einmalig zur Anschubfinanzierung der Berliner Opernstiftung zur Verfügung,
22 Millionen fließen bis auf weiteres jährlich in den Berliner
Kulturhaushalt. Grünes Licht also für Flierls Strukturkonzept zur
Errichtung einer Stiftung „Oper in Berlin“, unter deren Dach künftig
die drei Opernbetriebe, das Ballett sowie die Werkstätten und Serviceeinrichtungen
als jeweils eigenständige GmbHs agieren sollen.
Flierls Konzept kann nur funktionieren, wenn er die personellen Probleme
löst: Daniel Barenboim und Peter Mussbach müssen einsehen, dass
aus ihrer Linden-Oper nun doch keine Bundes-Staatsoper wird, die Deutsche
Oper muss einen Intendanten finden, der entweder Christian Thielemann heißt
oder mit ihm umgehen kann, und ein wahrer diplomatisch versierter Herkules
muss engagiert werden, der die Funktion des Generaldirektors der Stiftung
übernimmt. Beantwortet ist bisher lediglich die Frage nach der Leitung
der Komischen Oper: Der bisherige Intendant Albert Kost wurde seiner Verpflichtungen
entbunden, sein designierter Nachfolger, Chefregisseur Andreas Homoki mit
sofortiger Wirkung mit der kommissarischen Führung des Hauses beauftragt.
Nicht weniger als 299,5 Stellen sollen des weiteren bis 2009 – auf
dem Weg über einen sozialverträglich abzuschmelzenden Stellenpool
– abgebaut werden, will Flierl die finanziellen Rahmenbedingungen einhalten.
Wie sich dieses Vorhaben mit dem neuen Landestarifvertrag für die Arbeiter
und Angestellten in den Senats- und Bezirksverwaltungen Berlins verträgt,
der bis 31. Dezember 2009 betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausschließt,
wird sich ebenso weisen müssen wie die Frage nach der Substanz der Haustarifverträge,
die für die Beschäftigten der GmbH abgeschlossen werden sollen.
Die Künstlergewerkschaften DOV, GDBA und VdO werden am 29. September
mit dem Bühnenverein Gespräche über die Umsetzung des Landestarifvertrags
vom 1. Juli 2003 aufnehmen, der einerseits die Ergebnisse des Tarifabschlusses
im öffentlichen Dienst übernimmt, andererseits ab 1. August 2003
durch Arbeitszeitverkürzung kompensierte Lohn- und Gehaltsverzichte zwischen
8 und 12 Prozent vorsieht.
Eisenach
Nachdem die Kulturstiftung Meiningen dem Kooperationsvertrag mit dem Theater
Eisenach zugestimmt hat (s. O&T Ausg. 3/03, S. 6), wonach ab der Spielzeit
2004/05 der Meininger Opernchor „auch für Eisenach zur Verfügung
steht“, hat das Theater Eisenach allen Opernchormitgliedern die Nichtverlängerung
der Verträge zum Ende der Spielzeit 2003/04 mitgeteilt. Die VdO hat Klage
auf Feststellung der Unwirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilungen
erhoben.
Ludwigshafen/Mainz/Koblenz
Einen Vorschlag zur „Umgestaltung der rheinland-pfälzischen Orchesterlandschaft“
präsentierte kurz vor Spielzeitende Kulturminister Jürgen Zöllner.
Danach soll das Mainzer Philharmonische Orchester, das unter seiner neuen
Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt Oper und Konzerte in Mainz
spielt, mit der Staatsphilharmonie in Ludwigshafen zur „Neuen Staatsphilharmonie“
fusionieren, die mit 130 bis 140 Planstellen dann zu den größten
Orchestern Deutschlands gehören würde. Rund 40 Musiker aus beiden
Orchestern müssten allerdings entlassen werden, weitere 21 bei der „Rheinischen
Philharmonie“ in Koblenz, die als reines Theaterorchester weiterexistieren
würde. Rund zwei Millionen Euro will das Land mit diesen Maßnahmen
einsparen. Masse garantiert Klasse, hat sich der Mainzer Minister von seinen
unseligen Ratgebern, zu denen auch Darmstadts Intendant Gerd-Theo Umberg –
neben Elmar Weingarten und Otmar Herren – gehört, einreden lassen.
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