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Buch aktuell

Über Oper ...

Attila Csampai: Sarastros stille Liebe. Ein Opern-Lesebuch. Verlag Jung und Jung, Salzburg/Wien 2001, 336 Seiten, ISBN 3-902144-14-9, 22,- €

Worauf Attila Csampai mit „Sarastros stille Liebe“ hinaus will, verrät er gleich im ersten Satz seiner Essay-Sammlung. Unter der lapidaren Überschrift „Oper – wozu?“ findet sich das Bekenntnis: „Oper ist ein Lebensmittel, ein Überlebensmittel der Seele, die schönste Gegenwelt unserer Vorstellungskraft.“ Den ursprünglichen Zauber der Oper wieder spürbar zu machen, ist das erklärte Ziel des Autors. Er tut dies bei Werken, von denen wahre Opern-Freaks denken, sie würden sie zur Genüge kennen.
Dennoch geht es einem bei der Lektüre oft, wie dem Opernnarren Wolfgang Amadeus Mozart: „Ich darf nur von einer opera reden hören, ich darf nur im theater seyn, stimmen hören – o, so bin ich schon ganz ausser mir.“ Wie Csampai das zu Stande bringt, zeigt seine Don-Giovanni-Analyse: Bis heute gilt Mozarts Verführer als skrupelloser Triebmensch schlechthin, doch Csampais Blick ins Libretto verrät anderes. Nach Meinung des Autors ist in Donna Annas Zimmer zwischen ihr und Don Giovanni überhaupt nichts geschehen. Keine Anzüglichkeiten, kein erotisches Abenteuer. Und eine gewaltsam erzwungene Liebesszene schon gar nicht. Schließlich gesteht der Titelheld wenig später: „[...] heute macht sich der Teufel einen Spaß daraus, meine vergnüglichen Pläne zu durchkreuzen; sie gehen alle schief.“ Damit ist natürlich auch die Verführung Donna Annas gemeint. Und weil es sich hierbei um einen Monolog handelt, gibt es für Don Giovanni keinen Grund, die Unwahrheit zu sagen, so Csampai.

Noch ein Beispiel? 1. Akt, Register-Arie des Leporello: Hier erfährt man, dass der Großteil von Giovannis Opfern ausgerechnet im katholischen Spanien zu finden ist – „mille e tre“. In der weniger monogamen Türkei sind es aber nur 91. Aus einem scheinbaren Nebendetail wie diesem zieht Csampai den folgenreichen Schluss, die erotischen Energien des spanischen Don entfalten sich „nicht primär im Geschlechtsakt, sondern vorher: bei der magisch-sinnlichen Verzauberung seiner Opfer [...]. Dies zu begreifen mag heute vielen von uns – angesichts unserer weitgehend sportlich-profanen Auffassung von Erotik – schwerfallen“.

Es sind konsequente Reflexionen wie diese, die Attila Csampais Opern-Lesebuch so spannend machen. Aber seien Sie gewarnt: Wer die Essay-Sammlung zur Hand nimmt, sollte bereit sein, althergebrachte Denk-Schablonen zu überdenken. Egal ob Mozarts „Zauberflöte“, „Le nozze di Figaro“ und „Così fan tutte“ liebevoll seziert werden oder ob Csampai Verdis „Traviata“, „Otello“ und „Simon Boccanegra“ unter die Lupe nimmt – immer findet er wohltuend unorthodoxe Zugehensweisen jenseits üblicher Klischees. Deshalb kommt es auch für den passionierten Opern-Fan immer wieder zu „Aha“-Erlebnissen, die eines klar machen: Der Autor sucht, was die alten Partituren mit der Gegenwart verbindet. „Was geht uns das alles heute noch an?“ ist eine Frage, die Csampai oft im Hinterkopf gehabt haben dürfte. Nur so ist zu erklären, dass seine Analysen immer wieder brennende Aktualität gewinnen.

Die Textbücher werden stets auch in Kombination mit der Musik untersucht. Das lässt sich dann anhand der beigefügten Diskografie hörend nachvollziehen. Dass Csampai sie „Meine Lieblingsaufnahmen“ übertitelt, zeigt einmal mehr: Trotz glasklarer Verstandesarbeit – das schwärmerische Faible für die Oper hat der Autor nicht verloren. Und das spürt man in jedem seiner Aufsätze.

Oliver Wazola

 

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